Zerschlagung der Wiener E-Werke vorerst verschoben
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- Erstellt am Freitag, 16. November 2007 10:38
- von Gilbert Karasek, Personalvertreter WSTW Holding AK - WIEN ENERGIE - WIENSTROM GmbH
Zuerst eine kurze "Insiderinformation": Die Wiener Stadtwerke Holding Aktiengesellschaft wird als "private Kapitalgesellschaft" zu 100 Prozent von der Stadt Wien gehalten. Hierfür wurde im Wiener Gemeinderat ein eigener Ausschuss eingerichtet. Dieser Stadtwerkeausschuss lenkt und kontrolliert die Wiener Stadtwerke Holding AG. Im Übrigen ist dieser Stadtwerkeausschuss mehrheitlich von der Fraktion der SPÖ besetzt, den Vorsitz führt SPÖ-Finanzstadträtin Renate Brauner.
Die Buchstaben WTO stehen für das Wort "Welthandelsorganisation"
Das Revierdenken, der Kampf um Marktanteile, das Gesetze des Tierreiches "Friss oder du wirst gefressen" bestimmen immer mehr unser gesellschaftliches Leben. Die WTO fördert die Unkontrollierbarkeit dieser Gesetze. Diese Regeln, nach denen wirtschaftliche Ziele auf Kosten anderer durchgesetzt werden, werden als "gesunder" Konkurrenzkampf umschrieben. Und dennoch ist dieser Konkurrenzkampf ums nackte Überleben, um Gewinnanteile und Macht den Gesetzen der Barbarei sehr ähnlich. Der Preis für den Sieg im globalen Spiel um Gewinne, Reichtum und Macht sind die gewaltigen Umweltzerstörungen, Verelendung und Gewalt. Der Mensch, als Konkurrent seiner eigenen Gattung, dieser Zustand prägt das Gesicht dieser Welt.
Die Gemeindebetriebe wurden dieser Weltanschauung geopfert, als der Wiener Gemeinderat diese den Regeln des Konkurrenzkampfes unterworfen hat. Seither stehen die Stadtwerke unter dem Zwang, ständig ihren Reichtum zu vermehren und Kapital zu horten, um selbst nicht von der Konkurrenz gefressen zu werden. Ebenso ist es ausschließlich der Konkurrenzkampf, der die Qualität der Daseinsvorsorge bestimmt. Über die Schiene der Daseinsvorsorge und über deren Bediensteten holt sich die Stadtwerke Holding AG ihren stetig wachsenden Reichtum. Während die Gebühren über 100 Prozent gestiegen sind und im Personal- und Sozialbereich massiv eingespart wurde, hat sich im gleichen Zeitraum das Vermögen der Holding AG um einige Milliarden vermehrt.
Das Konzernkapital hat sich mittlerweile soweit vermehrt, dass der Konzern sich mit seinem überschüssigen Kapital in den verschiedenen Kapitalgesellschaften (Polen, Rumänien, Deutschland usw.) einkauft. Trotz des gigantischen Wachstums treibt der von der SPÖ gelenkte Stadtwerkeausschuss die weitere Zergliederung der Betriebe, im Sinne der WTO-Richtlinien, voran.
Profitsteigerung als Philosophie der WTO
Die Philosophie der WTO lässt sich vereinfacht so darstellen: "Wenn ein Händler ein Auto vermietet, dann hat dieses seinen bestimmten Preis. Würde der Autohändler das Auto in seinen Bestandteilen zerlegen, also Fahrgestell, Motor, Karoserie und diese als Einzelteile vermieten, dann würde am Ende die Summe der vermietenden Einzelteile höher sein als die Miete im Ganzen." Dieser Philosophie folgend wurden bisher die kommunalen Betriebe in Kapitalgesellschaften umgewandelt und in ihren Einzelteile zerlegt. Nun drängt der Stadtwerkeausschuss zur Umsetzung dieser Philosophie bei den Wiener Elektrizitätswerken. Manche GemeinderätInnen gehen noch weiter und meinen: "Wenn nicht freiwillig, dann müssen die Elektrizitätswerke vom Netz zwangsenteignet werden".
Trennung der Stromnetze von der Produktion
Die Aufspaltung von Stromnetzen und Stromerzeugung in jeweils eigenständige Firmenkonstrukte wirkt der Sicherung der Stromversorgung entgegen. Schon alleine das Interesse der produzierenden Unternehmen so viel Stromware wie möglich zu verkaufen, hat einen Einfluss auf die Qualität der Erhaltung des Stromnetzes. Würde aber der Stromproduzent keinen Einfluss auf das Netz haben, so hat die Erhaltung des Netzes einen niedrigeren Stellenwert, da die Netzgebühr unabhängig von der gelieferten Strommenge immer bezahlt werden muss, egal im welchen Zustand das Stromnetz ist. Siehe zum Beispiel die Netzprobleme in England und in den USA.
2004: Erster Schritt der Filetierung
Im Jahre 2004 wurde, als erster Schritt zur Enteignung der Elektrizitätswerke, eine Stromnetz GmbH gegründet. Allerdings blieb in diesem Vertragswerk das Netz weiterhin ein Eigentum der E-Werke. In diesem Vertrag ist es der Gesellschaft nur erlaubt, das Netz zu pachten. Für den von der SPÖ gelenkten Stadtwerkeausschuss ist dieser Vertrag nur ein vorübergehender Zustand, weil dieser nicht der Profitlogik der WTO entspricht. Aus diesem Grund wurde im Frühjahr 2007 geplant, dass im Herbst desselben Jahres die bestehende Rechtskonstruktion aufgelöst und durch die Enteignung der E-Werke von ihrem Stromnetz ersetzt werden sollte.
Die Bediensteten von den drohenden Zerschlagungsplänen zu informieren, war eine schwere Geburt, weil für die freigestellten ArbeitskollegInnen (FSG) eine Information der Bediensteten überhaupt nicht in Frage kam. Stattdessen gab es Verbote und Einschränkungen für GewerkschafterInnen anderer Fraktion, in diesem Fall die KIV. Sie haben jeder anderen gewählten Fraktion die Benützung der von den Bediensteten finanzierten Gewerkschaftseinrichtungen verboten. Ich musste daher alleine über den Weg der Flugblattverteilung die Bediensteten informieren. Zusätzlich schränkte mich ihr Verbot ein, das mir seit meiner Wahl auferlegt wurde: Ich darf als Personalvertreter die Kraftwerke nicht betreten.
Im Kraftwerk Simmering
... waren die Sorge und die Empörung über die Pläne der Zerschlagung der E-Werke besonders groß, so dass eine Stunde nach der Informationskampagne eine außerordentliche Betriebsversammlung einberufen wurde. In diesem Zusammenhang: Herzlichen Dank an die KollegInnen der Konsequenten Interessensvertretung, die mir bei der Beschaffung von zirka 2.500 Flugblättern und bei der Verbreitung dieser wichtigen Informationen an den verschiedenen Dienststellen der E-Werke half.
Kleiner Erfolg gegen die neoliberalen Zerschlagungspläne
Wie wichtig diese Informationskampagne war, hat sich zwei Monat später im Oktober 2007 herausgestellt, als das mit Spannung erwartete Treffen mit dem Stadtwerkeausschuss stattfand.
Die Botschaft an die Vorsitzende des Wiener Stadtwerkeausschuss Finanzstadträtin Brauner, dass die überwiegende Mehrheit der Bediensteten gegen die Zerschlagung der E-Werke ist, hat anscheinend zu einer Nachdenkpause geführt.
Wie wir erfuhren, soll "vorerst" die Enteignung der Elektrizitätswerke von ihrem Netz, für die nächsten drei Jahre (bis 2010) vom Tisch sein. Zwar ist aufgeschoben nicht aufgehoben, aber ein kleiner Erfolg gegen die neoliberalen Zerschlagungspläne ist es allemal.