Kommentar von der (Zustell-)Basis
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- Erstellt am Mittwoch, 01. Dezember 2010 14:47
- von Michael Meister
Eineinhalb Monate nach der Betriebsratswahl bei der Österreichischen Post geht nach kämpferischen Ansagen alles wieder seinen gewohnten Gang. Zum Leidwesen der Belegschaft haben beide Fraktionen aus dem Wahlergebnis nichts gelernt.
Die sozialdemokratische Fraktion kann oder will die Probleme, die auf der Belegschaft lasten, nicht zur Kenntnis nehmen. Ein bundesweites Minus von rund acht Prozent und eine Rumpftruppe an FunktionärInnen, die die Schuld beim ehemaligen Vorsitzenden Gerhard Fritz oder dem populistischen Wahlkampf des FCG-Vorsitzenden Manfred Wiedner suchen, zeugen deutlich von dieser Realitätsverweigerung. Ich möchte nun an Hand einiger Beispiele aus dem Zustellbereich den Leserinnen die dramatische Situation erläutern. Die jetzigen Zustände erklären nämlich bis zu einem gewissen Grad, warum eine kleine Teilgewerkschaft ihre Kampfkraft verloren hat.
Die Unternehmensführung der Post erkannte die Situation in der sich die Mehrheitsfraktion nach den Wahlen befand, und schätzte sie auch richtig ein. Schnell und gut konnte das Management die Ausrichtung auf weiteren Personalabbau durchsetzen, ohne (wie schon in den Jahren zuvor) auf Widerstand zu stoßen. Die Anzahl der Überstunden, die den Beschäftigten pro Tag/Woche aufgezwungen wird, steht in keiner Relation zu den gesetzlich verordneten Ruhezeiten bzw. der per Kollektivvertrag festgelegten Wochenarbeitszeit. Sehr wohl wissen alle, vom Aufsichtsrat bis zum letzten Betriebsratskaiser, dass Personal fehlt und mit Gewalt versucht wird, mit der vorhandenen Belegschaft ein Drittel des fehlenden Personals zu kompensieren.
Die Methoden, die MitarbeiterInnen davon zu überzeugen, dass das Unternehmen über Frei- und Ruhezeit der/des Einzelnen frei verfügen kann, sind vielfältig: Plumper Druck, Drohungen und das Argument, dass "man sich ja beruflich verändern kann". Es ist vorgesehen, BeamtInnen ins Jobcenter, sowie Angestellte intern zu versetzen; die jungen MitarbeiterInnen mit einem bedeutend schlechteren Kollektivvertrag (eine 'Errungenschaft' der Gewerkschaft) sollen gleich entlassen. werden. Krankenstandsrankings mit Diagnoseinterpretation des direkten Vorgesetzten sind die Regel. Ein 13- oder 14-Stundentag kann laut Chefetage zugemutet werden. Sowohl bei der Entlohnung, als auch bei der Arbeitszeit und der Anzahl der Planstallen spielt die Gewerkschaft voll mit - hier handelt es sich um die Vollkommenheit eines Betruges, der von der Personalvertretung mitverwaltet wird.
Diese Situation wird sich auch in naher Zukunft nicht ändern, solange eine Bürokratie, die jegliche Verankerung in der Belegschaft verloren hat, der Gewerkschaft bzw. der Personalvertretung ihren Stempel aufdrückt, was dazu führt, dass unsere Gewerkschaft auch auf weitere Sicht nicht fähig sein wird, das zu tun, was erforderlich wäre. Heute wäre es insbes. erforderlich, dass sie die SozialpartnerInnenschaft mit den Bossen und ihr ManagerInnengehabe im Unternehmen aufgeben. Die offenbar einzig mögliche Politik der Bürokratie ist der Kampf um den Klassenfrieden, also ein Bruch mit jeglicher Tradition der ArbeiterInnenbewegung.