ArbeiterInnenmacht gegen “Power 8”: Internationaler Arbeitskampf bei Airbus/EADS

Beim europäischen Flugzeughersteller Airbus, eines der Tochterunternehmen des Eurofighter-Herstellers EADS, soll ein gewaltiges "Sanierungsprogramm" auf dem Rücken der Beschäftigten durchgezogen werden. Die ArbeiterInnen sind spontan in den Kampf getreten. Welche Perspektiven hat der Arbeitskampf bei diesem Leitbetrieb des EU-Kapitalismus?

EADS ist nach Boeing der zweitgrößte Luft- und Raumfahrtkonzern der Welt und stellt auch den Grundpfeiler der europäischen Rüstungsindustrie dar. Der Konzern entstand im Jahr 2000 aus einer Fusion der deutschen DASA (DaimlerChrysler Aerospace), der französischen Aérospatiale-Matra und der spanischen CASA (Construcciones Aeronáuticas S.A.). Ziel dieser Unternehmensgründung war der Versuch, im internationalen Konkurrenzkampf mit den US-Konzernen der Branche standhalten zu können. Aufgrund der hohen Kapitalausstattung, die diese Industrie benötigt, und angesichts der Fusionswelle unter den US-amerikanischen Konkurrenten musste eine über die EU-Nationalstaaten greifende Lösung gefunden werden. Der damalige deutsche Wirtschaftsminister Rexrodt (FDP) sagte 1996: "Die Airbus-Industrie und deren Partner müssen so schnell wie möglich eine optimale Struktur beschließen, die es der Airbus-Industrie erlaubt, ihren amerikanischen Wettbewerbern als ein mächtiges integriertes europäisches Unternehmen gleichzukommen."

Wirtschaftliche Performance

Airbus wiederum ist eine Art Rückgrat des EADS-Konzerns. Durch das Projekt Airbus 380, dem größten Passagierflugzeug der Welt, geriet das Unternehmen 2006 aber in die roten Zahlen. Prinzipiell ist Airbus aber ein profitables Unternehmen und die Geschäftsbücher sind über 5 Jahre hinaus randvoll.

Seit dem Höhepunkt im Jahr 2002 sinken die Renditen bei EADS, auch wenn im Vergleich zum Gründungsjahr die jährlich ausgeschütteten Dividenden heute sechsmal höher liegen. Im Vergleich zu vielen anderen europäischen Industriekonzernen ist der Anteil der Personalkosten an den gesamten Produktionskosten steigend (+4% seit dem Jahr 2000). Dies liegt wohl daran, dass EADS/Airbus fast zur Gänze in Frankreich, Deutschland und Spanien aber nicht in Billiglohnländern produziert. Durch den starken Europäischen Konzernbetriebsrat wurde selbst an den deutschen Standorten das dort sonst übliche Lohndumping abgewehrt.

Diese Situation ist auf die Dauer für die Kapitaleigentümer bei EADS nicht tragbar. Das jetzige "Sanierungsprogramm" ("Power 8") entspringt also der Logik der Kapitalinteressen. Mit dem eigentlich vom Management verursachten Fehlschlag beim Airbus 380 war die Ausrede für die längst fälligen Angriffe auf die Beschäftigten gefunden. Worin liegt dieses Versagen des Managements? Im Zuge der Privatisierung unter der Präsidentschaft von Lionel Jospin (SP) im Jahre 1998 erklärten sich die privaten Investoren nur zum Kauf bereit, wenn der Airbus 380 in 4 Jahren produziert würde. Was angesichts der sonst üblichen Produktionsdauer für ein Flugzeug dieser Art völlig unrealistisch war. Dies entsprach aber dem Zwang des Privatkapitals, dass sich die getätigten Investitionen schnellst möglich amortisieren sollen.

Als sich 2005 herausstellte, dass sich die Fertigstellung verzögern würde, verkaufte etwa Lagardère, der größter Waffenproduzent und Pressebaron Frankreichs, gezielt seine Anteile am Airbus und hatte dadurch sein Kapital in 7 Jahren um das 26fache vermehrt!

"Power 8"

Airbus beschäftigt insgesamt mehr als 54.000 MitarbeiterInnen. Allein beim Hauptwerk im französischen Toulouse kommen rund 40.000 Beschäftigte in 3.000 Subunternehmen dazu, die rein für Airbus (und meist auch in den selben Produktionsanlagen) arbeiten. Die ArbeiterInnen in den Subunternehmen und die LeiharbeiterInnen haben aber nicht die selben Löhne und Sozialstandards.

Die Personalkosten sind der große Ansatzpunkt für das Management (2 Mrd. pro Jahr). Abgesehen von kosmetischen "Einsparungen" an der Spitze (so verdient der oberste EADS-Chef "nur" noch 15.000 Euro monatlich) soll vor allem bei den kleineren Subunternehmen und den LeiharbeiterInnen massiv gekürzt werden. Bei den Kernbelegschaften soll die Wochenarbeitszeit von 35 auf 40 Stunden erhöht werden.

Und es sollen Produktionsstandorte in Russland und China aufgekauft werden, um die "teuren" Arbeitsplätze in Frankreich und Deutschland ersetzen zu können. Sobald die Produktionsketten verlagert wurden und dadurch auch die Macht der ArbeiterInnen an den traditionellen Standorten sinkt, weil sie nicht mehr selbst die Produktion so leicht lahm legen können, wird es wohl auch an die Interessen der Stammbelegschaften gehen.

Reaktion der Regierungen

Der Sektor ist natürlich von enormem strategischem Interesse. Dementsprechend hoch sind auch die Subvention aus öffentlichen Geldern, die in die Taschen privater KapitaleigentümerInnen fließen. Damit werden sehr profitable Rahmenbedingungen geschaffen. Allein Daimler gab kürzlich bekannt, dass es aus seinem Anteil an EADS 2006 einen Gewinn von 649 Mio. Euro erzielt habe.

EADS verfügt über hervorragende Beziehungen in die Politik und erfreut sich direkter Verbindungen ins deutsche und französische Verteidigungsministerium. Mit der unter dem SPD-Minister geschaffenen "Gesellschaft für Entwicklung, Beschaffung und Betrieb" hat die EADS einen direkten Kanal zu den Entscheidungsinstanzen bezüglich Anschaffungen in der deutschen Bundeswehr. Im parlamentarischen Untersuchungsausschuss zum Eurofighter mehren sich die Indizien, dass der EADS-Konzern auch die notwendigen Wege (bis hin zu Korruption) fand, um die österreichische Bundesregierung für sich zu gewinnen.

Die nationalen Regierungen setzen sich nun in Szene bei der Rettung der "heimischen Arbeitsplätze". Dabei wird seitens mehrerer französischer Regionalregierungen sogar die Diskussion geführt die staatlichen Anteile zu erhöhen. In Frankreich ist Airbus längst zum Wahlkampfthema geworden. Der Konflikt wächst sich zu einem Streit zwischen Berlin und Paris über die Vormachtstellung im EADS-Konzern aus.

Spontane Streiks

Als die Konzernleitung die ersten Details des Sanierungsprogramms (Werkschließungen und Verlust von rund 10.000 Arbeitsplätzen) bekannt gab, kam es in Deutschland und Frankreich zu spontanen Arbeitsniederlegungen und Blockaden der Werkstore. Betriebsräte in den betroffenen Standorten sprachen davon, dass die Stimmung unter den KollegInnen "seit gestern nicht mehr brodelt - sie kocht allmählich über". Bei einem ersten internationalen Aktionstag am 2. Februar beteiligten 24.500 ArbeiterInnen. Der Ruf wurde laut, man müsse jetzt "richtig streiken".

Die Beschäftigten können sich auch der Solidarität der Bevölkerung sicher sein. Sowohl in Toulouse wie auch an deutschen Standorten gab es dahingehend bereits eine Vielzahl an Beispielen. Die Airbus-Standorte sind in ihrer Region oft die einzigen relevanten Großbetriebe. Mit der Schließung solcher Werke würden ganze Städte und Regionen in die Krise schlittern. Man denke nur an die Entwicklung in der Stahlindustrie in Lothringen oder an den Film von Michael Moore über Flint nach dem Zusperren der Autoindustrie (“Roger and me”).

Rolle der Gewerkschaften

Die Gewerkschaften stellten sich zwar an die Spitze des Protests, aber gleichzeitig lehnen sie das Sanierungsprogramm auf dem Rücken der ArbeiterInnen nicht prinzipiell ab. Ein IG Metall-Sprecher meinte am 24. Februar im Gleichklang mit CDU-Kanzlerin Merkel: "Eine gleiche Verteilung der Belastungen und der Zukunftschancen auf die Standorte in Deutschland und Frankreich sei auch die Linie der Gewerkschaft".

In Frankreich verfügt vor allem die Force Ouvriere (FO) über eine starke Verankerung in der Belegschaft (und gute Kontakte zur Konzernleitung). Die Führung der FO setzt voll und ganz auf Standortlogik und kündigte mit nationalistischen Parolen die Blockade der Fertigung in französischen Werken an. FO-Betriebsräte wollen nun beweisen, dass "ihre Standorte" produktiver sind als die deutschen und der Rotstift östlich des Rheins angesetzt werden müsse. In Wirklichkeit akzeptieren sie mit dem Argument produktiver zu sein aber die Logik des Kapitals und werden die Sanierung auf Kosten der ArbeiterInnen mittragen.

Ein viel stärkeres Klassenbewusstsein scheint jedoch bei der Basis vorzuherrschen. Beim Aktionstag am 6. März sagte etwa ein französischer Kollege aus Saint-Nazaire:  "Es gibt hier in der Fabrik in Saint-Nazaire Deutsche, alle sind überall. Man kann nicht die Lohnabhängigen eines Landes gegen die des anderen ausspielen und dabei vergessen, welche Rolle die Großen spielen, die untereinander um den Gewinnanteil Krieg führen."

Gegen die von oben (und von den Gewerkschaftsspitzen unterstützte) betriebene Spaltung der Airbus-Belegschaft hilft nur eins, wie der führende Aktivist der marxistischen Strömung “La Riposte” Hubert Prevaud, der auch CGT-Betriebsrat bei Airbus in Toulouse ist, feststellte: “die Herstellung einer Aktionseinheit über alle Ländergrenzen, alle Standorte und alle Gewerkschaften hinweg.”

Während die IG Metall etwa einen Kampf der kleinen Schritte plant, braucht es nun eine große, schlagkräftige Mobilisierung. Der europäische Aktionstag am 16 März müsste dieses Ziel haben.

Streiks, Betriebsbesetzungen, die Blockade von Maschinen und Massendemonstrationen, die von der gesamten ArbeiterInnenbewegung und der lokalen Bevölkerung unterstützt würden, sind jetzt notwendige Aktionsformen. Es braucht aber auch eine politische Alternative zum Sanierungsprogramm. Die von der SP geforderte Erhöhung des staatlichen Anteils bei Airbus geht am Kern des Problems vorbei, vor allem wenn das Sanierungsprogramm akzeptiert wird. Das ist rein ein Vorschlag zur Verstaatlichung der Verluste, damit sich die privaten Aktionäre weiterhin eine goldene Nase verdienen können. "Power 8" muss ohne Wenn und Aber abgewehrt werden. Die Luftfahrtindustrie muss  unter der Kontrolle der Gewerkschaften und der Beschäftigten verstaatlicht werden.

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