Über den Arbeitskampf bei FIAT: "Pomigliano beugt sich nicht"

Das Kapital nutzt die Krise für massive Angriffe auf die Arbeits- und Lebensbedingungen der ArbeiterInnenklasse. Doch die ArbeiterInnen lassen sich das nicht widerstandslos gefallen, wie das Beispiel FIAT Pomigliano zeigt.

FIAT ist der Schlüsselkonzern der italienischen Wirtschaft. Die weltweite Krise der Autoindustrie ist aber auch am Turiner Paradebetrieb nicht spurlos vorbeigegangen. Über Monate drohte die Konzernleitung mit der Schließung von zwei Produktionsstätten in Italien. Immer wieder genannt wurde dabei das FIAT-Werk in Pomigliano d'Arco, in der Nähe von Neapel. Doch plötzlich liegt ein neuer Plan auf dem Tisch. FIAT will doch in Italien bleiben und sogar die Produktion ausweiten. Der FIAT Panda, eines der bestverkauften Modelle des Hauses, soll in Zukunft nicht mehr in Polen sondern in Pomigliano vom Band laufen. Investitionen in der Höhe von 750 Millionen Euro verspricht der Konzern.

Doch die Freude unter den ArbeiterInnen von Pomigliano ist trotzdem enden wollend. Hinter der neuen Konzernstrategie steckt nämlich eine ganz unverhohlene Erpressung. Die Botschaft der FIAT-Bosse lautet: Wir kaufen weiterhin eure Arbeitskraft, aber im Gegenzug wollen wir, dass ihr billiger werdet.

Über mangelnde Unterstützung muss sich FIAT nicht beklagen. WirtschaftsexpertInnen und PolitikerInnen (der Rechtsparteien aber auch der PD) eilen dem Konzern seit Tagen zu Hilfe und liefern die nötigen Argumente: Die Krise auf dem Automobilmarkt, die zunehmende Konkurrenz durch Billiglohnländer lassen diese "bequemen" Arbeitsbedingungen, wie sie in Italien vorherrschen, nicht mehr zu. In Zeiten der Krise müssten alle den Gürtel enger schnallen. So nebenbei sei erwähnt, dass ein Großteil der Gewerkschaftsspitzen diesen Plan ebenfalls befürwortet. Da gibt es aber doch noch eine Kraft, die diesen Damen und Herren einen Strich durch die Rechnung machen will: Die linke MetalllarbeiterInnengewerkschaft FIOM.

Die Erpressung

In Pomigliano geht es mittlerweile mehr als nur um die Herstellung des Panda und den Fortbestand von 5.000 Jobs im Werk bzw. 10.000 Jobs, wenn die Zulieferindustrie in der unmittelbaren Region mitgezählt wird. Dieser Konflikt wird immer mehr zu einer Entscheidungsschlacht, in der auf dem Spiel steht, ob die Arbeitsbedingungen in der gesamten italienischen Industrie auf das Niveau der 1960er Jahre zurückgeschraubt werden oder nicht. Die Forderungen von FIAT widersprechen dabei den Bestimmungen des nationalen Kollektivvertrages (CCNL), dem "statuto dei lavoratori" (eine der größten Errungenschaften des Heißen Herbsts 1969), dem Recht zu streiken, der EU-Richtlinie zum Arbeitsschutz und selbst der italienischen Verfassung. Was also will FIAT von den ArbeiterInnen von Pomigliano:

  • eine Arbeitswoche, wo der Samstag als normaler Arbeitstag gilt und ohne Wochenendzuschlag ausbezahlt wird
  • Verpflichtung zur Überstundenleistung, die das Dreifache der Regelung im CCNL ausmachen würde
  • Möglichkeit zu Abweichungen von den gesetzlichen Bestimmungen über das Recht auf Pausen und Erholphasen für SchichtarbeiterInnen
  • Verkürzung der Pausenzeiten
  • Abweichung von der entsprechenden EU-Richtlinie, die eine halbstündige Pause zur Hälfte von Schichtdiensten, die länger als 6 Stunden dauern, vorsieht
  • Möglichkeit in der halbstündigen Pause, in der die Kantine besucht werden kann, Überstunden anzuordnen
  • Streichung aller bisher abgeschlossenen Betriebsvereinbarungen
  • Möglichkeit Organisationen, die einen Streik ausrufen, zu sanktionieren
  • individuelle Arbeitsverträge statt dem derzeitigen nationalen Kollektivvertrag
  • Möglichkeit zu Disziplinarmaßnahmen gegen Streikende bis hin zu Entlassungen, was dem Artikel 40 der italienischen Verfassung widerspricht
  • und die Möglichkeit die Normen des Kollektivvertrags bezüglich der Bezahlung des Krankenstands nicht anwenden zu müssen

Mit anderen Worten: Die Bürgerlichen wollen den Kollektivvertrag vollständig aushebeln, das Streikrecht für null und nichtig erklären und der Gewerkschaft als Kampforganisation ein Ende setzen. Begleitet wird das Ganze von einer Hetzkampagne gegen die angeblich privilgierten FIAT-ArbeiterInnen. Selbst Epifani, der Vorsitzende des linken Gewerkschaftsdachverbandes CGIL, fällt der FIOM und den ArbeiterInnen von Pomigliano in den Rücken, indem er den Konzernplan damit rechtfertigt, dass in vielen Fabriken die Arbeitsbedingungen schon heute weit schlechter seien. Doch auch in Pomigliano haben die ArbeiterInnen in den letzten Jahren schon etliche Opfer gebracht. Während FIAT Rekordprofite einstreifte, mussten sie schon 2003 einem Abkommen zustimmen, das eine massive Erhöhung des Arbeitstempos, eine Flexibilisierung der Arbeitszeit und Produktivitätserhöhungen beinhaltete. BetriebsrätInnen wurden entlassen, kämpferische ArbeiterInnen wurden in eigenen Abteilungen isoliert usw.

Die sozialpartnerschaftlich ausgerichteten, in Wirklichkeit schon gelben "Gewerkschaften" Fim-Uilm-Ugl und Fismic tragen den aktuellen Plan voll und ganz mit. Sie haben mit der Konzernleitung bereits ein Abkommen unterschrieben und wollen am 22. Juni 2010 eine Abstimmung unter der Belegschaft organisieren, um diesem Frontalangriff einen demokratischen Anstrich zu geben. Sie wollen der Öffentlichkeit zeigen, dass die Mehrheit der betroffenen ArbeiterInnen ohnedies zu solch weitreichenden Zugeständnissen bereit sei und die "extremistische" FIOM nur eine Minderheit repräsentiert. In Wirklichkeit wird den ArbeiterInnen in der Wahlzelle mit der Drohung des Arbeitsplatzverlusts die Pistole angelegt. "Friss oder stirb!" – das ist die Alternative bei diesem Referendum.

Die FIOM hat diese Vorgangsweise der anderen "Gewerkschaften" zurecht scharf kritisiert und boykottiert diese Scheinabstimmung. Im Gegenzug hat sie mit ersten Mobilisierungen begonnen. Erster Höhepunkt sind am 25. Juni ein achtstündiger Streik und eine Großdemonstration in Neapel sowie eine BetriebsrätInnenkonferenz der gesamten FIAT-Gruppe.

Die marxistische Strömung "FalceMartello" hat mehrere AktivistInnen im Werk von Pomigliano, die eine zentrale Rolle in der Betriebszelle der Rifondazione Comunista und der Betriebsgruppe der FIOM spielen. Sie arbeiten darüber hinaus am Aufbau einer Vernetzung aller Krisenbetriebe beginnend bei den Zulieferbetrieben der Region und dem ganzen Industriezentrum von Pomigliano. Ihr Ziel ist ein von allen Bevölkerungsschichten unterstützter Streik der gesamten Region gegen die Erpressung durch FIAT. Weiters propagieren sie eine landesweite BetriebsrätInnenkonferenz der FIOM, in der die Frage des Arbeitskampfes in Pomigliano im Zentrum der Debatte stehen soll.

FIAT spielte in den letzten 100 Jahren immer wieder eine Vorreiterrolle bei der Festlegung der Arbeitsbedingungen in der italienischen Wirtschaft. Das war so in der Phase des aufsteigenden Faschismus, in den unmittelbaren Nachkriegsjahren, als FIAT ein extrem repressives Regime gegen die in der antifaschistischen Widerstandsbewegung massiv erstarkte kommunistische Gewerkschaft etablierte, und das galt ab 1980, wo mit der Niederschlagung des FIAT-Streiks der Weg für die Prekarisierung und Flexibilisierung der Arbeitswelt in den folgenden drei Jahrezehnten geebnet wurde.

In Pomigliano geht es heute um die Arbeitsbedingungen der ArbeiterInnen in ganz Italien. Dies erklärt auch die große Solidarität, die sich in diesen Tagen in den Fabriken von Turin-Mirafiori bis Termini Imerese, von Ferrari in Modena bis zum Stahlwerk ILVA in Taranto manifestiert. Überall sagen sich die bewussten ArbeiterInnen: "Wir alle sind ArbeiterInnen von Pomigliano!". Und in Pomigliano macht ein Spruch die Runde: "Pomigliano non si piega! – Pomigliano beugt sich nicht!"

Mittlerweile sind die Stimmzettel des Referendums über die Annahme oder Ablehnung des Plans der FIAT-Konzernleitung ausgezählt. 2.888 KollegInnen haben für den Plan und somit für den Erhalt der Jobs und die Verschlechterungen gestimmt. 1.673 haben mit NEIN gestimmt. Es sind diese KollegInnen, die sich nicht erpressen ließen, die die Grundlage dafür gelegt haben, dass die besten Traditionen der italienischen ArbeiterInnenbewegung weiterleben können. Von vielen werden sie bereits mit den PartisanInnen der antifaschistischen Resistenza verglichen.

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