Generalstreik in Spanien
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- Erstellt am Freitag, 20. April 2012 20:07
- von Axel Magnus, Betriebsratsvorsitzender SDW
Am 29.3. folgten Millionen dem Ruf der Gewerkschaften zum Widerstand gegen die Angriffe der Regierung auf das Arbeitsrecht und beteiligten sich an einem eintägigen Generalstreik. Kein Wunder, haben doch mittlerweile nach drei Jahren brutaler Kürzungen 5,3 Millionen Menschen – also ein Viertel aller Arbeitskräfte und sogar die Hälfte aller Jugendlichen – keine Arbeit.
Spanien erlebt mittlerweile die zweite Rezession in nur vier Jahren und leidet unter den Folgen der Sparpolitik. Nachdem die konservative Regierung unter Ministerpräsident Rajoy weitere Einsparungen angekündigt hatte, war das für die arbeitenden Menschen, Arbeitslosen und Jugendlichen zu viel. Sie erhoben ihre Stimme genau am 100. Tag nach dem Amtsantritt der neuen Regierung. Am Tag nach dem Generalstreik sollten nämlich weitere Kürzungen im Ausmaß von 35 Milliarden Euro (zusätzlich zu den im Dezember 2011 beschlossenen 25 Milliarden) verkündet werden. In jedem Ressort sollten mit der Rasenmähermethode 17% eingespart werden. Weiters sollten die Gas- und Strompreise bis zu 7% steigen.
Durch diese Maßnahmen sollte es außerdem Kürzungen bei den Arbeitsplätzen, Löhnen und keine Lohnerhöhungen im öffentlichen Dienst geben. Weiters sind gesetzliche Änderungen im Arbeitsrecht geplant, die den ChefInnen noch mehr Macht geben würden als diese ohnedies schon haben. Mit den neuen Regelungen könnten sie noch leichter Beschäftigte entlassen, sowie einseitig Arbeitsbedingungen und Löhne verschlechtern. Das Gesamtpaket war also nichts anderes als der Beginn der vollkommenen Zerschlagung des Sozialstaates in Spanien, von dem ca. vier Millionen Arbeitsplätze abhängen. In Anbetracht diese Pläne war der Mehrheit der SpanierInnen klar, dass die Kosten der Krise des Kapitals einmal mehr den arbeitenden Menschen aufgebürdet werden sollten.
Folglich war es nur logisch, dass der größte Streik seit vielen Jahren darauf folgte. Die Gewerkschaft UGT gibt an, dass der Streikaufruf von 77% der Beschäftigten befolgt wurde – in der Industrie sogar von 97%. In der Automobilindustrie (Nissan, Renault, Seat, Ford und VW) ruhte die Arbeit vollständig. In der Nahrungsmittelbranche legten 85% der Beschäftigten die Arbeit nieder. Mobile Streikposten blockierten hier Großmärkte und Transportlager; sie wehrten auch die von der Polizei unterstützten StreikbrecherInnen ab. Selbst 30% der Bankangestellten beteiligten sich am Streik.
Wie wirksam der Streik war, zeigt sich auch daran, dass nach Streikbeginn der Stromverbrauch in ganz Spanien um 20% sank. Auch der Verkehr in weiten Teilen Spaniens ruhte, nachdem Studierende die Zufahrtsstraßen nach Madrid und Barcelona blockierten. In Folge des Streiks wurden die für den nächsten Tag geplanten Budgetberatungen verschoben, um die WählerInnen vor den anstehenden Regionalwahlen nicht noch weiter zu verärgern. Kein Wunder, verlor doch die regierende Volkspartei laut Umfragen seit den nationalen Wahlen bis zu 10% und rutschte in zahlreichen Regionen auf Platz 3 der großen Parteien ab. Am 20.4. wurden schließlich statt der ursprünglich geplanten 35 'nur' 10 Milliarden Euro an Einsparungen beschlossen.
Spanien ist kein Ausnahmefall: Die Anhebung des Pensionsalters, fünfzehnprozentige Lohnkürzungen im Öffentlichen Dienst und andere Maßnahmen ähneln den Plänen der bürgerlichen Regierungen in ganz Europa. Auch Österreich wird hier keine Ausnahme sein. In Anbetracht der aktuellen Situation wird das Kapital erst dann zufrieden sein, wenn Arbeitsbedingungen, Löhne und Sozialleistungen überall auf das absolute Minimum gekürzt wurden und die Profite für die VertreterInnen der herrschenden Klasse wieder auf hohem Niveau sind. Einzig eine Politik, die vollkommen mit der Logik des Kapitalismus bricht, kann das verhindern. Nur dann können Regierungen wieder Geld für die Bedürfnisse der Bevölkerung ausgeben, statt die Zinsen für die Banken zu bedienen, die durch diese ohnedies bereits wieder ein Vielfaches der an die Staaten vergebenen Kredite verdient haben.
Der Generalstreik in Spanien zeigt, welche Angst die Regierenden vor Massenaktionen haben – sonst wären die Kürzungen ohne Verschiebung durchgezogen worden. Aufgeschoben ist aber nicht aufgehoben. Die nächsten Angriffe der Regierung kommen bestimmt. Um deren Umsetzung zu verhindern, braucht es mehr als einen eintägigen Generalstreik – in Spanien und der ganzen EU. Dazu braucht es eine nationale Grenzen überschreitende Massenbewegung unter demokratischer Kontrolle von Aktionskomitees, die von den Beschäftigten in den Betrieben gewählt wurden, und jederzeit abwählbar sind. Und wenn die arbeitenden Menschen verhindern wollen, dass ihre Arbeits- und Lebensbedingungen permanent weiter verschlechtert werden, dann werden sie mit Sicherheit nur KollegInnen in diese Gremien wählen, die bereit sind, für eine Gesellschaft einzutreten, in der die Logik des Kapitals ein für allemal ausgedient hat.