Shell Lobau – Was wurde aus dem Arbeitskampf für den Erhalt der Arbeitsplätze?

Am 25. November 2009 hat Shell Austria die Schließung des Schmiermittel-Produktionsstandortes im Ölhafen Lobau (Wien-Donaustadt) bekanntgegeben. 80-90 Menschen sollen Ende 2010 ihren Job und damit ihre Existenzgrundlage verlieren. Die Belegschaft wollte diese menschenverachtende Entscheidung, die aus reiner Profitgier getroffen wurde, nicht widerstandslos hinnehmen.

Auf einer Betriebsversammlung wurden Kampfmaßnahmen beschlossen. Auf der Homepage der Produktionsgewerkschaft PRO-GE können wir lesen, wie sich die Gewerkschaftsführung in Person des stv. Bundesgeschäftsführers der GPA-djp Karl Proyer und des PRO-GE Bundessekretärs Manfred Anderle am 2. Dezember hinter die Betroffenen stellt: "Betriebsrat und Beschäftigte können sich weiterhin auf die volle Unterstützung der Gewerkschaften PRO-GE und GPA-djp verlassen, die bereits vorsorglich alle Beschlüsse für die Unterstützung von Kampfmaßnahmen getroffen haben".

Mit einer Protestkundgebung vor den Werkstoren wurde ein erstes Zeichen gesetzt. Doch schon dort zeigte sich, dass die Gewerkschaftsführung eine Eskalation des Konflikts unbedingt vermeiden wollte. Sie folgte dem Argument der Polizei, dass das Blockieren der Tanklaster gegen das "öffentliche Interesse" sei und warnte davor, dass der Betriebsratsvorsitzende dann mit Schadenersatzklagen eingedeckt würde. Selbst als KollegInnen von außerhalb des Werks, die sich solidarisiert haben, Lastwagen blockiert haben und dabei auf sehr viel Verständnis der Fahrer gestoßen sind, hat Kollege Anderle versucht, diese Aktion kurzerhand abzudrehen.

Streikbeschluss

Die fehlende Bereitschaft der Geschäftleitung Verhandlungen über die Zukunft des Werks oder zumindest über einen anständigen Sozialplan zu führen, ließ die Situation aber doch weiter eskalieren. Nachdem ein weiterer Gesprächstermin keine Ergebnisse brachte, organisierte der Betriebsrat am 12.12. eine Versammlung der ArbeiterInnen, auf der ein Streikbeschluss gefasst und eine Streikleitung gewählt wurden. Die Belegschaft zeigte sich bei dieser Versammlung entschlossen und kampfbereit. Der Streik hätte in der Nacht vom Sonntag danach auf Montag beginnen sollen.

Die anwesenden Gewerkschaftssekretäre machten schon dort klar, dass das erklärte Ziel – der Erhalt des Werks und der Arbeitsplätze – nicht realistisch seien, dass es aber allein schon zur Erreichung eines Sozialplans Kampfmaßnahmen brauche. Aus der Sicht der ArbeiterInnen war klar: Wenn wir die Arbeitsplätze schon nicht retten können, dann wollen wir uns wenigstens so teuer wie nur möglich verkaufen. Mit einem ernsthaft geführten Streik wäre dies auch möglich gewesen.

Solidarität

AktivistInnen der Kampagne "Wir sind ÖGB" konnten bei dieser Versammlung anwesend sein. Beeindruckt von der Kampfbereitschaft der Belegschaft entschlossen wir uns, die Gründung eines Solidaritätskomitees vorzubereiten, um bei Streikbeginn sofort aktiv werden zu können. Wir machten ein Plakat und entwickelten einen Plan, wie das Komitee den Streik aktiv unterstützen könnte. Unser vorrangiges Ziel war es, für den Arbeitskampf eine Öffentlichkeit zu schaffen – mit Betriebsdelegationen, einer Informationskampagne, Kundgebungen und Demos. Etliche BetriebsrätInnen, die SJ Wien unddie SPÖ-Linke erklärten sich bereit, dieses Solidaritätskomitee zu unterstützen und sich aktiv daran zu beteiligen.

Abgedreht

In der Zeit zwischen der Versammlung, auf der der Streik demokratisch diskutiert und beschlossen wurde, und dem geplanten Streikbeginn wurden jedoch Kräfte aktiv, die diesen Streik mit allen Mitteln abwenden wollten. Es ist offensichtlich, dass sich die Gewerkschaftsführung darum bemühte, die Geschäftsleitung davon zu überzeugen, doch noch einmal an den Verhandlungstisch zu kommen. Nach altbekannter ÖGB-Tradition, wonach während Verhandlungen nicht gestreikt werden dürfe, wurde den BetriebsrätInnen zu verstehen gegeben, dass sie die Kampfmaßnahmen abblasen sollten.

Für die ArbeiterInnen, die Sonntag Abend noch fest davon überzeugt waren, dass sie am nächsten Tag streiken würden, kam diese Wendung völlig überraschend. Statt dem angekündigten SMS, mit dem sie über den Beginn der Kampfmaßnahmen informiert werden sollten, gab es nur eine Kurznachricht, dass es am darauffolgenden Tag eine neuerliche Betriebsversammlung um 7 Uhr und Verhandlungen ab 8 Uhr geben werde. Wir wissen von einigen KollegInnen, dass sie über diese Entwicklung alles andere als begeistert waren und sind. Einmal mehr hat die Gewerkschaft über die Köpfe der betroffenen KollegInnen im Betrieb hinweg vollendete Tatsachen geschaffen. Das Fehlen einer gelebten Gewerkschaftsdemokratie in Form von Urabstimmungen wirkt sich in solchen Situationen fatal aus. Die ArbeiterInnen werden wie Schachfiguren aufs Feld geführt und wieder runter genommen, wenn es der Gewerkschaftsführung nicht mehr ins Konzept passt. Den BetriebsrätInnen, die eigentlich den Kampf um den Erhalt der Arbeitsplätze führen wollten, blieb mangels politischer Alternative kaum eine andere Wahl als dem Druck der eigenen Gewerkschaftsführung nachzugeben.

Was derzeit konkret verhandelt wird, weiß niemand – weder wir noch die direkt Betroffenen. Es wird wahrscheinlich einen Sozialplan geben, mit dem sich Shell eine Grabesruhe erkauft, um die letzten Monate noch ordentlich Profite mit dem Werk in der Lobau machen zu können. Und nächstes Jahr geht es dann auf zu noch profitableren Ufern, ins neu gegründete Werk in Russland. Die zusätzlichen Kosten werden im Gesamtbudget des Konzerns nicht sonderlich ins Gewicht fallen. Und die Gewerkschaftsführung kann wieder gut schlafen, weil sie es einmal mehr geschafft hat, eine kampfbereite Belegschaft, die nicht bereit gewesen wäre, sich alles zu gefallen, ruhig zu stellen.

Die Linke aufbauen

Der Arbeitskampf bei Shell in der Lobau zeigt einmal mehr die Notwendigkeit, dass sich in den Gewerkschaften eine starke Linke organisiert, die mit der SozialpartnerInnenschaftslogik der Führung bricht und die Gewerkschaften wieder zu demokratischen Kampfinstrumenten macht. Ob solche Arbeitskämpfe in Zukunft erfolgreich geführt werden können, wird davon abhängen, ob es der Linken gelingt, in den Betrieben und in den Gewerkschaften eine politische Alternative mehrheitsfähig zu machen. Wir wissen, dass es auch bei Shell etliche ArbeiterInnen, BetriebsrätInnen und GewerkschafterInnen gibt, die sich einen solchen Kurswechsel wünschen.

Die Kampagne "Wir sind ÖGB" wird alles tun, damit unsere Gewerkschaftsbewegung aus dieser schmerzlichen Erfahrung die nötigen Lehren ziehen kann. Unterstütze uns und bau mit uns eine starke Linke in den Betrieben und Gewerkschaften auf!

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