Interview mit Klaus Gerzer, Betriebsratsvorsitzender der Lenzing Plastics GmbH

Am 30. März ist die zweite Verhandlungsrunde über einen neuen Kollektivvertrag für die rund 40.000 ArbeitnehmerInnen in der chemischen Industrie gescheitert. Dazu führten wir am 15. April, vor der dritten Verhandlungsrunde, ein Interview mit Klaus Gerzer, Betriebsratsvorsitzender der Lenzing Plastics GmbH.

Worin liegt der Konflikt bei den bisherigen Verhandlungsrunden über einen neuen Kollektivvertrag?

Die ArbeitgeberInnenseite hat diesmal von Anfang an eine harte Front aufgefahren. Anfangs hatte sie sich sogar geweigert, überhaupt Kollektivvertragsverhandlungen zu beginnen, sondern wollte sie lieber auf den Herbst verschoben sehen. Schlussendlich lag das letzte Angebot bei einer Lohnerhöhung von 1,3% plus einer Einmalzahlung von 300 Euro. Unser gewerkschaftliches Verhandlungsteam zeigte sich äußerst kompromissbereit und schlug vor, die Lohnerhöhung von 1,3% auf 5 Monate zu begrenzen, um dann im Herbst – nach einer neuen Beurteilung der wirtschaftlichen Lage – wieder neu zu verhandeln. Doch da legten die ArbeitgeberInnen noch ein Scherflein nach und wollten bei einer Laufzeit von 5 Monaten nur eine Erhöhung von 0,54% zugestehen. Da sah sich die Gewerkschaft außerstande, zuzustimmen und bereitete deswegen die morgen stattfindende BetriebsrätInnenkonferenz (16. April, Anm. der Red.) vor.

Stichwort wirtschaftliche Lage: Steht es um die chemische Industrie wirklich so schlecht, wie die ArbeitgeberInnen vorgeben?

Das kann ich mir so nicht wirklich vorstellen. Jedenfalls war das abgelaufene Jahr 2008, auf dessen Grundlage wir ja auch die Kollektivvertragsverhandlungen führen, in vielen Bereichen sicherlich ein Rekordjahr. So fuhr die Lenzing AG 2008 das zweitbeste Ergebnis ihrer Firmengeschichte ein, den AktionärInnen wurde eine Dividende von 14 Euro pro Aktie ausgeschüttet. Und auch jetzt haben wir zumindest in der Lenzing AG keine schlechte Auftragslage.

Die ArbeitgeberInnenseite scheint also die Wirtschaftskrise als Vorwand zu nehmen. Welchen Kurs wird jetzt nun deiner Meinung nach die Gewerkschaftsführung im aktuellen Konflikt einschlagen?

Da erwarte ich mir allerdings nicht allzu viel. Schon im Vorfeld der KV-Verhandlungen konnte man gewerkschaftsintern spüren, dass angesichts der Drohkulisse der Wirtschaftskrise einiges an Kampfgeist eingebüßt wurde. Alle traten viel moderater auf und meinten nur, dass sie irgendwie ein halbwegs gutes Ergebnis erzielen wollten. Ich befürchte, dass bei der morgigen BetriebsrätInnenkonferenz und auch bei der Protestkundgebung nächste Woche in Linz nicht viel mehr als ein Säbelrasseln herauskommt. Dies spiegelt allerdings auch die Stimmung unter den ArbeiterInnen selbst wider: In meinem Bereich wird von Seiten der Belegschaft den Kollektivvertragsverhandlungen keine große Bedeutung beigemessen, da sich alle vielmehr um den Arbeitsplatz selbst sorgen.

Du siehst also die Stimmung unter den Belegschaften für einen offensiven Kampf für eine angemessene Lohnerhöhung bis hin zu einem Streik nicht gegeben?

Keineswegs. Die große Mehrheit der KollegInnen zeigt momentan noch eine sehr große Solidarität zu ihren Betrieben und schenkt dem Argument Glauben, dass man halt nun eben zusammen mit den ArbeitgeberInnen für eine kurze Zeit den Gürtel enger schnallen müsse, um die Arbeitsplätze und den Betrieb insgesamt zu erhalten.

Damit kommen wir auch zur Kurzarbeit. Wie ist da Deine Perspektive? Ist sie wirklich eine Lösung? Wird sie auch in der Lenzing AG schon angewandt?

Nein, in der Lenzing AG kommt sie noch nicht zum Einsatz. Natürlich hält die Kurzarbeit einige bestechende Argumente bereit. Wenn es mit ihr gelingen würde, Kündigungen auf Dauer zu verhindern, dann wäre sie schon berechtigt. Doch ich befürchte, dass dann eben nach Auslaufen der Kurzarbeit die Kündigungen drohen. Vielleicht stehen wir schon im Herbst einer Welle von Massenkündigungen gegenüber, auch ein Emporschnellen der Arbeitslosenrate auf 10% im Herbst halte ich leider für realistisch. Die Krise wird sicherlich noch länger dauern. Hinzu kommt, dass für einige ArbeitgeberInnen die nach der Kurzarbeit wirksam werdenden Behaltefristen anscheinend nicht tragbar sind. Ich vermute, dass unter anderem auch deswegen die Kurzarbeit in der Lenzing AG noch nicht eingeführt wurde. Das verheißt freilich für die Zukunft nichts Gutes.

Wie könnte Deiner Meinung nach die Gewerkschaft wieder aus dem Eck kommen, in das sie offensichtlich jetzt gedrängt wurde? Wie könnte sie wieder in die Offensive kommen?

Für einen wichtigen Punkt halte ich, dass wir wieder einen starken politischen Rückhalt brauchen. In der jetzigen Situation benötigen wir wieder eine SPÖ, die dem gesamten Druck von Seiten der Unternehmen und ihrem Geheul von der Krise widersteht und ihre eigenen Argumente vorbringt. Wir brauchen eine politische Kraft, die sich dagegen wehrt, dass ArbeitnehmerInnen die Krise ausbaden sollen.

Begrüßt Du in diesem Sinne, den u.a. von Voves gemachten Vorstoß, dass zur Überwindung der Krise das Vermögen in unserem Land mehr besteuert wird?

Absolut. Das ist genau die Richtung, in die es gehen muss!

Vielen Dank für das Gespräch!
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