Bürgerliche drohen die ÖBB zu verscherbeln: Bahn für alle statt Profite für wenige!

Einer der jüngsten Vorstöße der ÖVP meint man solle mit den Erlösen aus der Privatisierung von Verbund, ÖMV, Post, Bundesimmobiliengesellschaft und ÖBB einen Fonds zur Finanzierung der Pflege schaffen. Der bereits klägliche Rest des über Jahrzehnte aufgebauten Volksvermögens soll also den Heuschrecken zum Fraß vorgeworfen werden. Diese drohenden Privatisierungen müssen verhindert werden. Eine Schlüsselrolle wird dabei die Diskussion um die Verscherbelung der ÖBB einnehmen.

Die Bürgerlichen meinen ja stets selbstsicher sie lägen mit ihrem Motto mehr privat weniger Staat voll im Trend des Zeitgeistes. Aber das Pendel schlägt schon wieder in die andere Richtung aus. Dies zeigt das Beispiel Neuseeland, das in der Privatisierungspolitik lange Zeit eine Vorreiterrolle einnahm: Hier wurde bereits 1993 die staatliche Eisenbahn privatisiert.

Neuseeland reverstaatlicht Eisenbahn!

Die Labour-Regierung reverstaatlichte Anfang Mai mit sofortiger Wirkung die Eisenbahngesellschaft! Der Verkauf der staatlichen Bahn und der danach folgende Niedergang des Vermögens war eine schmerzliche Lektion für uns, meinte ein Minister. Er fasst damit zusammen was niemand verleugnen kann: Für ihre kurzfristigen Profite haben die Privaten, ganz ähnlich wie in England, die neuseeländische Bahn komplett verkommen lassen: Infrastruktur, Sicherheit, Fahrgastzahlen, ... Dementsprechend wagten nicht einmal die Konservativen gegen die Reverstaatlichung zu stimmen. Sie kritisierten nur, eigentlich zu Recht, dass der Staat das Unternehmen teuer (mit Verlust) wieder zurückkauft. Jedenfalls ist klar: Nach der Reverstaatlichung der Air New Zealand 2001 zeigen nun alle Zeichen Richtung mehr Staat weniger privat.

Schöne neue Welt bei den ÖBB

Doch zurück nach Österreich: Die Folgen des Umbaus der ÖBB merken Millionen Menschen geradezu körperlich: So wird der Toilettenbesuch am Bahnhof zum puren Luxus. An den größeren Bahnhöfen muss man für jegliches Bedürfnis 50 cent zahlen, an den kleineren werden die WCs und Warteräume gleich komplett zugesperrt. So sinken die Reinigungskosten, die Zufriedenheit der BahnfahrerInnen, in den allzu oft überfüllten Zügen, allerdings sicher auch. Das ist aber nur die Spitze des Eisbergs: Tausende Arbeitsplätze wurden und werden bei den ÖBB vernichtet, die Angestellten verdienten innerhalb eines Jahres um 4% WENIGER. Die Manager erhöhen sich dafür ihr Salär um 42%, üben sich im Verspekulieren von hunderten Millionen Volksvermögen, schanzen ihren Günstlingen lukrative Aufträge in Millionenhöhe zu und selbst bei offensichtlichem Versagen wird ihnen am Schluss noch eine fette Abfindung und ein ordentlicher Beratervertrag nachgeschmissen.

Das alles könnte man als Privatisierung der Unternehmensführung bezeichnen, wenn ein eigentlich staatliches Unternehmen immer mehr wie jedes andere Private agiert. Man merkte dies auch als die ÖBB in Ungarn die Güterverkehrssparte der MAV aufkaufte hier tritt die ÖBB quasi selbst als Privatisierungslöwe auf. Bei der echten Privatisierung der ÖBB werden sich die beschriebenen Probleme und Ungerechtigkeiten klarerweise vervielfachen. Der oben beschriebene Prozess des Kaputtsparens eines Infrastrukturunternehmens wird heute im kapitalistisch-euphemistischen Neusprech börsefit machen genannt. Dazu sollten wir uns die Frage stellen:

Sollte eine Bahn börsefit sein?

Üblicherweise werden bei (noch) staatlichen Unternehmen vor der Privatisierung möglichst alle Bereiche (wenn möglich auch die WCs) der Profitlogik unterworfen. Als vorbereitende Maßnahme um das Ganze den Investoren schmackhaft zu machen. Gerade auch bei den ÖBB wird dies immer damit begründet, dass die ÖBB den SteuerzahlerInnen ja jedes Jahr Millionen wegfrisst. Dazu müssen wir einmal etwas ganz grundsätzliches feststellen: Die ÖBB ist ein Verkehrsträger, welcher jedes Jahr Millionen Menschen und gewaltige Gütermengen extrem sicher und umweltfreundlich von A nach B transportiert. Die dabei verursachten Milliardenverluste müssen wir mit den Alternativen vergleichen, die da vor allem lauten: Auto, LKW und Flugzeug. Würde man den Straßenverkehr als eine einzige große Firma betrachten, würde sich zeigen: Er ist das unrentabelste überhaupt! Neben den hohen direkten-individuellen Kosten (ca. 40 cent pro Kilometer!) verursacht er noch gewaltige indirekte-individuelle Kosten und exorbitante Kosten für Gemeinden, Länder, Bund und den Rest der Welt. Die wichtigsten Posten hier sind: Straßenbau und -erhaltung, Gesundheits- und Umweltschäden, Unfälle, Staus, Lärmschutz, Klimawandel, ... Wir sehen also: So etwas wie einen rentablen Verkehrsträger gibt es nicht!

Deswegen macht es keinen Sinn öffentliche Verkehrmittel profitabel zu machen, weil das benachteiligt sie gegenüber den Autos und den LKW, die dann aber viel viel höhere gesellschaftliche Kosten und Schäden verursachen. Dass eine Eisenbahn offiziell profitabel ist geht praktisch nur entweder rein kurzfristig (siehe Neuseeland) oder indem der Staat trotzdem noch ordentlich in die Tasche greift, und zwar mehr als vorher, um die Eisenbahnen (und ihre Profite) zu subventionieren (siehe England).

Woher stammt aber trotzdem die Präferenz der KapitalistInnen für Auto und LKW? Ganz einfach: Mit ihnen lassen sich rundherum Profite machen, während die Kosten auf die Gesellschaft abgewälzt werden. Dementsprechend sitzen im Aufsichtsrat der ÖBB vor allem Vertreter von Großkonzernen, welche z.B. vom Autobahnbau extrem profitieren und deshalb kein Interesse an einem ordentlichen öffentlichen Verkehr haben, weil sich damit für sie weniger Profite machen lassen. Ex-ÖBB-Boss Huber, ehemaliger Vorstand des Bauriesen Porr, ist das beste Beispiel für diesen Interessenskonflikt.

Um es hier noch mal zu allgemein zu verdeutlichen: Auch der Güterverkehr darf keinesfalls verkauft werden, unter anderem auch weil seine Überschüsse helfen den notwendigen und gesellschaftlich Kosten sparenden Personenverkehr zu finanzieren. Auch wenn nur 24,9% verkauft würden, würde dies das Gesamtunternehmen (noch mehr) dem Profitdruck aussetzen, mit den bekannten negativen Konsequenzen.

Bahnt sich hier eine zentrale Auseinandersetzung an?

Die ÖVP bereitet jetzt mit der Ankündigung, Güter- UND Personenverkehr verscherbeln zu wollen, einen Frontalangriff auf die EisenbahnerInnen vor. Diese gehören zu den schweren Bataillonen", dem Rückgrat, den mächtigsten und kampffähigsten Schichten der ArbeiterInnenbewegung. Sie brechen zu wollen, könnte einem Showdown gleichkommen, ähnlich wie wir ihn in den 1980ern in England bei den Minenarbeitern sahen. Das erklärt den Stellenwert, welchen wir der Auseinandersetzung bei den ÖBB geben sollten.

Bis jetzt wurden die Errungenschaften bei den ÖBB mittels der "Salamitaktik" scheibchenweise zerstört. Die Aussage von ÖVP-Chef Willi Molterer ist eine Kriegserklärung an die Interessen der EisenbahnerInnen. Die Gewerkschaft hat dazu absolut keine klare Position, sondern trägt die Börsefit-Propaganda mit. Offen ist ob bei der Belegschaft jetzt das Fass überläuft und dieser Unmut einen Kanal findet.

Denn letztendlich ist es entscheidend ob es gelingt einen ordentlichen politischen Streik gegen jegliche Privatisierung auf die Beine zu stellen. Wenn ein solcher gut an den Bevölkerung appelliert, kann der Regierung/dem Kapital leicht eine entscheidende Niederlage beigebracht werden. Ein solcher erster großer Streiksieg wäre gerade für die österreichische Situation äußerst wichtig.

Die deutsche Erfahrung

Sehr lehrreich ist die deutsche Erfahrung. Seit einigen Jahren versuchte die Regierung die Deutsche Bahn an die Börse zu bringen. Nun schafften sie es gerade noch zumindest 24,9% eines Teils des Unternehmens zu verkaufen. Auch ohne einen politischen Anti-Privatisierungs-Streik konnte die Privatisierung beinahe verhindert werden. In der Bevölkerung waren über 70% gegen jegliche Privatisierung. Letztendlich konnte die SPD-Führung ihre Verscherbelungs-Linie nur durchsetzen indem sie einen aktuellen Parteitagsbeschluss offen brach.

Die deutsche Anti-Privatisierungs-Kampagne, welche vor allem von NGOs wie attac geführt wurde, appellierte gegen Ende recht gut an die SPD-Basis. Allerdings gilt es für Österreich im Falle eines Kampfes die zwei wichtigen Unzulänglichkeiten der deutsche Kampagne besser zu machen: Erstens muss die Anti-Privatisierungs-Kampagne vor allem von der Belegschaft getragen werden, um möglicherweise zum letztendlichen Auslöser eines Streiks zu werden und damit eine beträchtliche Hebelwirkung erzielen. Zweitens muss sie mit echten Mobilisierungen der Belegschaft entscheidend den Rücken stärken und in der Bevölkerung Rückhalt schaffen. Hier bieten sich wohl vor allem SchülerInnenstreiks an, ist doch gerade die Jugend (und Frauen und sozial Schwächere) von ordentlichen Öffis abhängig. Bei der verhinderten Postbus-Privatisierung war diese Methode durchaus wirksam allerdings droht der damals bei den ÖBB eingegliederte Postbus, nun wieder privatisiert zu werden!

Kämpfen zahlt sich aus!

Auch in der Schweiz, wo die SBB bisher als weltweites Positivbeispiel für eine gute öffentliche Bahn war, droht nun der Verkehrminister die Privatisierung an. Das SBB-Management wollte, neben anderen Standorten, das Bahnwerk Bellinzona schließen. Wie reagierte die Belegschaft? Sie begann sofort zu streiken, besetzte das Werk, verschweißte die Zufahrtsgleise und drohte den Gotthardtransittunnel zu blockieren. Das gelang, weil ein Betriebskomitee einen eventuellen Abwehrkampf vorbereitet hat und weil der Streik stets demokratisch von der Belegschaft geführt wurde. Gleichzeitig gab es außerhalb des Werks eine breite Solidaritätskampagne, so war nach etwa einem Monat die Offensive der Chefs komplett gebrochen. Sämtliche Pläne, das Werk in Bellinzona zu schließen, sind vom Tisch, die Streikenden bekamen für ihr Streikmonat natürlich auch sämtliche Löhne. Kämpfen lohnt sich also!

Den Widerstand bündeln ...

Es wird keine neuen Privatisierungen geben, behauptet SP-Bundesgeschäftsführer Kalina, während Verkehrsminister Faymann nicht ausschließen will, dass man den ÖBB-Güterverkehr verkauft und Eisenbahnergewerkschaftschef Haberzettl zwar dafür ist die ÖBB börsefit zu machen, allerdings will er nicht, dass sie dann wirklich an Börse geht (??). Nun, wie auch immer: Auf die Versprechen der Sozialdemokratie können wir uns nicht verlassen! Auf uns kommt es an!

Der Kampf um die Bahn scheint so gut wie vorprogrammiert, die Frage ist fast nur mehr wann genau er kommen wird. Jetzt gilt es dementsprechend an der Basis, bei den Betroffenen, die Vorbereitungen zu treffen. Je früher desto besser!

  • Für die Vernetzung der Belegschaft! Druck von unten wird entscheidend sein um die Gewerkschaft zu ernsthaften (Kampf-)Maßnahmen zu zwingen!
  • Für eine möglichst breite Kampagne in der Bevölkerung! Es gibt für jedeN genug Gründe in dieser Frage aktiv zu werden, man denke nur an die tägliche Blechlawine, Klimawandel usw.

... für eine bessere Bahn!

Natürlich verteidigen wir nicht vorbehaltlos den unbefriedigenden Status quo bei den ÖBB. Wir wollen eine bessere Bahn:

  • Rücknahme der Zerschlagung des Konzerns von 2003! Die Strukturreform diente nur dazu später die profitablen Teile der Bahn verkaufen zu können. Also weg damit!
  • Investitionsstopp für neue Autobahnen und Schnellstraßen! Neue Schienen statt neue Straßen! Wenn so wie aktuell in Linz geplant neue 7-spurige Autobahnen mitten durch die Stadt gebaut werden, können Klimaschutz und Verkehrsverlagerung nur eine Lüge bleiben.
  • Massive Besteuerung des Schwerverkehrs! Diese sollte einerseits einen massiven Öffi-Ausbau finanzieren und eventuelle Defizite ausgleichen.
  • Für eine wirklich demokratisch verwaltete Bahn für alle! Nur eine solche Bahn unter ArbeiterInnenkontrolle kann ein Kernstück einer demokratisch geplanten wirtschaftlichen Offensive für mehr Arbeitsplätze, Lebensqualität und Umweltschutz sein!
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