Harte Auseinandersetzungen um KV im grafischen Gewerbe

Der Kampf zur Verteidigung des Kollektivvertrags führt über die Auseinandersetzung zwischen den kampfbereiten Teilen der Basis und einer Gewerkschaftsführung, die noch immer an der Sozialpartnerschaft festhalten will.

Auch bei den DruckerInnen versuchen die Unternehmen schon länger, der Gewerkschaft im Windschatten der Wirtschaftskrise entscheidende Zugeständnisse abzuringen. So wurde der Kollektivvertrag im Dezember 2008 gekündigt. Manche KollegInnen wären im Zuge der Streichung vieler Zulagen mit einer Lohnreduktion bis zu 30% konfrontiert gewesen.

Teile der Druckbranche sind tatsächlich wirtschaftlich massiv unter Druck. In den letzten Jahren wurden in diesem Bereich im Vergleich zu dem relativ kleinen Markt massive Überkapazitäten aufgebaut. Viele Betriebe können da nicht mehr mithalten. Die Entwicklungen in diesem Sektor liefern ein klassisches Beispiel für die Anarchie der kapitalistischen Marktwirtschaft, wo die Großen die Kleinen fressen und Profite wichtiger sind als Menschen.

Angesichts der frechen Forderungen des UnternehmerInnenverbands musste die zuständige Gewerkschaft (GPA-djp) unter dem Druck von BetriebsrätInnen und Belegschaften zu Kampfmaßnahmen greifen. In den vergangenen Monaten organisierte die GPA-djp kämpferische Betriebsversammlungen, teilweise mit verzögernden Auswirkungen auf die Zeitungsproduktion. Die Verhandlungen erwiesen sich als extrem schwierig, obwohl die Gewerkschaftsführung mehrfach betonte, sie sei bereit, "viel Geld über den Tisch zu schieben". Anstatt auf die Kampffähigkeit der KollegInnen zu vertrauen, setzte sie alles auf einen Kompromiss am Verhandlungstisch. Denn der Gegenvorschlag des gewerkschaftlichen Verhandlungsteams war nicht etwa die volle Ablehnung der Forderungen der Unternehmen, sondern eine Lohnkürzung von "nur" 5%.

Angesichts des Unmuts an der Basis beschloss die GPA-djp aber eine weitere Mobilisierung. Es folgten Beschäftigtenkonferenzen in den Bundesländern, welche die Kampfbereitschaft – auch in öffentlichen Aktionen wie in Salzburg – unmissverständlich zum Ausdruck brachten. Alles deutete auf einen machtvollen Streik hin. Franz Bittner, der Vorsitzende der DruckerInnengewerkschaft, stimmte in der Nacht vor dem Streikbeginn einem Kompromiss zu, der vor allem für die BogendruckerInnen massive Einkommensverluste vorgesehen hätte. Der Nachtzuschlag sollte erst ab 19 Uhr statt wie bisher ab 18 Uhr bezahlt werden. Von der 38. bis zur 40. Stunde sollten keine Überstundenzuschläge mehr ausgezahlt werden. Mit dem Argument, durch dieses "Krisenpaket" zumindest den KV für alle Bereiche des grafischen Gewerbes gerettet zu haben, konnte Bittner diesen Kompromiss in der GPA-djp durchsetzen. Er warf seine ganze Autorität in die Waagschale und versuchte den Kampfeswillen der BetriebsrätInnen mit dem Hinweis auf angeblich streikunwillige Betriebe zu untergraben.

Für den UnternehmerInnenverband waren diese Zugeständnisse der Gewerkschaft aber zu wenig. Er forderte "Nachbesserungen" bei den Bogendruckereien, da hier die Konkurrenz zu groß sei und ließ zwischen den Zeilen gar durchblicken, dass sie im Bogendruck überhaupt keinen Kollektivvertrag mehr wollen. Der Bogendruck ist das schwächste Glied in der Kette, und hier wollen die UnternehmerInnen den KV aufbrechen. Und leider ist der Bogendruck tatsächlich die Achillesferse der Gewerkschaft. Ein Streik hier kann nicht sofort den wirtschaftlichen Druck aufbauen, wie DruckerInnen von Tageszeitungen, wo schon ein Tag genügt, um finanzielle Einbußen auszulösen, ganz abgesehen davon, dass das ganz Österreich sofort bemerkt.

Bei einer weiteren Betriebsrät­Innenkonferenz am 4. Juni sollte die weitere Vorgangsweise diskutiert werden. Wir verteilten dort ein Flugblatt, das im Vorfeld mit mehreren BetriebsrätInnen erarbeitet wurde, wo für einen gemeinsamen Kampf der KollegInnen aus der gesamten Branche für den Erhalt des KV argumentiert wurde. Franz Bittner stemmte sich erneut gegen alle Stimmen, die eine solche Linie unterstützten. Er bestritt, dass die Gewerkschaft einen ordentlichen Streik zustande bringen könnte. Diese Angstmache ließ die Mehrheit wieder nachgeben. So wurden die KollegInnen aus den Bogendruckereien im Regen stehen gelassen.

Trotzdem sind sie bereit, den Kampf für ihren KV weiterzuführen. Am 8. Juni kam es in allen gewerkschaftlich organisierten Bogendruckereien zu streikähnlichen Betriebsstehungen, wo die Belegschaften einmal mehr ihre Kampfbereitschaft unterstrichen. Gerade an diesem Tag löschte die GPA-djp die Meldung über den Kampf um den KV im grafischen Gewerbe von der Startseite ihrer Homepage!

Die Verhandlungen für den KV in diesem Bereich sind mittlerweile gescheitert. Der Verband der Unternehmeen setzt weiter auf Provokation und fordert zusätzlich zu den bereits genannten Verschlechterungen generell einen Durchrechnungszeitraum für Überstunden von 52 Wochen – und zwar zeitlich unbefristet. Franz Bittner will dem nur für den Zeitraum der Krise zustimmen. Für die BetriebsrätInnen war diese neuerliche "Verhöhnung der Drucker", wie es ein Kollege aus Kärnten formulierte, zu viel. Jetzt dürfte es eigentlich nur noch eine Antwort geben: Streik!

Franz Bittner will dies aber weiterhin verhindern und malt die Drohkulisse eines Zustands, wo es keinen KV mehr gibt. Er meint, die BetriebsrätInnen sollen jetzt mit dem bereits ausverhandelten Ergebnis zu ihren ChefInnen gehen und sie fragen, ob sie damit einverstanden wären. Er will damit den UnternehmerInnenverband umgehen und das "Krisenpaket" auf betrieblicher Ebene verabschieden.

Aus unserer Sicht ist eine solche Gewerkschaftsführung ein absolutes Hindernis für alle jene KollegInnen, die die Interessen der DruckerInnen zu verteidigen bereit sind. Bittner klammert sich noch immer an eine Sozialpartnerschaft, welche die Unternehmen in ihrer Mehrheit längst aufgekündigt haben. Er nimmt eine Niederlage in Kauf, ohne noch gekämpft zu haben. Franz Bittner argumentiert seit Jahren, wir müssten – koste es was es wolle – den KV aufrechterhalten. Der KV ist tatsächlich die wichtigste Legitimation für die Gewerkschaft Wenn sich die Gewerkschaftsführung jetzt mit dem Ende des KV abfindet – und das tut sie, indem sie den BetriebsrätInnen sagt, sie sollen das Vertragswerk jetzt in Betriebsvereinbarungen unterschreiben – bedeutet das eine nachhaltige Schwächung der Gewerkschaft mit fatalen Folgen. Das ständige Zaudern und Zurückweichen hat einen Spaltpilz in die Reihen der DruckerInnengewerkschaft getrieben. Solch eine Führung brauchen wir nicht, denn sie lähmt nur unsere Organisation und alle kampfbereiten KollegInnen und Belegschaften.

Die BogendruckerInnen verdienen jetzt die uneingeschränkte Solidarität der gesamten ArbeiterInnenbewegung. Durch ihren mutigen Arbeitskampf schwimmen sie gegen den Strom des gewerkschaftlichen Schweigens angesichts von Lohnkürzungen, Kurzarbeit und Massenentlassungen. Es ist der erste von der Basis geführte Arbeitskampf gegen die Auswirkungen der Krise in Österreich!

Doch ihr Kampf kann nur erfolgreich sein, wenn er sich ausweitet. Wenn die Gewerkschaftsführung ihrer Verantwortung nicht gerecht wird, müssen die BetriebsrätInnen und Gewerkschaftsmitglieder das Heft selbst in die Hand nehmen. Die kampfbereiten KollegInnen sollten jetzt eine BetriebsrätInnenkonferenz fordern, wo die weitere Vorgangsweise geplant und eine Streikleitung gewählt werden soll. Ein Streik kann nur dann sein Ziel erreichen, wenn er entschlossen und aktiv nach Außen geführt wird.

Durch den Aufbau von Solidaritätskomitees müssen wir daran gehen, die Einheit zwischen den Zeitungs-, Rollen- und BogendruckerInnen wieder herzustellen. Der Streik muss auf die gesamte Branche ausgedehnt werden: bisher unorganisierte Betriebe müssen im Zuge dieses Arbeitskampfes organisiert werden.

Der ÖGB und allen voran die GPA-djp können in dieser Situation nicht den Kopf in den Sand stecken. Zur Unterstützung der DruckerInnen bräuchte es jetzt einen österreichweiten Aktionstag gegen die Wirtschaftskrise – mit landesweiten Mobilisierungen, Demonstrationen und Streiks unter dem Motto: "Wir zahlen Eure Krise nicht!".

Alle KollegInnen, FunktionärInnen und AktivistInnen, die für eine demokratische und kämpferische Gewerkschaft stehen, sollten sich daher jetzt zusammenschließen und für folgende Forderungen eintreten:

  • Kämpfen wir für unseren KV! Mit Streiks und öffentlichen Pro-testaktionen!
  • Ausweitung des Arbeitskampfes auf die gesamte Druckbranche!
  • Urabstimmung über jedes weitere Verhandlungsergebnis!
  • Volle Solidarität mit den DruckerInnen!
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