Sanitarios Maracay produziert ohne Chef!

800 Menschen arbeiten bei Sanitarios Maracay, einer Fabrik im venezolanischen Bundesstaat Aragua, die sanitäre Anlagen produziert. Nachdem das Werk stillgelegt worden war, sehen die ArbeiterInnen von Sanitarios Maracay in der Verstaatlichung des Betriebs unter ihrer eigenen Kontrolle und der Weiterführung der Produktion den einzigen Weg zur Verteidigung ihrer Arbeitsplätze.

Am 14. November 2006 fasste die Belegschaft den Beschluss, das Werk zu besetzen, nachdem der Besitzer Alvaro Pocaterra mit der Schließung gedroht hatte. Dieser ist voll und ganz Repräsentant seiner Klasse: Schon während der Aussperrungen im Jahr 2003 hatte er die Fabrik ganze 63 Tage lang still gelegt. Vor der Besetzung wurden nur 40% der Produktionskapazitäten genützt.

Die Rolle der Gewerkschaft

Einen Monat nach der Besetzung marschierte die erste (gemeinsam mit der FRETECO, der Front der besetzten Betriebe, organisierte) Demonstration Richtung Präsidentschaftspalast Miraflores, um die Verstaatlichung des Betriebes unter ArbeiterInnenkontrolle zu fordern. Abgesehen von den bürokratischen Stolpersteinen, die den ArbeiterInnen die staatliche Bürokratie in den Weg gelegt hat, war ihnen auch die Unterstützung der Spitzen der beiden wichtigsten Strömungen der Gewerkschaft UNT nicht von Anfang an gesichert: Marcela Masparo (Mitglied der nationalen Koordination der UNT) unterstützte die Gründung einer gelben Gewerkschaft im Betrieb, die von der Firmenleitung gegründet worden war, um die führende Schicht der Verwaltungsangestellten vom Rest der Belegschaft zu spalten. Masparo versuchte dadurch die CCURA (klassenkämpferische Strömung der UNT), die bei Sanitarios eine starke Verankerung hat, zu schwächen. Doch Orlando Chirino (Funktionär der CCURA) fand gar einen neuen – keine Sorge, „guten und bolivarianischen“ (und dennoch von den ArbeiterInnen unerwünschten) – Unternehmer für das verlassene Werk. Der Druck der Basis führte allerdings zu einem Meinungsumschwung an der Spitze der UNT: Die Demonstration am 8. Februar für die Verstaatlichung des Betriebes wurde von beiden Strömungen der UNT aktiv unterstützt. Die Mobilisierung wurde zu einem vollen Erfolg. 6000 ArbeiterInnen zogen durch die Straßen von Caracas.

Ein großer Schritt vorwärts ...

Was die Besetzung von Sanitarios mit der von Inveval und Invepal (einer Papier- und einer Ventilfabrik, die Ende 2004 – Anfang 2005 besetzt wurden und jetzt als Halb-/Kooperativen geführt werden) gemeinsam hat, ist, dass sie inmitten einer Epoche der allgemeinen Politisierung stattfindet: War es damals der Sieg im Abwahlreferendum im August 2004 und der Beginn der Debatte um den Sozialismus des 21. Jahrhunderts, so fällt die Besetzung von Sanitarios Maracay jetzt in eine Zeit, in der die Revolution einen neuen Aufschwung erlebt.

Was ist es nun, das Sanitarios Maracay von anderen besetzten Betrieben abhebt?

Der betriebliche Gewerkschaftsvorsitzende Humberto brachte es auf den Punkt: „Die ArbeiterInnen von Sanitarios haben von den Erfahrungen von Inveval und Invepal gelernt. Sie sind bereit, den Weg der Enteignung zu beschreiten – aber die ArbeiterInnen werden die Kontrolle über die Firma behalten.“ Die Belegschaft wählte in offener Abstimmung ein Fabrikkomitee, welches als neues „Management“ dafür verantwortlich ist, dass sowohl die Produktion als auch der Kampf für die Nationalisierung fortgesetzt werden. Die 21 Mitglieder des Komitees haben sich in den letzten Jahren als ehrliche KämpferInnen herausgestellt: gegen den Putsch im Jahr 2002, gegen die Attacken der Chefs und gegen den Versuch, die Belegschaft durch die Gründung der gelben Gewerkschaft zu spalten. Die „white-collar-workers“ wurden ebenfalls eingeladen, sie lehnten jedoch die Teilnahme am Komitee ab.

Sanitarios kann dem Rest der ArbeiterInnenbewegung als Beispiel dienen. Denn es ist die erste der besetzten Fabriken, die schon bevor die Nationalisierung beschlossene Sache ist, begonnen hat unter ihrer Kontrolle weiter zu produzieren. Das trotz aller Schwierigkeiten – die Knappheit an Rohstoffen macht es umso notwendiger, dass bald eine Entscheidung gefällt wird. In Zukunft will die Belegschaft vor allem für den sozialen Wohnbau, der von der Regierung massiv gefördert wird, produzieren.

Sanitarios Maracay muss zu 100% dem Staat gehören und gleichfalls zu 100% von den ArbeiterInnen kontrolliert werden: Der Betrieb könnte zu einem Leitstern werden – als Vorbild für jene Betriebe, die von der Schließung bedroht sind – und für alle anderen, in denen der parasitäre internationale und venezolanische Kapitalismus schon zu lange gewütet hat!

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