"Um die Küche kümmerten sich die Männer..."

Interview mit Bruna Frizzo, Giusi De Giuseppe und Emida Caspani, Aktivistinnen der Gruppe "Officina Donna - l'altra metà della Resistenza", über die Rolle der Frauen während des Arbeitskampfs

Wann ist die Gruppe "Officina Donna - Die andere Hälfte des Widerstands" gegründet worden?

Das war während dem Streik der Officine in Bellinzona im März 2008. Anfangs waren es Arbeiterinnen der Officine und Ehefrauen von Kollegen. Wir starteten unsere Initiative nachdem wir bei einer Gesprächsrunde bemerkten, dass wir alle mehr oder weniger die selben Emotionen in diesem Streik durchleben. In der Nacht konnten wir nicht schlafen, der Haushalt blieb liegen, und wir wollten in erster Linie unseren Männern beiseite stehen. Unser Anliegen war es die Soli-Kampagne zu organisieren. Wir versuchten dann auch die Arbeiter zu überzeugen, dass sie ihre Frauen zu unseren Treffen gehen lassen sollen – was anfangs keine Selbstverständlichkeit war.

Worin bestand die Rolle der Frauen während des Kampfes?

Die Betriebsbesetzung war extrem gut organisiert. Um die Küche kümmerten sich die Männer. Wir Frauen gingen anderen organisatorischen Fragen nach: Öffentlichkeitsarbeit, Flugzettel verteile, Spendensammlungen. Eine Kollegin besorgte Puppen, die während des Bosnien-Kriegs von Frauen aus Sarajewo hergestellt wurden, die verkauften wir dann für den Streikfonds. Außerdem organisierten wir Konzerte und Lesungen. Weiters hielten wir Tage der offenen Tür ab, wo wir die Bevölkerung informierten und einbezogen. Bis zu 1000 Menschen nahmen an diesen Versammlungen teil. Die Solidaritätsbekundungen waren gewaltig. Ganze Schulen besuchten uns, von anderen Fabriken kamen Solidaritätsdelegationen.

Die Gruppe Officina donna ist auch nach dem Kampf aktiv geblieben?

Nach dem siegreichen Ende unseres Kampfes haben wir ein Theaterstück geschrieben. Jede von uns hat ein Stück verfasst: über die Beziehung zwischen uns Müttern und unseren Kindern, über die Art wie sich unser Familienleben veränderte. Die Geschichte wird aus der Sicht einer alten Frau erzählt, die 40 Jahre später auf den Streik in der Officina zurückblickt. Das Stück hat große Debatten ausgelöst und war für uns ein Anreiz uns noch stärker an die Öffentlichkeit zu wenden. Am 1. Mai verteilten wir ein Flugblatt mit dem Slogan "Die Krise zahlen vor allem wir Frauen". Wir spüren ganz besonders die Arbeitslosigkeit, die Prekarisierung, die niedrigen Löhne. Unser Kampf für eine bessere Gesellschaft geht weiter.

Welche Lehren zieht Ihr aus Euren Erfahrungen?

Nach dem Kampf haben einige Frauen wieder einen Schritt zurück gemacht. 15 von uns sind noch heute aktiv. Unsere Aufgabe sehen wir darin Fragen der Arbeitswelt mit jenen, die unmittelbar Frauen betreffen, zum Thema zu machen, und wir wollen anderen Frauen zeigen, dass dass es sich lohnt zu kämpfen. Wir kämpfen weiter.

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