Massenstreiks in Griechenland

Die Regierung schnürt Kürzungspakete, die Lohnabhängigen antworten mit Streiks und Demonstrationen.

Nachdem Anfang Oktober 2009 Parlamentswahlen die sozialdemokratische PASOK an die Macht gebracht hatten, war die unmittelbarste und wichtigste Aufgabenstellung klar: Das galoppierende Staatsdefizit von 2009, das über 12% des Bruttoinlandsprodukts ausmachte, unter Kontrolle zu bringen. Nun sind dafür eigentlich nur zwei grundsätzliche Lösungsmöglichkeiten denkbar.

Die erste wäre, die Krise von denen bezahlen zu lassen, die sie verursacht haben. Ein wichtiger Schritt wäre hier etwa die Verstaatlichung der wichtigsten Banken des Landes, die Staatsanleihen in Höhe von etwa 30 Milliarden Euro halten. Das nötige Geld bekommen sie bei der europäischen Zentralbank für ein Prozent Zinsen und verleihen es dem griechischen Staat für im Moment zwischen fünf und sieben Prozent weiter – das Ganze dank dem EU- Rettungspaket sogar noch ohne jegliches Risiko.

Die PASOK-Regierung um Ministerpräsident George Papandreou wählte jedoch die zweite Möglichkeit: sich den Regeln der "internationalen Finanzmärkte", sprich dem Kapitalismus, zu unterwerfen. Groß angelegte Angriffe auf den Lebensstandard der griechischen ArbeiterInnenklasse waren und sind die Folge.

Aus bürgerlicher Sicht wurden alle Register gezogen: So wurde zum Beispiel die Mehrwertsteuer im März von 19 auf 21 Prozent erhöht, die Gehälter der Staatsbediensteten werden schrumpfen, ihr 14. Monatsgehalt gestrichen, Pensionen sinken und Massensteuern steigen. Auch die Löhne in der Privatwirtschaft sollen sinken, um die griechische Wirtschaft wieder "wettbewerbsfähiger" zu machen und damit den weltweiten Kapitalismus vor seiner nächsten (Vertrauens-)Krise zu bewahren.

Widerstand

Solchen Perspektiven will und kann die griechische ArbeiterInnenklasse nicht tatenlos ins Auge blicken. Schon zu Beginn des Jahres häuften sich Streiks, so traten am 10. Februar die Beschäftigten im öffentlichen Dienst in den Ausstand, um gegen das Einfrieren von Grundgehältern und die Streichung von Sonderzulagen zu protestieren.

Zwei Wochen später, am 24. Februar, lähmte dann ein erster 24stündiger Generalstreik das Land. Die Beteiligung war vor allem in den großen Industriebetrieben und im öffentlichen Dienst sehr hoch. So nahmen die ArbeiterInnen in allen Raffinerien sowie in Schifffahrt und Schiffbau quasi geschlossen teil.

Von den Beschäftigten in kleineren und mittleren Unternehmen, vor allem im privaten Dienstleistungssektor, gingen jedoch viele aus Angst vor dem Verlust ihres Jobs zur Arbeit. In Athen protestierten etwa 50.000 Menschen, die sich ihrer Lage durchaus bewusst waren. Folglich lauteten Slogans im Demonstrationszug etwa "Keine Illusionen mehr, entweder das Kapital oder die Arbeiter" und "Die Plutokratie muss für die Krise zahlen".

Die nächste große Runde der Auseinandersetzungen fand Anfang März statt. Nach der Ankündigung eines groß angelegten Sparpaketes streikten FluglotsInnen, JournalistInnen, BeamtInnen und LehrerInnen; der öffentliche Verkehr kam nahezu zum Erliegen und auch die staatlichen Radio- und Fernsehsender wurden bestreikt. Im Zuge der Demonstrationen zu diesen Streiks wurde Manolis Glezos durch einen Tränengasangriff der Polizei verletzt. Der 88jährige ist ein Held des Widerstands gegen die Nazibesatzung und wurde vor allem dadurch bekannt, dass er 1941 die Hakenkreuzflagge von der Akropolis riss.

In einer durch diese Ereignisse aufgeheizten Stimmung fand am 11. März ein weiterer Generalstreik statt. Die Beteiligung an diesem Streik war noch größer als im Februar, die Gewerkschaft des öffentlichen Dienstes etwa gibt sie für ihren Sektor mit 90% an. Wiederum zogen zehntausende durch die Straßen Athens und anderer Städte.

Perspektiven

Was jedoch bisher fehlte, waren klare Perspektiven der Gewerkschaftsführung und der beiden linken Oppositionsparteien (KKE und SYRIZA) wofür denn der Kampf zu führen sei. Sie beschränkten sich im Großen und Ganzen auf die bloße Ablehnung der Sparpakete und versäumten es, eigene Forderungen zu formulieren, die einen Ausweg aus der Krise aufzeigen, wie etwa die Verstaatlichung der Großbanken unter ArbeiterInnenkontrolle, um der weit verbreiteten Korruption entgegenwirken zu können.

Dies ist jedoch notwendig um den Kampf zu gewinnen. Die Regierung hat sich den Regeln des Kapitalismus unterworfen und wird deswegen auch weiterhin Angriffe auf die Interessen der ArbeiterInnen fahren müssen, um die Schuldenberge wenigstens halbwegs unter Kontrolle zu bekommen. So wurden jüngst Privatisierungen von mehreren Staatsunternehmen angekündigt.

Doch auch die Lohnabhängigen können nicht endlos schmerzhafte Einschnitte hinnehmen. Diese Kombination macht ein fertiges Rezept für erbitterte und anhaltende Klassenkämpfe aus. Am 22. April, während der Produktion dieser Zeitung, folgten 10.000 Menschen dem Aufruf der Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes zu einem 24stündigen Streik. Ein weiterer Generalstreik ist ebenfalls noch für April geplant. Das griechische Beispiel zeigt in zugespitzter Form, welche neue Situation in den nächsten Jahren in Europa und auf der ganzen Welt auf die ArbeiterInnenklasse zukommen wird: Um mit der Krise fertig zu werden und den Kapitalismus zu retten, muss das BürgerInnentum Angriffe auf die Lebensgrundlagen und in langen Jahren erkämpften Rechte der Lohnabhängigen in ungeahntem Ausmaß durchführen. Damit wir uns dagegen effektiv wehren können, müssen wir Forderungen zur Bekämpfung der Krise in unserem Interesse aufstellen – etwa mit Staatsschulden spekulierende Banken unter ArbeiterInnenkontrolle zu verstaatlichen – und damit letztlich den Kapitalismus selbst in Frage stellen.

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