Shell Lobau vor dem Aus: Interview mit Ludwig Sommer, Arbeiterbetriebsratsvorsitzender von Shell Lobau

Wie schaut die Lage bei Euch derzeit aus?

Zunächst ist es uns ein Anliegen, euch für das anhaltende Interesse an unserem Schicksal zu danken. Zu wissen, dass wir gerade in einer solchen Situation nicht alleine sind, ist uns eine große Hilfe und eine starke moralische Unterstützung. Das Schmiermittelwerk Lobau wird seinen Produktionsbetrieb mit 30.11.2010 endgültig einstellen. Danach werden nur mehr einzelne Mitarbeiter für die technische Außerbetriebnahme des Werkes weiterbeschäftigt. Der restliche Standort wird momentan überprüft, wobei es noch zu früh ist, um zu sagen, ob er in dieser Form weiterbesteht oder nicht.

Zwischenzeitlich mussten die Mitarbeiter der Produktion nochmals in den Schichtbetrieb. Begründet wurde dies mit der nicht vorhandenen Lieferfähigkeit jener Werke, die unsere Mengen übernehmen sollten.

Wie ist angesichts der bevorstehenden Schließung die Stimmung?

Die Stimmung unter den Kollegen ist angespannt. Natürlich versuchen wir, allen Kollegen Antworten auf die vielen Fragen zu geben, die sich in einem solchen Fall stellen. Dies reicht von Beratungsgesprächen zu einer sinnvollen Fortbildung über die Arbeitsstiftung bis hin zu arbeitsrechtlichen Fragen. Oft wollen die Kollegen auch nur einen Ansprechpartner, der sich Zeit nimmt, ihnen zuzuhören.

Auch als Betriebsräte müssen wir erkennen, dass wir oft an unsere eigenen Grenzen stoßen und die Belastung enorm ist. Zugleich sind wir sehr stolz darauf, eine Belegschaft zu vertreten, die in einer Situation von großem Druck, immensen Sorgen um die Zukunft, die eigene und die ihrer Familien, geeint hinter uns gestanden ist. Selbst jene, welche durch einen alten bestehenden Sozialplan relativ gut abgesichert waren, vertraten alle Maßnahmen mit uns gemeinsam, ohne auch nur darüber nachzudenken, ob dies negative Auswirkungen auf sie selbst haben könnte.

Welche Lehren ziehst du aus eurem Arbeitskampf?

Zunächst einmal die Ernüchterung darüber, dass der Mensch der Wirtschaft dient und nicht umgekehrt. Dass Schicksale von Menschen keine Rolle spielen, wenn es um mehr Profit geht. Die Verständnislosigkeit darüber, dass ein betriebswirtschaftlich kerngesundes Unternehmen, welches Gewinne erzielt, im europäischen Verbund zu den drei Besten gehört, über hoch motivierte Mitarbeiter verfügt und alle jährlich steigenden Anforderungen zur Gänze erfüllte, ohne wirtschaftliche Notwendigkeit, von einem internationalen 'Manager', der wahrscheinlich nicht einmal den Eingang finden würde, mit einem Federstrich ausradiert wird. Dass soziale Verantwortung, die in allen Jubelbroschüren groß geschrieben wird, dort aufhört, wo sie der Profitmaximierung im Wege steht.

Danke für das Interview.

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