Der Vorstand von Carrefour fordert von seinen Angestellten Glücklichsein

Der Vorstand von Carrefour hat an seine mittlere Führungsebene eine kleine Karte nach Art der Kreditkarten ausgeteilt. JedeR Angestellte mit Führungsfunktion und jedes Mitglied der höheren Leitungsebene dieses multinationalen Konzerns muss sie besitzen. Das Kreditkartenformat erlaubt, sie ständig überall in der Geldbörse mit sich zu führen. Auf dieser Karte sind sieben Gebote vermerkt. Wer Karriere im Unternehmen machen will, muss sie beherrschen. Wir zitieren sie wie folgt, begleitet von unseren Kommentaren:

1. "Ich beziehe gutes Gehalt für die Arbeit, die ich mache"

Carrefour vergisst nur, dass die Gehaltssteigerungen mit den Gewerkschaften ausverhandelt werden! Das erste Gebot dient dazu, Forderungen nach Gehaltserhöhungen zu verhindern und sich mit dem, was man hat, zufrieden zu geben.

2. "Wir respektieren uns gegenseitig"

Fragen wir die KassierInnen und überausgebeuteten MindestlohnempfängerInnen des Unternehmens!

3. "Mein Management unterstützt mich"

Beispiele, bitte! Die ManagerInnen bei Carrefour machen durch höhere Profiten und Rentabilität zu Karrieresprüngen. Ihre Angestellten hingegen sind anpassbare Variablen, die der Präkarisierung unterworfen sind.

4. "Meine Umgebung und meine Arbeitsbedingungen sind gut"

Bei Carrefour ist die Zahl von Arbeitsunfällen und Krankenständen stark gestiegen. Doch das sind sicher nur Einzelfälle ...

5. "Ich habe die Gelegenheit, beruflich weiterzukommen"

Sagen wir das den Filialen von Carrefour in Belgien, wo mehrere Dutzend Beschäftigte von der Schließung betroffen sind. Sagen wir das auch den vielen Angestellten, die sich erzwungenen Veränderungen unterworfen sehen.

6. "Ich bin stolz, in einer tollen Mannschaft zu arbeiten"

Das ist normal: mein Management unterstützt mich, mein Gehalt ist gut, meine Arbeitsbedingungen hervorragend. Welch Glück!

7. "Meine Arbeit erlaubt mir ein Gleichgewicht mit meinem Privatleben"

Das ist der Gipfel. Dienstplanverschiebungen, ständige verlängerte Öffnungszeiten, Ungewissheit, psychischer Druck: davon sind die Familien der Angestellten begeistert!

Wir sehen, dass die neue Methode des Managements von Carrefour einfach ist: Die Angestellten müssen sich selbst davon überzeugen, dass ihr Gehalt gut ist, dass ihrE ChefIn super ist, dass ihre Arbeitsbedingungen ideal sind … Diese Methode ist eine Perversität ohne gleichen. Sie stützt sich auf einen extremen Individualismus, mit dem die Angestellten durch eine schreckliche Indoktrination dazu gebracht werden, sich ihrer Arbeit glücklich zu schätzen.

Auf Wiedersehen, soziale und finanzielle Errungenschaften (auch wenn alles super ist), auf Wiedersehen Gewerkschaft … Carrefour schreckt vor nichts zurück. Diese neue bornierte Gabe zeigt den Kapitalismus in seiner ganzen Herrlichkeit: "Kopf runter und Mund halten!" Die KapitalistInnen verstecken sich nicht mehr: "Wenn man euch sagt, dass ihr glücklich sein sollt, glaubt es, lernt es und seid es!"

Übersetzung: Gerlinde Kosits
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