Interview mit Judith Repser, Betriebsrätin Johnson Diversey
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- Erstellt am Donnerstag, 23. Oktober 2008 14:47
- von Redaktion der Kampagne "Wir sind ÖGB"
Wie ist die Situation in deinem Betrieb, mit welchen Problemen sieht sich deine Belegschaft konfrontiert?
Unsere Situation ist die, dass wir immer mehr arbeiten müssen, aber immer weniger bezahlt bekommen, obwohl das Unternehmen Gewinne verzeichnet. Im letzen Jahr wurde der IT-Bereich ausgelagert. Die Unternehmensführung gibt sich dabei nach außen hin sozial, der Arbeitsdruck wird aber stetig erhöht.
Wie beurteilst du die Politik unserer Gewerkschaftsspitze?
Ich würde mir eine kämpferische Gewerkschaft wünschen. Solange wir es nicht schaffen, die MitarbeiterInnen zu mobilisieren, werden wir nur das bekommen, was uns die UnternehmerInnen freiwillig geben wollen. In Österreich haben wir die Tradition der Sozialpartnerschaft, die aber schon länger nicht mehr funktioniert und das hat man noch nicht begriffen. Die Gewerkschaft müsste im Grunde die Massen mobilisieren um den Unternehmen etwas entgegenzusetzen. Der Konsensweg ist zu dominant im ÖGB, aber damit ist derzeit nichts zu erreichen.
Wie beurteilst du die Arbeit der großen Koalition?
Es war blamabel, dass die ÖVP die Koalition gekündigt hat und nicht wir, denn uns hätte es schon viel früher reichen müssen. Ich bin aber froh, dass die Koalition zerbrochen ist, da wir überhaupt nichts von unserem Programm durchgesetzt haben.
Wie beurteilst du die SPÖ unter Faymann?
Faymann bewegt sich in Richtung große Koalition und somit wieder in eine Koalition, in der unsere Forderungen nicht durchgesetzt werden können. Generell ist die SPÖ in den letzten Jahren weiter nach rechts gerückt. Faymann ist im Gegensatz zu Gusenbauer so klug, dass er weiß, dass er die Gewerkschaften für ein starke SPÖ braucht.
Wie könnte man die SPÖ für die Lohnabhängigen zurückerobern?
Wir sagen alle, die Reichen werden immer reicher und die Armen immer ärmer, aber wir tun nichts dagegen. Vor allem die Frauen im Handel können von dem, was sie verdienen, nicht wirklich leben. Diese Probleme der Umverteilung von Arm zu Reich müsste die SPÖ aufnehmen und nicht einfach als gegeben hinnehmen. Die SPÖ muss die zentralen Interessen der Lohnabhängigen vertreten.
Was erwartest du dir von der Herbstlohnrunde?
Von der Unternehmerseite aus wird das Argument kommen, wir sacken in eine Rezession, die Wachstumszahlen gehen nach unten, daher werden die Gespräche schwierig werden. Im letzten Jahr haben wir zu schnell abgeschlossen, ich bin im Verhandlungskomitee des Bundesausschuss Handel, und die Ergebnisse waren eigentlich zu gering. Erschwerend kommt hinzu, dass die Basis im Handel schwer zu organisieren und zu mobilisieren ist, aufgrund der sozialen Zusammensetzung der Belegschaft - viele alleinerziehende Mütter und prekär Beschäftigte. Außerdem sind die Beschäftigten im Handel zu zersplittert, sodass es schwierig ist, alle zu organisieren und geschlossen aufzutreten.
Danke für das Interview.