Post-Wahlkampf 2010

Neuerlich verspüren wir am eigenen Leibe, dass uns der Vorstand nicht als PartnerInnen in einem vertraglich abgeschlossenen Arbeitsverhältnis sieht, sondern als Melkkuh der AktionärInnen. Abermals haben KollegInnen im Zustell- und Schalterbereich die Dimension der Unverfrorenheit wahrnehmen müssen, in der das Management versucht unsere Arbeitskraft immer mehr und mehr auszubeuten. Und das zu einem Preis der in keinster Weise als angemessene Entlohnung angesehen werden kann.

Doch wie konnte es so weit kommen? Sind wir Lohnabhängige nicht organisiert? Haben wir nicht „gewählte“ Vertrauenspersonen, die – teils ehrenamtlich, teils hauptberuflich – unsere Interessen und Bedürfnisse wahrnehmen und diese mit allen notwendigen Mitteln auch umsetzen sollten? Mit diesen Fragen, sprechen wir offen aus, was der Nährboden der Kritik vieler KollegInnen an Personalvertretung und Gewerkschaft ist.

Wenn wir uns Organisationsform und Politik der Gewerkschaften im allgemeinem ansehen, stoßen wir auf eine Reihe von Widersprüchlichkeiten. Als ursprünglich demokratische Organisation um die Jahrhundertwende entstanden und immer mit der arbeitenden Bevölkerung verbunden, verliert der österreichische Gewerkschaftsbund zunehmend den Anspruch eine demokratisch von unten her organisierte Kampforganisation zu sein.

Ganz besonders gilt das für die Teilgewerkschaft GPF (Gewerkschaft der Post und Fernmeldebediensteten). Wir müssen leider davon ausgehen mit dieser eine Gewerkschaft zu haben, die ihren Aufgaben nicht mehr gerecht werden kann. Wir meinen damit das diese Gewerkschaft mit allen ihren Strukturen sowohl in der Personalvertretung (ZA, PA, VPA) als auch in der Gewerkschaft (LG, BG usw.) so weit degeneriert ist, dass es eine Reform an Kopf und Füßen brauchen wird, bevor sie ihren ursprünglichen Aufgaben wieder nachkommen kann, da erstens die führenden Gewerkschaftsfunktionäre in der ideologischen sozialpartnerschaftlichen Falle festsitzen und zweitens für eineN freigestellteN FunktionärIn der Erhalt der eigenen Position nicht mehr von der Legitimation durch die KollegInnen abhängt, sondern von bürokratischen Strukturen, die dem Interesse der UnternehmerInnen dienen. Solche SpitzenbürokratInnen müssen sich daher mit dem Kapital arrangieren, um dem/der UnternehmerIn, AktionärIn oder EigentümerIn nicht zu schaden, so dass die eigene Funktion abgesichert werden kann.

Ja sogar der soziale Frieden im Land hängt von der Deckelung der Lohnabhängigen durch die Gewerkschaften ab. Die Sozialpartnerschaft entstand in der Hochkonjunktur der Nachkriegsjahre, in der die KapitalistInnen Arbeitskräfte brauchten. Eine Reservearmee an Arbeitskraft (Arbeitslose) gab es kaum. Die Älteren unter uns werden sich erinnern, dass sogar Arbeitskraft importiert wurde. Die Situation heute ist eine andere. Mit dem Druckmittel der Arbeitslosigkeit kann das Kapital vermehrt auf die Kostenschraube drücken. Verbunden mit der allgemeinen Lüge der notwendigen Gewinnmaximierung und der dadurch entstehenden Arbeitskraftflexibilisierung kann so die Ausbeutung von uns Beschäftigten immer mehr und mehr verstärkt werden – die Arbeitsbedingungen werden also laufend verschlechtert und wir müssen mehr Leistung für den gleichen oder oft sogar weniger Lohn bringen.

Das Kapital gaukelt uns vor, dass es sich unaufhörlich vermehren muss und dafür alle Opfer bringen müssen, weil sich sonst die Erde zu drehen aufhört und in die Sonne stürzt. Ähnlich verhielt es sich im späten Mittelalter, in dem die Kirche auf dem geozentrischen Weltbild beharrte, demzufolge sich die Sonne um die Erde dreht. Heute weiß jedes Kind, dass das falsch ist, auch wenn es damals die gängige Lehre war. Und als genauso fernab jeglicher Realität werden wir die „Wahrheiten“ der HohepriesterInnen des Kapitals erkennen können, wenn wir uns genauer damit beschäftigen.

Wir bemerken heute an der steigenden Anzahl von Aussendungen und Besuchen von FunktionärInnen, dass Wahlkampfzeit ist. Die Homepages der großen Fraktionen füllen sich mit scheinbar inhaltsschweren Texten, die sie aber bei genauerer Betrachtung ob ihrer Unverbundenheit mit unseren tatsächlichen Bedürfnissen nur selbst diskreditieren, und in einiger Zeit ist es wieder an der Zeit, in die Urne zu kotzen.

Dennoch haben wir die Möglichkeit, bei dieser Wahl etwas anders zu machen. Wir stellen die Frage, ob die GPF und ihre Spitze so bleiben müssen, wie sie sind. Wir treten für eine Redemokratisierung der GPF und die direkte demokratische Legitimation aller ihrer FunktionärInnen durch Wahlen ein. Nur so kann eine Gewerkschaftsspitze wieder die breite Masse der Beschäftigten hinter sich vereinen und eine Perspektive zur Verteidigung unserer Arbeits- und Lebensbedingungen entwickeln. Das wird aber nur möglich sein, wenn wir selbst in Form von Betriebsgruppen und demokratisch gewählten VertreterInnen aus unserer Mitte Verantwortung übernehmen.

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