Post: Der neue Kollektivvertrag und seine Folgen für uns

Der von der Postgewerkschaft mit verhandelte Kollektivvertrag (KV)- Neu, der für alle Bediensteten, die ab 1. August eintreten, gilt, ist der sichtbare Beweis, was die Sozialpartnerschaft in Österreich ist: Das Kapital setzt seine Wünsche durch – ohne nennenswerten Widerstand und auf Kosten der Beschäftigten. Angesichts der Geheimverhandlungen bleibt nur der Schluss, dass sich die Belegschaftsvertretung der österreichischen Post AG über die Köpfe (und Wünsche) der zu Vertretenden hinweg gesetzt hat. Nun soll das Ergebnis als "Arbeitsplatz sichernde Maßnahme" verkauft werden!

Warum wo anders verdient wird?

Dem neuen Kollektivvertrag ging ein so genanntes KV-Neu Prämissenpapier voraus, in dem sich der Vorstand und die Zentralausschussmitglieder Fritz, Palensky und Wiedner auf fünf inhaltliche Schwerpunkte geeinigt haben. Da heißt es z.B., was jeder Gewerkschaft, noch dazu einer roten unwürdig ist: "Zwischen der Gewerkschaft und dem Arbeitgeber (Vorstand) der Österreichischen Post AG wurde vereinbart: Abschluss eines Wettbewerbfähigen KV‘s bis 30. Juni 2009".

Wir sprechen von einem Unternehmen, das 168 Millionen Euro an Dividenden ausgespuckt hat und sich zu 53% im Staatsbesitz, also in unseren Hand befindet. Nun geht es darum, diese Ausschüttung, koste es (der Belegschaft) was es wolle, in Zeiten einer weltweiten Rezession zu steigern. Die Auslagerung der Zustellung würde die Personalkosten in der Bilanz bzw. im Jahresergebnis auf ein Minimum reduzieren. Dies würde einerseits die Attraktivität an der Börse steigern, aber andererseits zu Qualitätseinbußen führen, die wiederum am Image des Unternehmens nagen.

Der Kompromiss der KapitalvertreterInnen lautet also, die Lohnkosten des eigenen Personals nach unten zu schrauben. So sieht der neue KV für ZustellerInnen ein Einstiegsgehalt von 1.235,22 Euro brutto vor. Bisher sind das 1.449,09 Euro, die mit diversen Zulagen wie z.B. der Qualitätsprämie angereichert werden. Vorrückungen erfolgen für alle neu Bediensteten nur mehr alle fünf (statt bisher zwei) Jahre. Ein Unikum an sich stellt die Entlohnung nach Gebieten dar. So verdienen beispielsweise KollegInnen in Salzburg und Vorarlberg mehr als die Beschäftigten in den restlichen Bundesländern. So geht's munter weiter.

Keine Absicherung - weitere Angriffe

Weiter heißt es im o.g. Papier "Es gilt als verstanden, dass im Bereich der Paketzustellung ein höheres Maß an Flexibilität notwendig ist. Auslagerungen sind daher nicht kategorisch ausgeschlossen, erfolgen aber nur dort wo unbedingt nötig." Erschreckenderweise hat die Belegschaftsvertretung dies bereits unterschrieben. Sind also Auslagerung und gleichzeitig ein schlechterer KV die Zukunft, die uns erwartet? Postamtsschließungen und Mobbing in der alten Belegschaft als Alltag?

Die UnternehmensvertreterInnen werden darauf abzielen, die alten Kollektivverträge an jenen anzupassen, der günstiger ist. Sie versuchen bereits mittels Übertrittsprämien einen KV-Wechsel zu bewerben und werden diesen später erzwingen. Freie Arbeitsplätze werden vermehrt von neu eintretenden KollegInnen besetzt werden, was eine Spaltung der Belegschaft hervorrufen kann. Wie lange kann der eine oder die andere dem psychischen Druck noch standhalten?

Kniefall der GPF-Führung

Der erste Fehler ist das undemokratische Vorgehen einer Führung, die sich einbildet zu wissen, wir Beschäftigten wollen und brauchen. Dies ist eine Folge der StellvertreterInnenpolitik der Gewerkschaft der Post- und Fernmeldebediensteten (GPF). Das bedeutet konkret, dass die Vorgangsweise, die zum neuen KV führte weder mit der Belegschaft diskutiert noch darüber abgestimmt wurde, ob ein solches Lohndumping in einem Unternehmen, das die zweitgrößte Dividendenausschüttung aller im ATX notierten Kapitalgesellschaften hat, akzeptabel ist. Es kam wie es kommen musste, wenn Ängstlichkeit mit Opportunismus gemischt wird. Die Taktik der ShareholderInnen (EigentümerInnenvertreterInnen), Auslagerungen anzudrohen, um das eigentliche Ziel KV-Neu durchzusetzen, ging voll auf. Ließ sich die Gewerkschaft erpressen? Ja! Statt dessen wäre es richtig gewesen, für den Erhalt des alten KV zu kämpfen und so gleichzeitig dem Druck des Kapitals Paroli zu bieten. Doch ohne gegenseitiges Vertrauen geht das nicht, und dazu müsste die Gewerkschaftsführung klar Position beziehen – für die Beschäftigten.

Wie kam es dazu?

Viele SpitzenfunktionärInnen sind durch Posten, Privilegien und Spitzengagen in das Management und/oder die Wirtschaft eingebunden. Diese Position könnte durch eine kämpferische Politik gefährdet werden. Gleichzeitig soll der nationale Schulterschluss in Form der Großen Koalition auf keinen Fall durch gewerkschaftlichen Protest in Frage gestellt werden. Mangelnde Transparenz, undemokratische Strukturen und Loyalität zum Unternehmen führten zu einer Entfremdung von PersonalvertreterInnen und Belegschaft. Jedoch kann das eine ohne das andere nicht bestehen.

Dies schwächt die organisierte ArbeitnehmerInnenschaft und liefert uns den Angriffen des Kapitals gnadenlos aus. Die eigentliche Krise am Arbeitsmarkt ist die Krise der Gewerkschaften und ihrer Bürokratie. Lohnverzicht, Kurzarbeit, prekäre Beschäftigungsverhältnisse, schlechtere Dienstverträge und Massenentlassungen sind und wurden immer mit dem Zutun der Gewerkschaftsspitze umgesetzt. Und immer ohne die betroffene Belegschaft in die Entscheidung mit einzubeziehen.

Anstatt mit der Belegschaft die Situation zu beraten bzw. eine Diskussion in Gang zu setzten wird seit Jahren (und vor allem in den letzten Monaten) argumentiert, dass eine Mobilisierung der Belegschaft nicht erfolgreich durchgeführt werden kann. Lieber vertraut die Gewerkschaftsspitze auf Gremien und einige wenige auserwählte PersonalvertreterInnen statt auf die Stärken des Kollektivs aller Beschäftigten. Wir müssen die Tradition von Urabstimmungen in unserer eigenen Bewegung einführen! Schluss mit der Sozialpartnerschaft - wir müssen endlich wieder unsere Interessen durchsetzen!

Gewerkschaftsdemokratie jetzt - aktiv werden!

Im Gegensatz zu vielen anderen europäischen Ländern gibt es in Österreich nicht in Ansätzen eine organisierte Gewerkschaftslinke. Das heißt aber noch lange nicht, dass die Linie der Bürokratie sich großer Zustimmung unter den BetriebsrätInnen und Mitgliedern erfreuen würde. Ganz im Gegenteil. Es gibt nicht zuletzt in der größten Fraktion, der FSG, unzählige KollegInnen mit oder ohne Gewerkschaftsfunktion, die einen kämpferischen Kurs und eine Demokratisierung des ÖGB als notwendig erachten.

Um die aktuelle Politik zu brechen braucht es in erster Linie die Selbstaktivierung aller Postbeschäftigen. Dazu ist die Organisierung in gewerkschaftlichen Betriebsgruppen oder in Komitees notwendig, um aktuelle Themen, Probleme und etwaige Kampfmaßnahmen zu diskutieren. So können sich ganze Belegschaftsstrukturen aktiv einbringen, es wird transparent gehandelt und Beschlüsse werden gemeinsam umgesetzt. In Form von Resolutionen müssen die Beschlüsse auch an die Gewerkschaft weitergegeben werden. Wichtig sind dabei die demokratischen Strukturen innerhalb einer solchen Struktur. Das bedeutet, dass jedeR TeilnehmerIn gleiches Stimmrecht und Redezeit zugestanden werden muss. Solche Betriebsgruppen fungieren als Sprachrohr der Belegschaft und haben das Recht zu entscheiden wann, wo, wie und ob ein Arbeitskampf geführt wird. Die Gewerkschaft hat diesen Beschlüssen als direkten Ausdruck des Belegschaftswillens Folge zu leisten.

Die gesamte Gewerkschaftsbewegung steht am Scheideweg und muss sich entscheiden: Sind GewerkschafterInnen ManagerInnen, EventorganisatorInnen oder AgitatorInnen für eine kämpfende, demokratisch einbezogene Belegschaft? Schluss mit der StellvertreterInnenpolitik, werde aktiv, es geht um viel – es geht um unsere Zukunft!

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