Wir müssen uns die Partei zurück erkämpfen!

Interview mit Jürgen Schamberger

Wie bist du Betriebsrat geworden?

Das war nicht einfach! 2006 wurde ich vom damaligen Vorsitzenden gefragt, ob ich nicht kandidieren möchte. Ich habe nicht gewusst, was auf mich zukommt und hab einfach ja gesagt. Und während ich den Wahlvorstand zusammenstellte, wurde ich im Zuge der damaligen Kündigungswelle "zufällig" auch gekündigt. Daraufhin habe ich trotzdem die Wahl durchgeführt und unsere Liste – eine unabhängige Liste – wurde gewählt. Ich war dann also daheim und bin vors Arbeits- und Sozialgericht gezogen. Es war eine Motivkündigung, mir wurde nach einem halben Jahr recht gegeben und ich kam wieder in die Firma zurück – als Betriebsratsvorsitzender. Es war wirklich eine schwere Zeit, zum Glück hatte ich viele KollegInnen, nicht nur in der Körperschaft, die mich ganz massiv unterstützt haben. Ohne die hätte ich es nicht geschafft.Aber ich mach die Arbeit gerne, ich bin davon überzeugt. Unsere Rechte müssen wir verteidigen.

Teilweise wird ja das Recht auch von uns selber torpediert, so nach dem Motto: "das brauchen wir alles nicht mehr". Aber das stimmt nicht.

Wie siehst du deine Rolle als Betriebsrat? Was ist dir wichtig?

Ich bin seit 2006 Betriebsratsvorsitzender im Kolpinghaus, einem Wohn- und Pflegeheim mit 200 MitarbeiterInnen. Ich bin in der SPÖ verankert. Ich stehe für eine Grundgerechtigkeit, für Gleichheit, jedeR muss gleich behandelt werden, egal von wo er/sie kommt und wohin er/sie geht. Und dafür kämpfe ich auch im Betrieb und dafür stehe ich! Wir haben viele KollegInnen mit Migrationshintergrund, die wir speziell unterstützen, sich in dem komplizierten Rechtssystem in Österreich zurecht zu finden. Meine Tätigkeit ist vor allem Aufklärungsarbeit. Die KollegInnen müssen wissen, welche Rechte sie haben, damit sie diese einfordern und auch durchsetzen können.

Habt ihr einen Kollektivvertrag?

Ja wir haben einen KV wollen aber in den BAGS-KV wechseln. Da hat es heuer eh Probleme gegeben. Wir haben bei dieser Demo rund um die KV-Verhandlungen am 14. Jänner 2010 mit demonstriert und einiges auf die Füße gestellt. Das Traurige aber war, dass während wir auf der Demo für einen besseren BAGS-KV-Abschluss demonstrierten, ich einen Anruf bekommen habe, dass unser (VIDA-)KV mit 0,9% abgeschlossen wurde – also genau dem Prozentsatz, den die GPA-djp abgelehnt hat und deshalb zur Demonstration aufgerufen hat. Das war sehr frustrierend. Und deshalb wollen wir auch in den BAGS wechseln. Oberstes Ziel dabei ist eine Arbeitszeitverkürzung. Wir haben im Moment die 40 Stundenwoche und wollen 38 – natürlich bei vollem Lohnausgleich.

Inwieweit werden die KollegInnen informiert, wie funktioniert eure Kommunikation?

Es gibt den täglichen Austausch bei uns im Haus. Mensch darf den Kontakt zur Basis nicht verlieren und nicht nur die hören, die am lautesten schreien, sondern auch die, die keine Stimme haben oder sich nicht trauen sie zu benutzen. Zurzeit planen wir eine MitarbeiterInnenbefragung, um die Stimmung abzuklären und um unseren Kurs bei Bedarf zu korrigieren.

Ich schaue täglich auf die Stationen, wo unsere Leute sind. Mir ist dieser Kontakt sehr wichtig.

Welche Forderung stellst du an die Gewerkschaftsbewegung? Welche Kritikpunkte hast du?

Naja es gibt mehrere Kritikpunkte. Das erste wäre, dass es immer noch Teilgewerkschaften gibt, die ihr eigenes Süppchen kochen. Es gibt Bereiche, die ganz zersplittert sind, wie zum Beispiel der Gesundheits- und Sozialbereich. Da gibt es eigene Kollektivverträge, die zum Teil unter dem BAGS liegen. Da wird "legal" Lohn-Dumping betrieben. Das ist auch der Grund, warum wir in den BAGS wechseln wollen, da unserer KV massiv unterm BAGS liegt. Außerdem hat es bei unserem Abschluss zwar eine BetriebsrätInnenkonferenz geben, wobei ich da auch gehört habe, dass nicht alle informiert wurden, und als einzige Kampfmaßnahme wurde "Dienst nach Vorschrift" beschlossen. Das kann's ja nicht sein! Im Gegensatz dazu wurden bei der GPA-djp Kampfmaßnahmen beschlossen.

Und dann wird am Tag der Demonstration unser KV abgeschlossen. Die sind da der GPA in den Rücken gefallen, das ist unbeschreiblich. Mensch bekommt den Eindruck, dass sich einzelne Personen Vorteile herausschlagen wollen. Ich bin der VIDA für die Unterstützung vor Gericht zwar zu Dank verpflichtet, aber seitdem habe ich nichts mehr von ihnen gehört. Die GPA-djp empfinde ich als demokratischer, v.a. mit ihren Wirtschaftsbereichen.

Was sind deine Forderungen bezüglich der Krise?

Was jetzt in der Krise wichtig ist, ist, dass wir endlich eine ordentliche Strategie aufstellen, wie wir mit der Krise umgehen. Auf uns kommt jetzt die Frage zu: "Wer zahlt das Ganze?" Wir brauchen ordentliche Positionen, die ich leider im Moment nicht sehe. Es gibt zwar vereinzelt Vorstöße, zum Beispiel in der GPA-djp, aber ein Gesamtkonzept kann ich nicht erkennen. Es gibt gute Vorschläge, aber inwieweit kommen die dann überhaupt zur ÖGB-Spitze? Ich bin ja auch in der FSG, bin da sehr aktiv, aber die Vorschläge der FSG werden ja dann schon teilweise innerhalb der eigenen Partei abgewürgt. Stichwort Vermögenssteuern. Das wären so zentrale Forderungen. Denn wer hat die Krise verursacht? Warum sollen wir ArbeitnehmerInnen, die jetzt eh schon aufgrund von Kurzarbeit und Kündigungen für die Krise zahlen, ein zweites Mal zahlen? Und es steht im Raum, dass wir über verschiedene Steuern das Budget sanieren werden müssen. Hier müssen wir klar Position beziehen, und die Gewerkschaft muss Strategien erarbeiten, dass dies nicht passiert. Ich glaube auch, dass die FSG der Partei zu schnell verzeihen hat. Unter Gusenbauer durften wir noch nicht einmal mehr im Parlament sitzen; das ist zwar jetzt nicht mehr so, aber geredet wird darüber auch nicht mehr. Wir vergessen zu schnell.

Du bist ja auch in der SP-Linken aktiv. Was bedeutet das für dich?

Ich bin ein kritisch denkender Mensch. Ich hinterfrage alles. Ich engagiere mich für die SP-Linke, weil sie einen Kurswechsel fordert. Back to the roots – zurück zu den Wurzeln; wir sollen nicht vergessen, woher wir kommen und für was wir stehen. Wir müssen weg von der Politik der Beliebigkeit; unser Kanzler ist da ein perfekter Ausdruck für diese Beliebigkeit. Er hat keine Positionen und das sagt schon sehr viel über den Zustand der SPÖ aus. Wir brauchen Visionen, keine Feindbilder die für unser vermeintliches Versagen herhalten müssen. In Wirklichkeit hat die Elite versagt. Früher haben wir einmal von einer klassenlosen Gesellschaft gesprochen. Das ist eine Vision. Aber wenn du mich jetzt fragen würdest, für was die SPÖ steht, ich könnte es dir nicht beantworten. Sie orientiert sich angeblich an den WählerInnen anstatt zu zeigen für was sie steht, und der/die WählerIn kann sich dann an uns orientieren. Wir brauchen wieder klare Positionen und Ziele: Wie sollte die Gesellschaft in 10 Jahren ausschauen, was wollen wir haben? Und wir müssen mit der ideologischen Lüge "JedeR hat die Chance aufzusteigen" aufräumen – das stimmt einfach nicht.

Was sind die nächsten Schritte der SP-Linken? Was kann jedeR tun?

Was ja an sich schon tragisch ist, ist, dass wir in einer Partei, die eigentlich links positioniert sein sollte, über eine Linke reden müssen. Wir müssen uns alle fragen, wofür diese Partei steht. Ich will eine Grundsatzdiskussion. Wir haben jetzt jahrelang liberale Politik gemacht, spätestens seit der Ära Vranitzky, und jetzt ist die Partei ziemlich in die Mitte gewandert und wir wissen ja, dass die Mitte eigentlich rechts ist. Nun wird die Kluft zwischen den Liberalen und der Basis, den SozialistInnen und SozialdemokratInnen, immer größer und deshalb wächst die Unzufriedenheit. Ich sehe im Moment die Liberalen am Drücker, die beeinflussen die Richtung der Partei. Die Liberalen sollen ihre eigene Partei machen. Unsere Partei gehört uns, und wir müssen um sie kämpfen! Machen wir keine eigene linke Partei, sondern holen wir uns das, was uns gehört. Das muss das Ziel der SP-Linken sein. In der nächsten Zeit müssen wir eine Strategie erarbeiten, wie wir uns die Partei zurückholen. Wenn ich sehe, dass Diskussionen über die Erbschaftssteuer und Steuern auf Vermögen, innerhalb der eigenen Partei abgedreht werden, dann ist es an der Zeit, das sich was ändert. Wir müssen uns ernsthaft fragen, ob diese "AbdreherInnen" dann noch SozialdemokratInnen sind. Die Schere geht immer weiter auf zwischen Liberalen und Linken und da wird die Machtfrage innerhalb der Partei gestellt werden müssen.

Am 10. April 2010 findet die Konferenz der SPÖ-Linken statt – dein Aufruf?

Ich fahre sicher hin und alle, die einen Kurswechsel wollen, und alle, die wollen dass die Partei wieder uns gehört, sollen auch hinkommen und sich aktiv einbringen. Nur so wird das was Gscheites und kein Versuch!

Danke für das Interview!

Wir sind ÖGB is powered by Joomla!®