In den Ring steigen!

Am 25. März mobilisierte die Plattform 25 10.000 Menschen in Graz, um gegen das drohende Landesbudget zu demonstrieren. Am 11. April gingen wiederum 5.000 in der steirischen Landeshauptstadt auf die Straße. Indes erwacht auch der steirische ÖGB. Wir veröffentlichen an dieser Stelle einen Beitrag von Samuel Stuhlpfarrer zur aktuellen Bewegung gegen das steirische Landesbudget. Mit freundlicher Genehmigung des Autors.

Konzipiert worden war die Aktion am 11. April als "Menschenkette". Wenige hundert Menschen hätten das Grazer Landhaus symbolisch in Beschlag nehmen sollen, um so deutlich zu machen, dass es "uns allen" gehöre. Hintergrund für die Aktion war eine krasse, mithin auch symptomatische, Fehleinschätzung der Stimmung innerhalb der Bewegung. Unmittelbar nach der Demo am 25.3 hatten die vom Belastungskurs der steirischen Landesregierung am stärksten betroffenen Sektoren Gewissheit erlangt. Die Durchführungsverordnungen (DVO) trudelten in den Geschäftsstellen der betroffenen (Sozial-)Einrichtungen ein, plötzlich hatte man Zahlen und Gesichter (derjenigen nämlich, deren Stellen unter diesen Vorzeichen abgebaut werden müssten); schlagartig wuchs die Empörung. Anders als angenommen, führte dies nicht zu einer Ermüdung, sondern zu einer Ausweitung der Bewegung. Schon in den Tagen vor der "Menschenkette" demonstrierten in mehreren steirischen Bezirksstädten (jeweils) bis zu 1000 Menschen gegen das Paket.

Vor diesem Hintergrund kam es wenig überraschend, dass aus der geplanten "Menschenkette" eine abermalige Großdemonstration wurde. 5000 waren es schließlich, die am vergangenen Montag gegen das Paket auf die Straße gingen. Sie erhöhten ihrerseits auch den Druck auf den steirischen ÖGB, der in einer zeitgleich stattfindenden Landesvorstandssitzung, eine Großdemonstration für den 26. April beschloss. Zudem: Kampfmaßnahmen im Sozialbereich für den Fall, dass neuerliche Verhandlungen mit den Spitzen der Landesregierung ergebnislos verlaufen sollten. Die Sprecher/innen der Plattform 25 verhandeln gegenwärtig mit dem ÖGB die Eckpunkte einer gemeinsamen Ausrichtung der Demo am 26. April.

Aus heutiger Sicht scheint es absolut sicher zu sein, dass die Demo am Dienstag nach Ostern alles Bisherige bei weitem übertreffen wird. Tatsächlich wird der Erfolg der Aktion aber nicht zuletzt vom Mobilisierungswillen des ÖGB abhängen. Und davon, ob der eben erst aufgewachte schlafende Riese nicht doch noch dazu in der Lage ist, einen faulen Kompromiss mit Voves und Schützenhöfer zu verhandeln.

Für die Plattform 25 stellen sich aber - ganz abgesehen davon - weitere entscheidende Fragen. Was tun, wenn auch die Demo am 26. April die Landesregierung, nicht von ihren Budgetplänen abzubringen vermag? Wäre es angesichts dessen nicht längst legitim nach der (gelungenen) Verbreiterung der Bewegung, auch zu einer Zuspitzung in den Aktionsformen zu finden? Und wie soll es nach einem zu befürchtenden Budgetbeschluss im steirischen Landtag (der soll am 28. April erfolgen) weitergehen? Schlüssige, die Dynamik der Bewegung antizipierende Antworten auf diese Fragen, ist man bislang schuldig geblieben. Die Verlagerung des Kampfes von der Straße in die betroffenen Betriebe und Einrichtungen dürfte, wenn dann wohl eher der ÖGB besorgen. Vorbereitende Maßnahmen hinsichtlich einer Ausweitung möglicher Arbeitskämpfe auf den produktiven Sektor der steirischen Wirtschaft sind bislang ohnedies kaum Teil der Überlegungen gewesen. Fest steht: sollte eine Zuspitzung der objektiven Situation, sprich: eine unmittelbar nach der Demo am 26. April einsetzende Eskalation der Auseinandersetzung mit der Landesregierung nicht gelingen, wird es schwierig, um nicht zu sagen, unmöglich werden, in den Wochen nach der Beschlussfassung im Landtag die Bewegung neuerlich zu entfachen. Das sollten sich zuvorderst jene Teile der Plattform 25 zu Herzen nehmen, die gegenwärtig aus Angst, die Kontrolle über die Bewegung zu verlieren, eine in Form und Inhalt rückwärtsgewandte Linie verfolgen.

Apropos Inhalte: Auch hier hat sich zuletzt deutlicher Diskussionsbedarf gezeigt. Jener Teil der – im Zuge der "Menschenkette" vorgetragenen – "alternativen Budgetrede" etwa, der sich mit "Strukturreformen" als Alternative zu Einsparungen im Sozialbereich befasste, hatte – gewollt oder ungewollt – nichts anderes zum Inhalt, als den neoliberalen Rollback, der auch die Politik der schwarz-grünen Koalition in Graz kennzeichnet und dessen traditionelle Proponenten historisch zumeist aus dem Lager der ÖVP kamen (Hirschmann, Raidl, et. al.). So hieß es in besagter Rede etwa: "Die Plattform würde das vorhandene riesige Heer an BeamtInnen einsetzen, um rasch, zackig und effizient Appelle vom Rechnungshof und von Budgetexperten umzusetzen und alle Bereiche der Verwaltung auf Sinnhaftigkeit und Kosten hin zu überprüfen und zu optimieren" (zitiert nach Die alternative Budgetrede der Plattform 25 am 11.4.2011). Möglicherweise sitzt der Verfasser dieser Zeilen einem Missverständnis auf, aber war der Begriff des "Optimierens" nicht seit jeher, einer jener Euphemismen, der den Begriff des "Stellenabbaus" ersetzen musste (zumindest bis zu dem Zeitpunkt, da sich die Grünen das Wording der Neoliberalen selbst zu eigen machten)? Redet die Plattform 25 neuerdings dem Streichen von Jobs im öffentlichen Dienst das Wort? Stellt man sich hier wissentlich in eine Phalanx mit jenen Kräften – auch aus der Landesregierung – die im nächsten, allerspätestens jedoch im übernächsten Jahr eine "Verwaltungsreform" durchsetzen wollen, die Stellenabbau und Erhöhung des Lohndrucks zur Folge haben wird? Und schließlich: Gibt es hier einen vorsätzlichen Unwillen die bestehende Situation – den Druck auf die Landeshaushalte über Finanzausgleich und Stabilitätspakt – zu thematisieren, um Illusionen zu schüren, es wäre in den Grenzen des Systems alles lösbar, wenn man denn nur wollte?

In der Tat würde eine Verwaltungsreform Folgen haben (Arbeitslosigkeit, Lohndruckerhöhung, Verschlechterungen im Bereich öffentlicher Dienste und Serviceangebote und nicht zuletzt eine Spaltung all jener, die von diesem Budget betroffen sind), lösen würde sie das Budgetproblem mitnichten. Die in besagter Rede gemachte Bemerkung, dass die "Sozialsysteme (.) ja nur deshalb zusammengekürzt (werden), weil die Landesregierung unfähig ist, Verwaltungsreformen durchzuführen" (ebenda) ist schlichtweg falsch. Der Sozialbereich ist vielmehr deshalb zentrales Ziel der Angriffe, weil er einen Sektor darstellt, in dem kein Mehrwert geschaffen wird; weil Einsparungen in einem ebensolchen Bereich (zwar auf die Kaufkraft wirken, allerdings) das Wachstum einer - noch dazu weitgehend exportorientierten – Ökonomie eben nicht gefährden (Leo Kühberger hat sich mit dieser Frage an anderer Stelle eingehender beschäftigt, es sei in diesem Zusammenhang auf seinen Beitrag verwiesen: Dieses Budget macht Sinn, und deswegen müssen wir es verhindern!).

Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Die Plattform 25 hat innerhalb kürzester Zeit Verdienste erworben, die ihr niemand mehr nehmen kann. Sie hat innert zweier Monate eine Bewegung zum Leben erweckt, deren Kraft von kaum jemandem für möglich gehalten worden wäre. Sie hat es geschafft, den ÖGB dazu zu zwingen, in die Auseinandersetzungen um das steirische Landesbudget einzugreifen. Sie hat sich aus dem Nichts zur maßgeblichen Referenz im Kampf gegen dieses Paket aufgeschwungen. All das bringt auch eine spezifische Verantwortung mit sich. Es liegt jetzt an den in der Plattform 25 engagierten Betriebsräten, Streiks im Sozialbereich mitvorzubereiten. Es liegt an der Plattform 25, die Solidarität anderer Sektoren sicherzustellen. Es liegt an ihr, all jene zusammen zu führen, die die Ablehnung dieses Pakets eint. Es liegt an ihr, die Auseinandersetzung auf eine Weise zuzuspitzen, die dieses Belastungspaket zu verhindern imstande ist. Und es liegt mit an ihr, die Demo am 26. April zu einem Massenprotest werden zu lassen, der das Machtgefüge in diesem Land, zum Tanzen zu bringen, in der Lage ist. Die Plattform 25 hat vor rund zwei Monaten die Arena betreten. Es wäre jetzt an der Zeit, in den Ring zu steigen!

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