Interview mit Franz Mähr, stellvertretender Vorsitzender der Landesgruppe Vorarlberg der GPF
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- Erstellt am Samstag, 22. November 2008 14:47
Herr Mähr, wie ist die Stimmung innerhalb der Belegschaft bezüglich der Pläne des Managements, österreichweit 9.000 Leute zu kündigen?
Die Leute sind angefressen und bereit zu kämpfen und zu streiken. Es hat in den letzten Jahren schon viele Verschlechterungen gegeben, darum sagen viele, dass es jetzt reicht. Besonders davon betroffen sind die Leute im Bereich der Distribution - also die Briefträger. In den letzten Jahren hat man dort immer mehr Personal abgebaut und die Arbeit der Gekündigten musste von den verbliebenen Angestellten erledigt werden. Das bedeutet heute Arbeitszeiten von 10 bis 12 Stunden am Tag - ohne Ausbezahlung der Überstunden! Darum ist bei den Briefträgern die Stimmung auch wirklich am Kochen.
Nun ist es doch so, dass viele der Postmitarbeiter Beamte sind, für die es kein Streikrecht gibt. Die würden dann am Streik nicht teilnehmen?
Es stimmt, ein Streikrecht gibt es für sie nicht. Aber trotzdem betrifft die Beamten die aktuelle Entwicklung ebenso wie alle anderen und darum wollen sie sich ebenso wie ihre Kollegen gegen die aktuellen Pläne zur Wehr setzen. Wichtig ist, dass wir jede einzelne Kampfmaßnahme im Kollektiv und im Zeichen der gegenseitigen Solidarität machen: Dann muss sich keiner Sorgen machen, von Repressionen irgendeiner Art betroffen zu sein.
Wenn wir von der Belegschaft reden - wie viele Postler gibt es denn überhaupt in Vorarlberg?
Es sind etwa 900. Davon haben um die 170 nur noch befristete Dienstverträge - das heißt, dass sie recht einfach zu kündigen sind. Wir gehen davon aus, dass jegliche Kürzungsmaßnahmen des Managements voererst diese Kollegen betreffen werden. Bereits jetzt wird von Seiten des Managements schon ein unglaublicher Druck auf sie ausgeübt. Aber auch den anderen wird es nicht leicht gemacht. Hauptsächlich der Personalvertretung, also den Betriebsräten, wird das Leben hier ziemlich schwer gemacht. Die Post hat einen sogenannten "Erhebungsdienst", man könnte sagen, das ist eine unternehmensinterne Polizei. Wir von der Personalvertretung werden am laufenden Band verhört, jede unserer Handlungen wird mit Argusaugen beobachtet. Erst vor kurzem hat man mich wieder aufgesucht und mein Büro wurde abfotografiert. Wir lassen uns von solchen Methoden aber nicht unterkriegen, vor allem jetzt nicht, wo es um die Wurst geht.
Was müsste der Arbeitskampf erreichen, um als Erfolg verbucht werden zu können?
Das wichtigste ist auf jeden Fall die Rücknahme der Kündigungs- und Schießungspläne. Niemand darf entlassen, kein weiteres Postamt darf geschlossen werden. Weiters geht es darum, dass die Politik hier endlich einschreitet und klarmacht, dass mindestens 51% der Post im Staatseigentum bleiben.
Sollte es nicht auch ein Ziel sein, die Liberalisierung zurückzunehmen? Solange sich ein Unternehmen wie die Post im "freien Markt" befindet, wird dies doch auch in Zukunft zwangsläufig zu Kündigungs- und Schließungswellen führen.
Ich glaube nicht, dass man die Liberalisierung noch zurücknehmen kann, so wünschenswert das auch wäre. Immerhin ist sie schon seit längerem auf EU- wie auf nationaler Ebene ratifiziert worden und wird in mehreren EU-Ländern wie Deutschland oder Holland schon umgesetzt. Wichtig ist vorerst, dass die Politik in Österreich klarstellt, dass alle Post-Dienstleister dieselben Konditionen auferlegt bekommen. Es geht nicht, dass ausschließlich die Post teure unlukrative Versorgungsaufträge erhält, während sich die Privaten die Rosinen aus dem Kuchen picken. Solange der Staat nicht eingreift, sind wir der Willkür irgendwelcher Manager an der Post-Spitze ausgeliefert. Und man muss schon sagen, dass diese Manager nicht gerade gut wirtschaften. So hat es die Post in den letzten Jahren regelmäßig vermisst, innovative Ideen zur Weiterentwicklung des Unternehmens aufzugreifen. Das wurde den privaten Mitbewerbern überlassen. Und den Preis müssen jetzt die Beschäftigten bezahlen. Und das, obwohl die Post trotz alledem nach wie vor ein gesundes Unternehmen ist.
Warum wurde sie dann im Jahr 2005 zu 49% privatisiert?
Das ist ja der Wahnsinn: 2005 wurden diese Anteile um insgesamt 450 Mio. Euro verscherbelt, im Jahr darauf hat das Unternehmen einen Gewinn von 200 Millionen Euro eingefahren. Welcher normale Betriebswirt würde sich denn auf so einen Deal einlassen? Mir kommt vor, dem Primat der Privatisierung wird alles geopfert, bis wir keine funktionierende Infrastruktur mehr haben.
Kommen wir noch einmal zurück zum Streik: Erwarten Sie, dass die Bevölkerung solchen Kampfmaßnahmen solidarisch gegenüberstehen würde?
Auf alle Fälle! Jeder hat doch Interesse an einer funktionierenden Post. Zudem zeigen sich laut "Vorarlberger Nachrichten" 8 von 10 solidarisch mit unserem Protest. Unterstützung erwarte ich mir übrigens auch von den Bürgermeistern: Sie sind die offiziellen Vertreter der Gemeinden. Auf Ortsebene werden die Rationalisierungsmaßnahmen erhebliche Auswirkungen haben. In der Vergangenheit war es schon oft so, dass sich die - in Vorarlberg in überwiegendem Maße - schwarzen Bürgermeister zwar beschwert haben, wenn Rationalisierungen angekündigt wurden, konkret gab es dann aber nicht einmal eine Solidaritätsbekundung, sobald die Kampfmaßnahmen begonnen haben. Die Bürgermeister stehen da im Spannungsfeld zwischen dem Interesse der ÖVP und dem Interesse der Bevölkerung. Ich sehe ihre Aufgabe hier eindeutig in der Interessenvertretung der Bevölkerung. Und was wäre das für eine moralische Unterstützung für unsere Leute, würde ein Bürgermeister wirklich einmal kurz am Vormittag einen Streikposten besuchen!
Sollte die Unterstützung der Bürgermeister auch dieses mal ausbleiben - glauben Sie trotzdem an den Erfolg eines Streiks?
Natürlich! Die Leute sind motiviert und alle Weichen gestellt. Natürlich birgt jeder Kampf eine gewisse Gefahr in sich. Aber wie sagt man so schön: Wer kämpft kann verlieren, wer nicht kämpft hat schon verloren!