Interview mit Günther Jurtitsch, ArbeiterInnenbetriebsrat im Druckzentrum der Oberösterreichischen Nachrichten in Pasching bei Linz zum Arbeitskampf im graphischen Gewerbe

Österreichs DruckerInnen stehen kurz vor einem Arbeitskampf, da die Arbeitgeber den KV gekündigt haben und nun eine Lohnkürzung von durchschnittlich 13% fordern! Das folgende Interview führten wir am 21.4.2009 mit Günther Jurtitsch, ArbeiterInnenbetriebsrat im Druckzentrum der Oberösterreichischen Nachrichten in Pasching bei Linz. Der Streikbeschluss, der am 20.4. vom Bundespräsidium der GPA-DJP verabschiedet wurde, war zum Zeitpunkt des Interviews der Öffentlichkeit noch nicht bekannt.

Kannst Du uns als Einstieg ein paar Infos zu Deinem Werdegang im OÖN-Druckzentrum geben?

Ich bin seit 25 Jahren als Drucker im OÖN Druckzentrum beschäftigt. Seit 1999 habe ich ein Mandat als Arbeiterbetriebsrat und seit 2008 bin ich der Vorsitzende des Arbeiterbetriebsrates, allerdings ohne Freistellung.

Wie viele KollegInnen vertrittst Du und wie sieht die fraktionelle Mandatsverteilung aus?

Zusammen mit dem Medienhaus Wimmer in Linz, wo die Redaktion der OÖN beheimatet ist, haben wir insgesamt ca. 600 MitarbeiterInnen, wobei der überwiegende Teil im Angestellten-Verhältnis, also im Journalismus beschäftigt ist. Die Zeitung selbst wird bei uns hier in Pasching produziert. In Pasching haben wir ca. 90 KollegInnen, 75 von ihnen sind Arbeiter und fallen so in meine Zuständigkeit. Im Arbeiterbetriebsrat haben wir 4 Mandate, alle FSG.

Nun zum KV-Konflikt. Kannst Du uns einen kurzen Überblick über die Ereignisse der letzten Monate geben?

Am 22. Dezember 2008 haben uns die Arbeitgeber, die im Verband Druck und Medientechnik organisiert sind, den Kollektivvertrag mit Wirkung ab 30. Juni 2009 aufgekündigt. Die Kündigung des Kollektivvertrages erfolgte um einige Monate vor dem normalen Auslaufen, denn unser KV für die rund 13000 Beschäftigten im graphischen Gewerbe wird stets für 3,5 Jahre abgeschlossen, der letzte wurde im Oktober 2005 vereinbart. Schon 2005 kam die Gewerkschaft den Arbeitgebern entgegen, indem sie im Zeitungsbereich einer Verlängerung der Regelarbeitswoche von 36h auf 37h zustimmte. Seit der Kündigung fanden nun schon 5 erfolglose Verhandlungsrunden für einen neunen KV statt. Aufgrund der überzogenen Forderungen der Arbeitgeber sah sich die Gewerkschaft auch schon gezwungen, Betriebsversammlungen mit störendem Charakter im Februar und im April abzuhalten.

Was fordern die ArbeitgeberInnen?

Eine durchschnittliche Personalkostensenkung um 10%. Sie argumentieren das mit den im internationalen Vergleich zu hohen Standortkosten, die sie unter Druck brächten. Vor allem die Konkurrenz aus Deutschland sei so groß, dass eine Kostensenkung unbedingt notwendig sei.

Wie sieht das die Gewerkschaft?

Natürlich herrscht in unserem Bereich ein erbitterter Konkurrenzkampf. Die Druckereien luchsen sich mit Dumpingpreisen Aufträge ab und produzieren so immer wieder mit Verlusten. Das führte in den letzten Jahren und Monaten zum Konkurs einiger renommierter, traditionsreicher Druckereien in Österreich. Logisch, dass nun die Arbeitgeber auf Biegen und Brechen versuchen, die Produktionskosten zu senken. Doch die Personalkosten machen im Schnitt nur ca. 20-30% der Gesamtkosten aus und somit hätte eine Personalkostensenkung um 10% nur den Effekt von einer Senkung der Gesamtkosten von 2-3%. Doch nicht nur deswegen lehnen wir die Forderung der Arbeitgeber ab. Es kann nicht sein, dass durch die Dumpingspirale das gesamte Druckergewerbe zerstört wird. Deshalb fordert die Gewerkschaft auch eine Kommission zur Preiskontrolle der Druckereierzeugnisse. Diese Kommission, der neben den Arbeitgebern auch die Gewerkschaft angehören würde, würde Minimalpreise festlegen, die nicht unterschritten werden dürften.

Wie kann man sich die Reduktion der Personalkosten vorstellen? Würden einfach alle Beschäftigten um 10% weniger verdienen?

Nein. Denn erstens verlangen die Arbeitgeber neben der Reduktion eine Nulllohnrunde für das heurige Jahr, was den realen Einkommensverlust nach diesem Jahr – unter Berücksichtung der Inflation vom letzten Jahr – auf ca. 13% erhöhen würde. Außerdem haben die Unternehmer ein umfassendes Paket vorgelegt, das auch die Streichung oder Kürzung von vielen Zulagen und eine Erhöhung der Arbeitszeit-Durchrechnungszeiträume vorsieht. Die Kürzung der Zulagen, wie z.B. die Reduktion der Nachtdienstzulage um 50% oder die Verschiebung des Beginns der Nachtarbeitszeit von 18:00h auf 22h, würde vor allem die Drucker hart treffen. Diese sähen sich mit Lohnkürzungen bis zu 27% konfrontiert. Das kann eine Gewerkschaft unmöglich hinnehmen.

Versuchen die Arbeitgeber auch die Weltwirtschaftskrise als Argumentationsgrundlage heranzuziehen?

Natürlich. Doch das ist in unserem Bereich eine falsche Argumentation. Die Aufträge werden immer mehr, anstatt weniger. Die Krise ist in unserem Bereich nicht spürbar. Es gibt bis jetzt auch nirgendwo Entlassungen oder Kurzarbeit.

Das heißt, dass die Stimmung unter den Belegschaften im Druckergewerbe eher kämpferischer ist, als in anderen Bereichen, wo viele ArbeitnehmerInnen sich um den Arbeitsplatz selbst ängstigen müssen?

Ja, genau. Ein Drucker sieht die Arbeit parallel zum Arbeitsdruck immer mehr werden und kann deswegen nicht einsehen, warum er nun so zurückstecken soll.

Wie sieht nun die Antwort der Gewerkschaft auf diesen Angriff aus?

Unser Verhandlungsteam schlug einen Kompromiss vor. Wir würden eine Personalkostensenkung von 5% - allerdings nur für ausgewählte Bereiche - akzeptieren, wenn wir im Gegenzug wieder die 36h-Woche im Zeitungsbereich bekommen würden. Außerdem hatten wir noch weitere Forderungen, wie die Verbesserung der Erfahrungszulage, die Schaffung des Druckassistenten mit eigener Lohngruppe u.a.

Doch der ArbeitgeberInnenverband lehnte ab?

ünther Jurtitsch: Genau. Deshalb haben wir schon Betriebsversammlungen mit störendem Charakter im Februar und Anfang April abgehalten, wo wir die KollegInnen über die unzumutbaren Forderungen der Arbeitgeber informierten.

Wie muss man sich den störenden Charakter vorstellen?

Die Betriebsversammlungen erfolgten vor Andruck der Tageszeitungen und verzögerten so deren Produktion. Das kann schon einige Probleme für die rechtzeitige Auslieferung der Tageszeitungen verursachen, da die ja von einer termingerechten Produktion abhängt. Viele bekamen ihre Tageszeitung am nächsten Tag verspätet, einige gar nicht mehr.

Also verfügen die DruckerInnen in den Tageszeitungsbetrieben über ein starkes Druckmittel?

Absolut. Man braucht ja nur die Drucker streiken zu lassen. Wenn diese streiken, hat zwangsläufig der Expedit auch keine Arbeit mehr, ohne dass er sich offiziell im Streik befindet. Deswegen sind die KollegInnen in jenen Druckereien, die sich auf den Bogendruck spezialisiert haben, die also Prospekte, Werbematerialien, Wochenmagazine u.a. produzieren, in einer schlechteren Position, da es da meist auf einen Tag mehr oder weniger nicht ankommt. Außerdem ist die wirtschaftliche Lage in diesem Bereich tatsächlich angespannter als im Zeitungsbereich. Darum haben ja auch die BetriebsratskollegInnen in jenen Bereichen einer Lohnkostensenkung von 5% zugestimmt, die wir selbst, d.h. die Betriebsräte der Zeitungsdruckereien, abgelehnt haben.

Also gibt es eine Differenzierung zwischen den einzelnen Bereichen?

Ja. Denn den Mittelpunkt unserer Gewerkschaft bilden die Betriebsräte. Die Betriebsräte entscheiden einerseits auf betrieblicher Ebene über den zu gehenden Weg und andererseits legen sie auch auf österreichischer Ebene mittels Betriebsrätekonferenzen die Linie fest. Bei uns geht nichts ohne die Betriebsräte. Ich finde diese Demokratie vorbildhaft. Sie sollte auch in den anderen Gewerkschaften wieder mehr zur Anwendung kommen. In vielen Gewerkschaften wird der Kurs nahezu allein von oben bestimmt.

Wenn also die Betriebsrats-KollegInnen in den Druckereien, die sich auf den Bogendruck spezialisiert haben, einer Lohnkostensenkung von 5% zustimmen, dann haben das alle anderen zu akzeptieren. Wie gesagt, für unseren Bereich haben wir das abgelehnt.

Lasst Ihr Eure Beschlüsse von den Belegschaften abstimmen?

Natürlich. Genau zu diesem Zweck gibt es ja die Betriebsversammlungen.

Wie ist die generelle Meinung Eurer Belegschaft zu dem Konflikt?

Viele würden am liebsten jetzt schon streiken, da sie die Forderungen des Arbeitgeberverbandes als eine Zumutung empfinden. Doch natürlich geht das nicht so leicht, wie sich das viele vorstellen. So ein Streik gehört gut vorbereitet, er ist natürlich mit vielen Gefahren verbunden, KollegInnen können gekündigt werden usw. Da haben wir aber übrigens schon beschlossen, dass die gesamte Druck-Industrie dicht gemacht wird, falls durch eine punktuelle Kampfmaßnahme ein Kollege, eine Kollegin mit einer Kündigung konfrontiert sein sollte. Doch wir werden über den Streik jedenfalls mittels einer Urabstimmung abstimmen lassen.

Würdet Ihr also dann dafür streiken, dass sich die Lohnkürzungen nur auf 5% belaufen?

Nein. Denn die Arbeitgeber haben ja diesen Kompromissvorschlag abgelehnt. Wenn wir jetzt streiken, dann hat dieser Kompromissvorschlag auch für uns seine Gültigkeit verloren und wir werden womöglich gar keine Kürzungen mehr akzeptieren. Die Arbeitgeber werden durch ihre Unnachgiebigkeit wahrscheinlich diese Chance tatsächlich verspielen.

Wann entscheidet das Präsidium über den Streik? Wird es zum Streik kommen?

Noch diese Woche werden wir es erfahren. Ein Streik ist sehr wahrscheinlich, doch ich möchte die Möglichkeit einer Einigung in letzter Minute auch nicht völlig vom Tisch wischen. Ich hoffe sogar, dass es noch zu einer Einigung kommt.

Doch falls es zum Streik kommt: Wie sind da Deine Perspektiven?

Insgesamt täte er wohl allen KollegInnen gut. Denn so würden sie sehen: Von nichts kommt nichts. Wir haben nicht umsonst einen KV, der zu den 5 Besten von Österreich gehört. So etwas kommt nur zustande, wenn sich alle einsetzen. Ungefähr ein Drittel unserer KollegInnen besteht aus jüngeren MitarbeiterInnen, die noch niemals einen Streik gesehen haben. Diesen würde die Erfahrung gut tun. Die älteren KollegInnen könnten da viel weitergeben. Und die Streikbereitschaft ist, wie gesagt, gegeben, auch wenn wir insgesamt im Druckgewerbe nur einen Organisierungsgrad von ca. 40% haben. Natürlich wird es da und dort notwendig sein, einen Betrieb mittels Streikposten von außen zu bestreiken, da hoffen wir auf die Solidarität von KollegInnen aus anderen Bereichen, die uns dabei helfen wollen. Was mir allerdings ein wenig Sorgen macht, ist die Tatsache, dass wir einerseits diese Differenzierung zwischen dem Zeitungs- und dem Bogenbereich haben und dass andererseits auch eine gewisse Uneinigkeit zwischen den Bundesländern herrscht. So hatte schon im Streik gegen die Pensionsreform im Jahre 2003 Vorarlberg den Streikbrecher gespielt, die Zeitungen wurden damals mit Hubschraubern ausgeflogen. Doch dieser Gefahr stehen wir ja immer gegenüber. Wir sind selber mit den Passauer Druckern in Kontakt, damit diese nicht den Streik in Oberösterreich untergraben.

Stichwort Solidarität: Wie siehst Du die Kampagne „Eure Krise zahlen wir nicht!“, die alle angesichts der Wirtschaftskrise angegriffenen ArbeitnehmerInnen vereinen will zu einem gemeinsamen Kampf gegen die Offensive der UnternehmerInnen?

Das halte ich für eine sehr gute Idee, es ist dringend notwendig, dass die Gewerkschaft wieder in die Offensive kommt und ich wäre gerne auf die Demo am 28. März gekommen, wenn es mir terminlich möglich gewesen wäre. Die Gewerkschaft hätte diese Demo viel mehr aufgreifen müssen.

Vielen Dank für das Gespräch.
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