Angriffe auf Arbeitsbedinungen und Kollektivverträge

In den letzten Wochen scheiterten in einer Branche nach der anderen die Kollektivvertragsverhandlungen. Besonders betroffen sind die Beschäftigten im Sozial- und Gesundheitsbereich, die direkt die Einsparungen der öffentlichen Hand zu spüren bekommen. So stocken derzeit die Verhandlungen beim BAGS-KV, bei der Caritas und bei den Ordensspitälern. In diesen Bereichen werden die Spielräume immer geringer, und die ArbeitgeberInnen sind nicht bereit, Lohnerhöhungen über der Inflationsrate zuzustimmen. Diesen Reallohnverlust wollen die KollegInnen nicht hinnehmen. Bisher gab es erste öffentliche Betriebsratskonferenzen, Betriebsversammlungen in mehreren hundert Betrieben und andere kleinere Protestmaßnahmen. Am 01.02.2012 finden Demonstrationen für den privaten Gesundheits- und Sozialbereich in Wien, Linz, Graz und Klagenfurt statt.

In Oberösterreich und der Steiermark sahen wir, wie die dortigen Landesregierungen noch einen Schritt weiter gingen. Für die Gemeindebediensteten (Spitäler, Müllabfuhr, öffentlicher Nahverkehr, Kindergärten usw.) wurde in Oberösterreich eine Mindervalorisierung beschlossen, d.h. eine Lohnkürzung von 1% gemessen am Ergebnis, das auf Bundesebene für die öffentlich Bediensteten ausverhandelt wurde. In der Steiermark wurde sogar eine Nulllohnrunde beschlossen. Noch einen Schritt weiter scheint die Bundesregierung gehen zu wollen, indem sie den öffentlich Bediensteten per Gesetz eine ein bis drei prozentige Lohnkürzung aufzwingen will.

Unter dem Eindruck der Krise sind auch die ArbeitgeberInnen im grafischen Gewerbe (Druckindustrie) einmal mehr in die Offensive gegangen und haben erneut den KV vorzeitig aufgekündigt. Schon vor zwei Jahren traten sie sehr aggressiv auf und landeten für die UnternehmerInnenseite einen ersten wichtigen Erfolg, in dem sie den Kollektivvertrag entlang der Zeitungs-, Rollen- und BogendruckerInnen aufsprengte. Damals wurde ein Streik von der Gewerkschaftsspitze abgedreht. Jetzt wurden abermals gewerkschaftliche Kampfmaßnahmen (einschließlich Warnstreiks) beschlossen und vorige Woche in einigen ausgewählten Betrieben umgesetzt. Dabei zeigte sich die Gewerkschaft auch diesmal bereit eine "Lohndämpfung" von 4% (!) zu akzeptieren. Die ArbeitgeberInnen wollen aber mehr. Ihre Forderungen (Arbeitszeitverlängerung/-flexibilisierung usw.) würden eine Lohnkürzung von 10% bedeuten!

In anderen Branchen (wie im Hotel- und Gastgewerbe) ist ebenfalls mit einer konfliktreichen Kollektivvertragsrunde zu rechnen.

Weitere wichtige Arbeitskämpfe entwickeln sich derzeit beim Flughafen Wien gegen die von der EU geplante Liberalisierung der Bodenabfertigung, was zu massivem Arbeitsplatzverlust, Lohn- und Sozialdumping führen würde, und bei der AUA, wo das Management das nächste Mega-Sparpaket durchsetzen will. In beiden Fällen organisierte der Betriebsrat große Protest- und Betriebsversammlungen, wo sich die Belegschaften kampfbereit zeigten.

Diese betrieblichen und kollektivvertraglichen Kämpfe zeigen einmal mehr, dass die Lohnabhängigen auch in Österreich ihre Interessen und sozialen Errungenschaften mit den Mitteln des Klassenkampfs zu verteidigen bereit sind. Die Bereitschaft, ein zweites Mal die Kosten der Krise zu zahlen, hält sich sehr in Grenzen, vor allem angesichts der Tatsache, dass die Banken und Konzerne selbst in der Krise weiter Profite machen, die Kluft zwischen Arm und Reich immer größer wird, Vermögen nicht substanziell besteuert werden und im Notfall der Staat die Verluste der AktionärInnen vergesellschaftet. Die Erfahrungen der letzten Jahre haben im Bewusstsein der Klasse ihren Stempel hinterlassen, und dies ergibt ein durchaus explosives Gemisch in vielen Betrieben. Wo es BetriebsrätInnen und GewerkschaftsaktivistInnen gibt, die dieser Stimmung einen Ausdruck verleihen, stehen die Zeichen auf Kampf. Die ganz besondere Dynamik des MetallerInnenstreiks in vielen Betrieben im vergangenen Herbst hat dies eindrücklich gezeigt.

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