Graphisches Gewerbe: Der Kampf um den Kollektivvertrag geht in eine neue Runde

Am 25. Juni hat der Hauptvorstand des UnternehmerInnenverbandes Druck & Medientechnik das Verhandlungsergebnis über die Kollektivverträge zum grafischen Gewerbe deutlich abgelehnt. Damit herrscht in der Druckindustrie seit 1. Juli 2009 ein kollektivvertragsfreier Zustand. Der UnternehmerInnenverband schreibt auf seiner Homepage bereits, dass nun „auf betrieblicher Ebene unter Berücksichtigung der rechtlichen Grundlagen im Einvernehmen mit den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern Änderungen der Dienstverhältnisse durchgeführt werden können.“ Dieser Einladung werden viele Unternehmen bald nachkommen. Die Druckbranche war die erste, in der sich Gewerkschaften gebildet und in langen, harten Kämpfen, in denen die ArbeiterInnen viele Opfer bringen mussten, auch ein Kollektivvertrag (KV) erkämpft wurde. Unter dem Eindruck der Wirtschaftskrise haben die radikalsten Teile im Verband Druck & Medientechnik es geschafft, diesen Kollektivvertrag zu zerstören. Das ist ein Angriff auf die gesamte ArbeiterInnenbewegung, der keinesfalls hingenommen werden kann!

Jetzt wird eine Spirale nach unten in Gang gesetzt, die dazu führen wird, dass in einem Betrieb nach dem darauf gedrängt werden wird, dass die ArbeiterInnen schlechtere Lohn- und Arbeitsbedingungen in Kauf nehmen.

Die Strategie der Gewerkschaftsführung, bis zuletzt durch massive Zugeständnisse am Verhandlungstisch zumindest den KV zu retten und mit einem "blauen Auge" davon zu kommen, ist gescheitert. Der Vorsitzende der DruckerInnengewerkschaft Franz Bittner hat nach der Kündigung des KV einen Brief an die ArbeitgeberInnen geschrieben, in dem er folgende Vorschläge macht:

  1. Der KV wird bis 30. September 2009 verlängert, um einen Wildwuchs im Arbeitsrecht – der laut ihm auch den grafischen Unternehmungen nicht dient – zu verhindern.
  2. Beim nächsten Hauptvorstand im August wird nochmals auf die untragbare Situation hingewiesen und eine gemeinsame Verhandlungslösung gesucht.

Sollte diese Vorgangsweise nicht zum Ziel führen (wovon auszugehen ist), droht die GPA-djp mit "gewerkschaftlichen Maßnahmen", die aber nicht genauer dargelegt werden. Vorerst gehe es darum, keine Verschlechterungen zu den im KV 2005 festgelegten Bedingungen zuzulassen. Genau das werden aber die Unternehmen anstreben.

Die Gewerkschaft argumentiert, dass ein kollektivvertragsfreier Zustand für die Unternehmen auch nicht positiv sei, weil dadurch der Verdrängungswettbewerb noch härter würde. Es stimmt, dass die Spirale nach unten wohl einige Firmen mit in den Abgrund reißen dürfte, vor allem angesichts der Tatsache, dass es in der Druckbranche bereits jetzt enorme Überkapazitäten gibt und viele Betriebe am Rande der Pleite stehen. Trotzdem macht dieses Vorgehen aus Perspektive der Bosse Sinn. Es ist Teil der marktwirtschaftlichen Logik, dass das einzelne Unternehmen immer billiger produzieren muss, um seine Konkurrenz vom Markt zu verdrängen. Das Ziel eines Unternehmens ist es, eine marktbeherrschende Stellung zu bekommen.

Gewerkschaften und Kollektivverträge sind dabei Hindernisse, die vielleicht in wirtschaftlich guten Zeiten toleriert werden; aber diese sind vorerst vorbei. Vor dem Hintergrund der Krise hat es im Verband Druck & Medientechnik wohl eine Verschiebung im Kräfteverhältnis hin zu jenen gegeben, die mit der Gewerkschaft endgültig aufräumen wollen. Ein Appell an die gute alte Sozialpartnerschaft und die wirtschaftliche Vernunft der Bosse wird die Gewerkschaft in dieser Situation nicht weiter bringen.

Genau dafür steht aber Franz Bittner, der jetzt Geschäftsführer eines Unternehmens, an dem er schon seit geraumer Zeit Anteile hält, wird. Schon zuvor war er in seiner Funktion als Chef der WGKK an die angenehmen Seiten der Sozialpartnerschaft gewöhnt. Die Frage, ob jemand, der von seiner gesellschaftlichen Rolle her KapitalvertreterInnen ist, überhaupt noch die Interessen der KollegInnen vertreten kann, beantwortet sich von selbst. Viel wichtiger erscheint uns die Tatsache, dass seine Strategie offensichtlich gescheitert ist. Durch Zugeständnisse, Kompromissbereitschaft und das Abblasen von Kampfmaßnahmen, die von der überwältigenden Mehrheit der KollegInnen mitgetragen worden wären, wurde der KV praktisch widerstandslos verschenkt!

Jetzt bereitet die Gewerkschaft angeblich Kampmaßnahmen vor. Die Ausgangsbedingungen dafür sind heute weit schlechter als im Mai, weil die DruckerInnen nun in die Bereiche Zeitungs-, Rollen- und Bogendruck gespalten sind und das Vertrauen vieler KollegInnen in die Kampfbereitschaft der Gewerkschaftsführung erschüttert ist.

Warum die Unternehmen unter diesen für sie günstigen Bedingungen einlenken sollten, ist nicht nachvollziehbar. Der Ausweg kann nur darin bestehen, dass die große Mehrheit von KollegInnen, die wissen, dass der bisherige Kurs in die Niederlage führte, die Diskussion eröffnet, wie die Gewerkschaft ihre Interessen wirklich vertreten, also wieder zu einer Kampforganisation gemacht werden kann. Ansätze dafür gibt es genug. Viele BetriebsrätInnen sind enttäuscht und sich bewusst, dass es so nicht weitergehen kann. Es braucht jetzt – ausgehend von den Betrieben – eine offene, demokratische Debatte über die Perspektiven und Methoden unserer Gewerkschaft.

Rolle der BetriebsrätInnen

Bei dieser Diskussion spielen die BetriebsrätInnen eine zentrale Rolle. Sie sind die direkte Vertretung der Belegschaften gegenüber den höheren Gremien der Gewerkschaft. Nach unserem Verständnis haben sie die Chance und Pflicht, den mehrheitlichen Willen ihrer Belegschaften in diese (z.B. den Bundesausschuss) zu tragen. Vor jeder wichtigen Entscheidung, z.B. in diesem, sollten BetriebsrätInnen die Meinung ihrer Basis einholen und diese dann im jeweiligen Gremium auch vertreten. Natürlich können sie selbst anderer Meinung sein und diese auch kundtun, doch abstimmen sollten sie im Sinne ihrer Belegschaft. Auf dieser Basis wären die Kompromissangebote der Bosse im Bundesausschuss wohl rundweg abgelehnt worden.

Jene BetriebsrätInnen, die so handeln, werden am meisten Zuspruch bekommen, auf dieser Basis die Interessen der Beschäftigten am Besten durchsetzen können und v.a. auch das Vertrauen der KollegInnen für ihre politischen Positionen gewinnen. Und das ist dringend notwendig. Nur kämpferische Belegschaften, die voll hinter ihrem Betriebsrat steht, können nämlich die Angriffe auf den KV abwehren. Das beste Mittel, die Beschäftigen zum Kampf zu aktivieren, ist die konsequente Einbindung aller KollegInnen in die gewerkschaftliche Arbeit.

Möglichkeiten dazu gibt es viele, etwa die Öffnung der Betriebsratssitzungen für alle KollegInnen oder auch regelmäßige Sitzungen der gewerkschaftlichen Betriebsgruppen bzw., wo es diese nicht gibt, deren Etablierung. Dadurch könnte die Erneuerung der Gewerkschaft von unten von zwei Ebenen ausgehen, die sich gegenseitig verstärken: 1. Durch die Vernetzung aller BetriebsrätInnen, die mit dem momentanen Kurs von Bittner&Co. nicht zufrieden sind und eine kämpferische und demokratische Gewerkschaft wollen. 2. Durch den Aufbau einer untrennbaren Einheit zwischen den BetriebsrätInnen und ihrer Basis, die auch stärkerem Druck, z.B. während eines Streiks, standhält.

Vernetzung der Basis

Alle aktiven BetriebsrätInnen, die für einen kämpferischen Kurs der GPA-djp stehen und gegen die Zerschlagung des KV sind, sollten heute so schnell wie möglich ein österreichweites Vernetzungstreffen einberufen. Auf diesem muss klargestellt werden, dass nur eine echte Reallohnerhöhung und ein gemeinsamer Kollektivvertrag für alle DruckerInnen ein akzeptables Verhandlungsergebnis sind. Solle die Druckindustrie dazu nicht bereit sein, wir mit allen erforderlichen gewerkschaftlichen Mitteln dafür gekämpft werden.

Gleichzeitig haben die Ereignisse bis Anfang Juni gezeigt, dass die Vorbereitung von Kampfmaßnahmen bis hin zum Streik nicht alleine der Gewerkschaftsspitze überlassen werden darf. Sonst kommt es nämlich nie zu Kampfmaßnahmen. Daher muss auf dem Vernetzungstreffen auch eine Struktur geschaffen werden, die dazu im Stande ist, alle beschlossenen Kampfmaßnahmen auch ohne Unterstützung des Gewerkschaftsapparates umzusetzen. Dazu wird es erforderlich sein, so bald wie möglich in jedem einzelnen Betrieb ein Streik- bzw. Aktionskomitee durch die Belegschaft wählen zu lassen, welches die Vorbereitungen im eigenen Betrieb vorantreibt, aber auch die Vernetzung mit allen anderen Betrieben aufrechterhält.

Schließlich müssen die solchermaßen vernetzten KollegInnen noch dafür eintreten, dass nicht alleine der Bundesausschuss über die Zukunft aller Beschäftigten in der Druckindustrie entscheiden darf. Das kann einzig und alleine eine BetriebsrätInnenkonferenz, die daher so schnell wie möglich einberufen werden muss, um demokratisch über die Forderungen, den Fahrplan und die wohl unumgänglichen Kampfmaßnahmen abzustimmen sowie ein Verhandlungskomitee zu wählen, das ab dann das einzige legitime Sprachrohr aller DruckerInnen gegenüber den Unternehmen ist.

Wer kämpft kann verlieren, wer nicht kämpft hat schon verloren!

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