Interview mit einem MetallerInnenbetriebsrat aus Wien

Du warst auf den beiden Kundgebungen in Wien vor der Wirtschaftskammer, wo die Gewerkschaft wegen dem Kollektivvertrag (KV) Druck gemacht hat. Gab es in eurem Betrieb auch Protestaktionen?

Unsere Betriebsratsvorsitzende hat uns informiert, dass es diese Kundgebungen gibt. Da sind wir vom Betriebsrat alle hingegangen. Wie in vielen anderen Betrieben auch informierten wir die KollegInnen auf Betriebsversammlungen. Wir wollten aber keine Versammlung für die Belegschaft machen, die 1-2 Stunden gedauert hätte. Wir wählten einen anderen Weg und machten für jede Abteilung eine eigene Versammlung, die jeweils so an die drei Stunden dauerte. Das hatte den positiven Effekt, dass die Versammlung in einer Abteilung eh schon dazu geführt hat, dass die anderen Abteilungen nicht mehr weiterarbeiten konnten. Und es hat auch in den Abteilungen, wo gerade keine Versammlung war, die Diskussion unter den KollegInnen angeheizt. Es ist ja wichtig, dass die KollegInnen nicht nur informiert werden, sondern sich auch untereinander eine Meinung bilden.

Und wie war die Stimmung auf den Versammlungen?

Als die KollegInnen gehört haben, was die ArbeitgeberInnen da fordern, haben sie sofort gemeint, dass sie unter diesen Umständen keine Überstunden mehr machen würden. Sollte die Streichung der Überstundenzuschläge kommen, dann werden viele passiven Widerstand machen. Als Betriebs-elektriker mache ich nicht so viele Überstunden, aber mich hätte das auch ca. 70 Euro im Monat gekostet. Viele KollegInnen, die am Fließband arbeiten, brauchen das Geld aus den Überstunden unbedingt. Da sind bei uns im Betrieb auch viele alleinerziehende Mütter dabei. Die Gewerkschaft hat ja ausgerechnet, dass viele KollegInnen in zwei Jahren bis zu 10.000 Euro verlieren würden.

Wie siehst du jetzt den jüngsten KV-Abschluss?

Die 1,5 % plus sind natürlich nicht viel. Einerseits ist es ein Erfolg, dass der Lohnabschluss nicht an die Streichung der Überstundenzuschläge gekoppelt wurde. Andererseits war die Entkoppelung nur ein Schachzug der ArbeitgeberInnen, mit dem sie uns den Wind aus den Segeln genommen haben. Mit einem Streik hätten wir alle unsere Forderungen durchgebracht, und die drohenden Verschlechterungen durch eine weitere Arbeitszeitflexibilisierung wären damit vom Tisch.

Wie siehst du die Rolle der Gewerkschaft?

Die Gewerkschaft muss wieder viel mehr die Zähne zeigen. Die Gewerkschaft lebt davon, dass sie Druck machen kann. Je mehr dabei sind, desto mehr Druck können wir erzeugen. Das Problem ist, dass viele ArbeiterInnen einfach kein Vertrauen mehr in die Führung haben.

Wie siehst du deine Mitbestimmungsmöglichkeiten in der Gewerkschaft? Was hältst du von der Forderung nach Urabstimmungen bei den Kollektivvertragsverhandlungen?

Es müsste so funktionieren, dass wir BetriebsrätInnen die ArbeiterInnen fragen, und das leiten wir dann an die Gewerkschaft weiter. Die Idee einer Urabstimmung finde ich sehr gut.

Danke für das Interview!

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