QuerHerumBetrachtet: SPÖ = SYRIZA = SPÖ?
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- Erstellt am Freitag, 06. Februar 2015 08:03
- von Axel Magnus, Betriebsratsvorsitzender SDW
Wenn wir uns fragen, was die beiden im Titel genannten Parteien gemeinsam haben, dann werden wir wohl gleich sagen: Nichts – zumindest auf den ersten Blick. Wenn wir aber eine Zeitmaschine hätten, dann wäre das ganz anders. Und wenn wir zweimal hinschauen, dann finden wir sogar heute eine ganze Reihe Gemeinsamkeiten.
Veranlasst zu diesen Gedanken hat mich die Formulierung „Und auch die jüngsten Wahlen in Griechenland … bestärken uns darin, mit linker, fortschrittlicher und solidarischer Politik können wir die Menschen für uns gewinnen.“ im letzten Schreiben der SPÖ Wien an ihre Mitglieder (Anfang Februar 2015) . Ich kann mich diesen Worten nur aus vollem Herzen anschließen. Nur die „linke“ Politik kann ich leider nicht erkennen, sosehr ich mich auch bemühe.
Auf den ersten Blick erscheint SYRIZA weitaus radikaler, wenn wir z.B. ihre Forderungen betrachten. So fordert die neue griechische Regierung z.B. Änderungen am EU-Schuldenregime, um Finanzmittel im Sinne der vom Sozialabbau im Lande geplagten Menschen frei zu machen. Der österreichische Bundeskanzler hingegen drückt zwar in schönen Worten seine Solidarität mit den griechischen Massen aus, betet dann aber das merkel’sche Mantra „Schulden müssen bezahlt werden“ nach bzw. formuliert dieses auf das gut österreichische „Strenge Rechnung – gute Freunde“ um.
Auf den zweiten Blick akzeptieren beide Regierung die von der (neo)konservativen Mehrheit in der EU diktierte Sparpolitik und versuchen sie schönzufärben, indem sie bestimmte Worte vermeiden. So hat es z.B. der neue griechische Finanzminister ausgedrückt, als er begründete, warum die griechische Regierung keinen Schuldenschnitt mehr fordert. Tatsächlich sind das aber keine anderen Worte, sondern es geht um einen anderen Inhalt. Die Verlängerung der Laufzeit von Anleihen oder niedrigere Zinsen sind ganz etwas anderes als eben eine Verringerung der tatsächlichen Schulden.
Die SpitzenpolitikerInnen der SPÖ sind seit langem Weltmeister darin, schöne Worte für Inhalte zu finden, die sie in Wahlkämpfen ablehnen oder sogar prinzipiell falsch finden. Nein, wir privatisieren nicht. Wir gliedern nur aus in Österreich. Wir gründen aus. Wir machen Public Private Partnerships, weil „sonst so vieles nicht machbar wäre“. Das böse Wort „Privatisierung“ darf selbstverständlich nicht verwendet werden. Aber was bitte ist es anderes, wenn private KapitalgeberInnen die Kontrolle über diese Betriebe und Einrichtungen haben, wenn selbst Unternehmen, die sich noch im öffentlichen Besitz befinden z.B. nach der Logik des Aktiengesetzes funktionieren müssen, da sie eben in eine AG umgewandelt wurden?
Beide Parteien sind sich in ihrer Rhetorik also gleich darin, dass es nichts gibt, was es nicht geben darf. Und um das zu beweisen, werden halt die Dinge, die es nicht geben darf, mit anderen Namen belegt.
Kommen wir aber kurz zu unserer Zeitmaschine. War die SPÖ immer gegen Schuldenschnitte? Nein. In den 1930ern war es eine klassische Forderung der Sozialdemokratie, die Streichung von Schulden zu fordern, wenn das private Kapital den vergebenen Kredit durch die Rückzahlung schon zurückbekommen hat. Mit Zins und Zinseszins bekommen heute Banken von Griechenland in der Regel ein Vielfaches der Summe zurück, welche sie als Kredit vergeben haben. Jetzt werden manche sagen: Das waren ganz andere Zeiten. Das kann doch mit heute wirklich nicht verglichen werden.
Naja … Sind die Bedürfnisse der Menschen heute wirklich so anders als die in den 1930ern? Wenn wir einmal von der Qualität und der Fülle an Produkten absehen, so sind diese eigentlich noch immer die gleichen. Ein Job, von dem mensch gut leben kann. Eine menschenwürdige Arbeit ohne Ausbeutung. Bildungs-, Gesundheits-, Sozial- und Kulturangebote, die den Menschen zu mehr als einer Arbeitsmaschine machen. Gutes und gesundes Essen und Trinken. Spaß. Glück. Liebe. Aus dieser Perspektive betrachtet, reduzieren sich die Unterschiede weitestgehend gegen Null.
Und dementsprechend reduzieren sich auch die Argumente, warum heute politisch alles anders und ganz neu und natürlich viel besser gemacht werden muss, auf das was sie sind: Intellektuelle Nullen. Nicht alles, was neu ist, ist auch gut (oft im Gegenteil). Und manchmal können wir aus der Vergangenheit ganz schön viel lernen. So auch aus dem Roten Wien, das wirklich ernsthafte Vermögenssteuern eingeführt hat. Und damit konnten Bildungs-, Gesundheits-, Sozial- und Kulturangebote, Wohnungen, Arbeitsplätze, Arbeitsbedingungen und vieles mehr geschaffen werden, die es in der damaligen Zeit mit der ganzen Welt aufnehmen konnten. Und diese SPÖ ist weit, weit links von der heutigen SYRIZA gestanden. Damit konnte sie die Menschen tatsächlich für sich gewinnen – und das wäre auch heute wieder so!
Aber auch damals war nicht als Rot, was so aussah. Die damalige Sozialdemokratie griff die Wurzel des Übels – unser kapitalistisches System, das den Profit statt des Menschen in den Mittelpunkt stellt – nur in Worten statt in Taten an. Heute ist das schon lange nicht mehr der Fall, auch wenn es in internen Diskussionen und Sonntagsreden wieder immer öfter vorkommt. Noch heute wie damals gilt, dass der Mensch im Mittelpunkt von Politik stehen müsste und nicht der Profit. Doch das wird nur möglich sein, wenn das Profitsystem als solches überwunden wird. Und auch bei diesem Thema sind sich SPÖ und SYRIZA einig: Ein Sturz des Kapitalismus steht bei beiden nicht auf der Tagesordnung – sie wollen diesen bestenfalls menschenwürdiger gestalten.
Diese Ausführungen sollen nicht dazu führen, dass wir nicht mehr erkennen, dass mit dem Wahlsieg ein großes Fenster für eine Politik im Sinne der arbeitenden Menschen aufgegangen ist. Dieses gilt es zu nutzen. Allerdings werden weder die SPÖ, noch die SYRIZA oder irgendeine andere der ArbeiterInnenparteien mit ihrer derzeitigen Politik eine solche Perspektive mit Leben erfüllen können. Die breiten Massen haben die Geduld mit jenen Parteien verloren, die alles versprechen und in der Praxis in Anbetracht der angeblichen Sachzwänge nichts halten. Solange sie sich diesen unterordnen, werden sie nur einmal mehr den Boden für die politische Rechte bereiten (siehe Pegida). Und das ist in Wirklichkeit bereits auf den ersten Blick erkennbar. Wenn diese Parteien eine Zukunft haben wollen, müssen sie zuerst all ihre Verbindungen mit dem Kapital kappen und v.a. die Illusion über Bord werfen, dass dieses System reformierbar sei. Und sie müssen den Kampf für eine neue Welt mit den Menschen statt für diese führen. Sonst werden, die Menschen, die sie mit „linker Politik“ gewinnen wollen, ganz schnell gegen diese Parteien kämpfen. Aus heutiger Sicht können wir nur hoffen, dass sie das tatsächlich mit einer linken Perspektive machen werden!