Rechtsberatung oder Kampfinstrument?

Anfang September wurde bekannt, dass der Autozulieferer Angell-Demmel (Marktführer im Bereich Echtmetalloberflächen) Insolvenz angemeldet hat. Als Hauptursache wurde angegeben, dass Aufträgen nicht mehr nachgekommen werden könne, weil zu viel Ausschussware produziert wird. Dafür seien vor allem die vielen schlecht ausgebildeten LeiharbeiterInnen verantwortlich. Im Werk in Kennelbach (Bezirk Bregenz) waren zu diesem Zeitpunkt 150 der 200 Beschäftigten LeiharbeiterInnen. Aufgrund der sich rasch verbessernden Auftragslage nach der Krise auf dem Automarkt wurden diese eingestellt, ohne sie jedoch entsprechend anzulernen.

Zwar stellte sich der Betriebsrat des Werks im deutschen Lindau, wo 500 Menschen beschäftigt sind, gegen die Aussagen der Geschäftsleitung, wonach die ArbeiterInnen an der Pleite schuld seien. Widerstand gegen den drohenden Stellenabbau leistete er aber keinen.

Als SJ Vorarlberg haben wir uns sofort mit der Belegschaft solidarisiert. Bei mehreren Flugblattverteilaktionen vor dem Werk versuchten wir die Wahrheit über die Zustände im Betrieb zu erfahren. Betriebsrat gibt es im Werk keinen. Die KollegInnen vor Ort waren völlig verunsichert; es war schon nach einer Woche die Rede davon, dass ein Drittel der LeiharbeiterInnen nach Hause geschickt wurde. Viele waren aber auch der Meinung, alle im Betrieb müssten jetzt "zusammenhalten und durchbeißen" und haben so die Grundaussage der Geschäftsleitung übernommen.

Zahnlose Gewerkschaft

Nachdem wir gleich nach dem Bekanntwerden der Insolvenz die zuständige Gewerkschaft (PRO.GE) informiert haben, war von dieser Seite nicht viel zu hören. Der zuständige Sekretär fragte mich nur beiläufig, was er jetzt dort machen solle. Werbeaktion wohl keine! Nachdem wir ihn auch noch informiert haben, dass eine Betriebsversammlung stattfinden wird (Zitat: "Wie hast du das herausgefunden?"), zeigte er sich dann doch bereit, dort zu erscheinen. Es ist ihm auch gelungen das Wort zu ergreifen, allerdings getarnt als "Kammerrat". Was er dort allerdings gesagt hat, ist weniger erfreulich.

Statt zur Gründung eines Betriebsrates aufzurufen, der mit der Belegschaft für den Erhalt aller Arbeitsplätze kämpft und die Offenlegung der Geschäftsbücher fordert, hat er die Beschäftigten lediglich darauf hingewiesen, dass sie die Möglichkeit in Anspruch nehmen sollen, sich in der Insolvenz von der Arbeiterkammer vertreten zu lassen. Zu den von der "Freistellung" bedrohten LeiharbeiterInnen sagte er nur: Diese seien nicht Teil der Belegschaft und deshalb auch nicht vom Konkurs betroffen. Doch kann das alles sein, was die Gewerschaft zum Schicksal von 700 (!) Beschäftigten zu sagen hat?

Unser Standpunkt ist ein ganz anderer: Die gesamte Belegschaft, ob LeiharbeiterInnen oder solche mit fester Anstellung, müssen gemeinsam gegen allfällige Maßnahmen der Unternehmensleitung kämpfen. Der Gewerkschaft haben wir vorgeschlagen, sie solle ein Treffen für die Betroffenen ansetzen, um sich deren Meinung anzuhören. Nur die ArbeiterInnen selbst sind wirlich in der Lage, Lösungen zu erarbeiten und auch umzusetzen.

Der Sekretär sagte zögernd zu, meinte aber, er müsse dies zuerst im Vorstand besprechen. Wenige Tage darauf kam dann die Antwort: "Wir können kein Treffen machen; die wollen dann sicher gleich einen Betriebsrat gründen; das würde aber einen allfälligen Geldgeber abschrecken. Dafür können wir nicht die politische Verantwortung tragen."

Welche Gewerkschaft brauchen wir?

Was sollen wir machen, wenn die Arbeitszeit ausgeweitet, die Arbeitsintensität durch Personalabbau erhöht wird? Wenn dadurch die Arbeitslosigkeit konstant hoch gehalten wird, der Druck am Arbeitsplatz so immer weiter steigt? Die Antwort kann nur sein, dass die Gewerkschaft die Lohnabhängigen, wo auch immer sie von den Unternehmen unter Druck gesetzt werden, den Angriffen der Bürgerlichen ausgesetzt sind, zum entschiedenen Kampf aufruft und ihnen die Mittel zur Verteidigung ihrer Rechte und zum Kampf für bessere Arbeitsbedingungen in die Hand gibt.

Im Rahmen der jetzigen Logik der Gewerkschaft wird das nicht zu machen sein. Wir können dem nur ein Ende setzen, wenn die Gewerkschaften zu einem Kampfinstrument der Lohnabhängigen werden. Dazu müssen diese aber auch begreifen, dass sie ihre Gewerkschaften verändern müssen. Wir werden uns auf jeden Fall weiterhin für eine kämpferische Gewerkschaft stark machen und versuchen, die Belegschaft von Angell-Demmel zu organisieren.

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