700 ArbeiterInnen in Ungewissheit: Das Spiel mit Menschenleben

Demmel ist Marktführer bei Echtmetalloberflächen für Autos. Obwohl die Marktlage hervorragend ist und die Auftragsbücher voll sind, hat der Autozulieferer (für VW, Daimler, ...) letzte Woche Konkurs angemeldet.

Nach der Absatzkrise auf dem Automobilmarkt sind die Geschäfte schnell wieder angelaufen. In dieser Phase sah die Geschäftsführung ihr Heil darin, schnell die Kapazitäten auszuweiten, um so einen größeren Marktanteil zu ergattern. Nun basierte die Erweiterung aber personell vor allem auf ungelernten LeiharbeiterInnen, was laut Betriebsleitung zu einem hohen Anteil an Ausschussware und einer Minderung der Qualität führte. In der Folge "musste" der Konkurs angemeldet werden. Angell Demmel beschäftigt derzeit rund 200 MitarbeiterInnen in Kennelbach und 500 in Lindau (Deutschland). Zuletzt setzte das Unternehmen 180 Millionen Euro um.

Warum geht ein Marktführer pleite?

Laut Geschäftsleitung sind vor allem die schlecht qualifizierten LeiharbeiterInnen schuld an der Misere. Sie seien es, die für den großen Anteil an Ausschussware verantwortlich sind und damit für die Pleite. Doch stimmt das wirklich? Es kann nicht sein, dass jahrelang Millionengewinne geschrieben werden und das nur auf Kosten der Belegschaft. Sowohl die LeiharbeiterInnen, als auch die Stammbelegschaft sollen jetzt für die Profitlogik büßen, die zu dieser Kurzsicht geführt hat.

"Unsere Mitarbeiter sind mit ihren Qualifikationen wichtige Ressource für neue, kreative und innovative Produkte und Prozesse", heißt es auf der Homepage von Angell-Demmel. Zwei Dinge offenbart diese Aussage: 1. Die MitarbeiterInnen sind vor allem "Ressourcen", was für jedes Unternehmen zutrifft, wird hier also offenkundig. Die ArbeiterInnen sind ein Kostenfaktor, der sich je nach dem rentiert oder eben nicht. 2. Auf der Unternehmenshomepage wird die Qualifikation der MitarbeiterInnen in den Vordergrund gestellt, obwohl es sichtlich völlig egal war, wie qualifiziert die ArbeiterInnen sind, solange sie nur kostengünstig zu haben sind. Gegen diese Logik müssen die Gewerkschaften und die Belegschaft mit aller Kraft ankämpfen. Die ArbeiterInnen sind es, die den Karren wieder aus dem Dreck ziehen können, doch sie brauchen eigene Konzepte, einen Betriebsrat und eine Gewerkschaft, die für diesen Kampf taugen!

Unterstützung der Gewerkschaft?

Während die KollegInnen in Deutschland immerhin einen Betriebsrat haben, ist der Kennelbacher Standort frei von gewerkschaftlicher Organisation. Die einzigen relevanten Aussagen in den bisher erschienenen Zeitungsartikeln stammen vom Betriebsrat des deutschen Standorts. In Vorarlberg scheint sich niemand dafür zu interessieren, dass gerade 200 KollegInnen von Arbeitslosigkeit bedroht sind.

Doch was macht der Betriebsrat? Seit Monaten hat der nach eigenen Angaben auf bestehende Probleme hingewiesen, passiert sei aber gar nichts. Hier zeigt sich ein großes Problem, nämlich das Verständnis der Aufgabe eines Betriebsrates. Während das Unternehmen auf den Konkurs zuschlittert, beschränkt sich der Betriebsrat darauf gute Ratschläge zu geben. Genau, wie er sich jetzt nur mit der Abwicklung des Konkurses und dem Erhalt möglichst vieler "Stammarbeitsplätze" beschäftigt. Wieso aber sollte sich die Unternehmensführung mit einer so handzahmen Gewerkschaft überhaupt unterhalten. Solange die Belegschaft keinen wirklichen Druck ausübt, kann sie auch nichts erreichen. Wenn die Belegschaft in Kennelbach ihre Arbeitsplätze nicht verlieren will, darf sie nicht auf den guten Willen der Unternehmensleitung hoffen. Die zuständige Gewerkschaft PROGE und der deutsche Betriebsrat müssen eine Initiative zur Organisierung der Kennelbacher Belegschaft starten, damit der Kampf um ALLE Arbeitsplätze grenzüberschreitend geführt werden kann!

Es geht um unsere Zukunft

Diese Pleite ist in einem breiterem Kontext zu verstehen. Das Kapital will die ArbeiterInnen zu immer schlechteren Bedingungen immer mehr Arbeit verrichten lassen, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Die neue Realität, die im Zuge der Krise auf uns zukommt, hat sich in diesem Fall einmal mehr materialisiert. Es werden generell immer mehr schlecht bezahlte Arbeitsverträge abgeschlossen. Anstatt mehr Arbeitskräfte einzustellen, werden Arbeitsabläufe "effizienter" gestaltet. Aber nicht indem etwa in Maschinen und Qualifikation investiert wird, sondern eben durch mehr Zeitdruck in den Betrieben, mehr Überstunden (die schlechter bezahlt werden sollen, wenn es nach den UnternehmerInnen geht!). Hier bildet Vorarlberg das perfekte Testgebiet für die Pläne des Kapitals. Bei niedrigem gewerkschaftlichem Organisationsgrad und seit jeher schlechteren Arbeitsbedingungen lassen sich eben leichter frühkapitalistische Bedingungen wieder herstellen. Im vergangenen Jahr reagierten mehrere Belegschaften in ganz Europa auf drohende Werksschließungen damit, dass sie den Betrieb besetzten um ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen! Wir ArbeiterInnen sind es, die produzieren, die schaffen, nicht die UnternehmerInne!

Neue Zeiten – neue Methoden

In einigen Betrieben, in den Unis, den Schulen und Gewerkschaften hat sich vor allem letztes Jahr gezeigt, dass angesichts katastrophaler Missstände und provokanter Kapitalangriffe, große Kampfbereitschaft herrscht. Die Demos der DruckerInnen, des Kindergartenaufstands, die StudentInnen, die Protestaktionen der MetallerInnen – wer will da noch behaupten, dass "die ÖsterreicherInnen " sich alles gefallen lassen und ohnehin nicht kämpfen wollen? Wir brauchen eine Abkehr von der Krisenmitverwaltung durch Kurzarbeit, Sozialpläne, Lohnzurückhaltung usw. hin zu einer konsequenten Vertretung der Interessen der Beschäftigten. Alle einzelnen Angriffe auf Belegschaften, Kollektivverträge und ganze Gesellschaftsgruppen, müssen in einem gemeinsamen Kampf aller Lohnabhängigen und der Jugend abgewehrt werden.

In diesem Sinne fordern wir:

  • Aufnahme der LeiharbeiterInnen in die Stammbelegschaft und massive Investition in deren Ausbildung.
  • Der Betriebsrat muss sich für die GESAMTE Belegschaft einsetzten und Betriebsversammlungen in allen Werken abhalten. Sollte dies von der Unternehmensleitung verhindert werden, müssen Kampfmaßnahmen in Angriff genommen werden. Der Kampf muss grenzüberschreitend geführt werden. Hoch die internationale Solidarität!
  • Die Gründung eines Aktions- und Solidaritätskomitees zur Rettung der Angell-Demmel Europe!
  • Offenlegung aller Geschäftsbücher, sodass sich die Beschäftigten selbst ein Bild von der wirtschaftlicher Lage des Unternehmens machen können!
  • Keine Schließung, sondern sofortige Verstaatlichung unter der Kontrolle der Beschäftigten!
  • Wahl einer Unternehmensführung durch die Beschäftigten selbst, die diesen jederzeit rechenschaftspflichtig und jederzeit abwählbar ist!
  • Die Profite dürfen nicht in den Taschen weniger verschwinden, sondern müssen der Gesellschaft zu Gute kommen!
  • Für einen gemeinsamen Streiktag aller von Einsparungen und Angriffen Betroffenen.
  • Wir bleiben bis die "Sanierungspläne" zurückgenommen werden! Wir bleiben – für unsere Zukunft!

 

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