Deutsche Post AG verstärkt Angriff auf Belegschaft

Anfang Oktober haben ver.di und die Deutsche Post AG die Tarifverhandlungen zum Schutz vor Auslagerung sowie einer fairen Tarifpolitik vereinbart. Bundesfachbereichsleiterin Andrea Kocsic erwartet sich mit der Aufnahme der Verhandlungen vom Arbeitgeber Vernunft und eine seriöse Tarifpolitik. Der Arbeitgeber sieht das freilich anders und holt schon im Vorfeld weit aus um seine Gewinnmaximierungspolitik zu rechtfertigen.

Seit Monaten schon stellt die Deutsche Post AG öffentlich die gemeinsam im April 2008 ausgehandelten Tarifverträge zur Arbeitszeit und zur Entgelterhöhung in Frage und droht vor dem Hintergrund der zum Jahresende auslaufenden Verträge aus dem Beschäftigungspakt von 2006 mit der Fremdvergabe in der Brief- und Paketzustellung. "Wenn es nötig ist, werde ich auch vor diesem Thema nicht zurückschrecken", erklärte der Vorstandsvorsitzende Frank Appel seine Position zur Fremdvergabe der Zustellung in der Süddeutschen Zeitung Anfang September. ver.di nimmt diese Drohungen sehr ernst. Für ver.di ist klar: Die Zustellung ist das Kerngeschäft der Deutschen Post AG. Um die fundamentalen Angriffe des Arbeitgebers auf die Arbeits- und Einkommensbedingungen der Beschäftigten abwehren zu können, hat sich ver.di unter dem Motto "Stoppt die Plünderung" vorsorglich handlungsfähig gemacht und die Rationalisierungsschutztarifverträge gekündigt.

Ende August hatten sich ver.di und die Deutsche Post AG in einem Vorstandsgespräch darauf verständigt, zur Vorbereitung von Verhandlungen Gespräche auf der Arbeitsebene zu führen. Diese Gespräche auf Arbeitsebene fanden Mitte September statt. Dabei war der Versuch, Verhandlungsthemen zusammenzufassen und mit einer gemeinsamen Verpflichtung der Tarifvertragsparteien, dazu sodann Verhandlungen zu führen, nicht erfolgreich. Die Deutsche Post AG wollte ihrerseits keine Verhandlungszusage zum Ausschluss der Fremdvergabe in der Zustellung geben, sofern ver.di nicht im Gegenzug Verhandlungsbereitschaft zu den von der Deutschen Post AG genannten Verhandlungsthemen der Wochenarbeitszeit, der Entgelterhöhung und der Besitzstände erklären würde. Zu einer solchen Zusage allerdings war ver.di nicht bereit, da diese in bestehende und ungekündigte Tarifverträge eingreifen würde. Diese Gespräche auf Arbeitsebene mündeten in einem Ergebnisvermerk vom 17. September 2009, der die Verhandlungsgegenstände aus Sicht der jeweiligen Tarifvertragspartei benennt. Es wurde vereinbart, die Tarifverhandlungen Anfang Oktober aufzunehmen. Das Ziel von ver.di sind zügige Verhandlungen. In den Betriebsversammlungen der vergangenen Wochen haben die ver.di-Mitglieder Geschlossenheit gegenüber dem Arbeitgeber gezeigt. Dass sich die Deutsche Post AG den Verhandlungen zum Schutz vor Fremdvergabe nicht verweigert, sondern noch vor Ablauf der Friedenspflicht aus den von ver.di gekündigten Tarifverträgen vier Verhandlungstermine vereinbart werden konnten, zeigt, dass der bislang von den ver.di-Mitgliedern erzeugte Druck nicht ohne Wirkung geblieben ist.

Am 2. Oktober hat die Tarifkommission die Forderungen von ver.di für die Verhandlungen zum Schutz vor Fremdvergabe beschlossen. Danach fordert ver.di erstens den Ausschluss der Fremdvergabe in der Briefzustellung und die Begrenzung der Fremdvergabe in der Paketzustellung auf maximal 880 Bezirke über den 31. Dezember 2009 hinaus. Zweitens fordert ver.di den Erhalt des Fahrdienstes mit 4150 eigenen Fahrern über den 31. Dezember 2009 hinaus. Drittens fordert ver.di eine Erweiterung des bestehenden Rationalisierungsschutzes um einen umfassenden Schutz der Beschäftigten vor den Folgen einer möglichen Fremdvergabe. Viertens fordert ver.di den Erhalt der bezahlten REVAS-Pausen in der Nachtschichtarbeit.

Der Vertrag zum Ausschluss der Fremdvergabe in der Zustellung vom November 2006 geht ursprünglich zurück auf den im Jahr 2003 zwischen der Deutschen Post AG und ver.di geschlossenen Beschäftigungspakt. Damals hatte der Post-Vorstand mit der Auslagerung des kompletten Paketdienstes gedroht. Im Zuge des Beschäftigungspaktes wurden auch die tariflichen Regelungen zur freiwilligen Übernahme zusätzlicher Leistungen (ÜzL), der Wegfall der Freistellung von der Arbeit am 24. und 31. Dezember sowie Regelungen zum Stücklohn bei "Infopost schwer" und der Abholung von Paketsendungen vereinbart. Auch diese Regelungen wurden 2006 fortgeschrieben und laufen wie der Ausschluss der Fremdvergabe zum 31. Dezember 2009 aus.

Der erste Vertrag zum Erhalt des posteigenen Fahrdienstes datiert aus dem Jahr 2001. Seinerzeit wollte die Deutsche Post AG den kompletten Fahrdienst fremd vergeben. Nach unzähligen Protestaktionen gegen den Ausverkauf des Fahrdienstes konnte ein Stufenplan zum Erhalt einer Eigenbeschäftigungsquote durchgesetzt werden. Im November 2007 konnten die Regelungen zum Erhalt von Transporten in Eigenleistung fortgeschrieben werden. Danach ist die Deutsche Post AG bis zum 31. Dezember 2009 verpflichtet, mindestens 4150 eigene Fahrer einzusetzen.

Die Zustellung ist das Kerngeschäft

Die Regelungen zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen für Schichtdienstleistende (REVAS) wurden vor über 25 Jahren zur Abfederung der besonderen physischen Belastungen der Nachtarbeit eingeführt. Danach hat jeder Beschäftigte, der Schichtdienst in der Nacht leistet, eine zusätzliche Erholzeit von sechs Minuten pro Stunde. Diese REVAS-Pause wollte die Deutsche Post AG zum 1. Juli dieses Jahres streichen Nach heftigen Protesten von ver.di und Betriebsräten konnte Ende Juni erreicht werden, dass die Deutsche Post AG vorerst auf eine Streichung verzichtet und hierzu Ende des Jahres Gespräche aufgenommen werden.

Mit Aufnahme der Tarifverhandlungen am 6. Oktober hat ver.di der Deutschen Post AG die von der Tarifkommission beschlossenen Forderungen übergeben und erläutert. Ein Angebot wurde seitens des Arbeitgebers bei diesem ersten Verhandlungstermin noch nicht vorgelegt.

"Wir wollen eine Lösung am Verhandlungstisch", sagt die stellvertretende ver.di-Vorsitzende und Leiterin des Bundesfachbereiches Postdienste, Speditionen und Logistik Andrea Kocsis. Allerdings bereitet sich ver.di parallel auf den Konfliktfall vor. Die Friedenspflicht aus den gekündigten Rationalisierungsschutzverträgen ist am 6. November beendet. "Die Zustellung ist Kerngeschäft und für den Schutz unserer Mitglieder bei drohender Fremdvergabe werden wir notfalls auch kämpfen", stellt Andrea Kocsis klar.

Anmerkung der Redaktion: Dieser Bericht aus Deutschland vom Geschehen der Deutschen Post AG lässt die Gewerkschaft als Mitschuldigen der derzeitigen Arbeitsverhältnisse dastehen. Wie im Bericht oben mehrfach erwähnt wurde, konnten trotz intensiver Verhandlungen dem Unternehmen bisher keine Zugeständnisse abgerungen werden. Im Gegenteil, diverse befristete Maßnahmen wie eine Einschränkung der auszulagernden Zustellbezirke oder der Erhalt der Posteigenen FahrerInnen spielen nach wie vor dem Kapital in die Hände. Bei der derzeitigen Vorgangsweise ist jedoch das Erscheinungsbild ein anderes. Die zuständigen BetriebsrätInnen hielten in den vergangenen Wochen Dienstellenversammlungen ab, um im demokratischen Sinne die Belegschaft zu informieren und auf Kampfmaßnahmen einzustellen. Es bleibt abzuwarten, inwieweit sich ver.di bereit erklärt, der Deutschen Post AG Widerstand zu leisten.
Erinnern wir uns zurück in das Jahr 2008. Ein vom Vorstand der Österreichischen Post AG entworfenes Strategiepapier machte die Betriebsratsführung zum Knecht des Kapitals. Über Zugeständnisse und die Einführung eines neuen (schlechteren) Kollektivvertrags wurden die Arbeitsbedingungen schlechter. Wir leben nun mit einer Dreiklassenbelegschaft (BeamtInnen, KV- Alt, KV- Neu) und blicken mit Skepsis auf künftige KV- Verhandlungen.
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