ÖGB endlich von unten reformieren

Mittlerweile 60.000 Menschen in Kurzarbeit, eine Arbeitslosenzahl, die auf Basis aktueller Prognosen bis Jahresende die 400.000 übersteigen soll, Lohnkürzungen sowie prekäre Beschäftigungsverhältnisse, die massiv zunehmen. Können wir das als die Summe aller Maßnahmen sehen, die das Kapital braucht, um sich zu regenerieren oder befinden wir uns nur in einer verschärften Akkumulationsphase des Kapitals?

Und wie schafft es die Finanzwelt, sich weiterhin Regierungs- und GewerkschaftsopportunistInnen gefügig zu machen? Warum begreifen die Spitzen von ÖGB und SPÖ nicht, dass Solidarisierung und Loyalität mit den Unternehmen notwendigerweise zu weiterer Prekarisierung der Arbeitsverhältnisse führt? Eine Reihe von Fragen, die uns zunächst nach den Ursachen suchen lässt.

Abseits der in den USA ausgehenden Immobilienkrise und Derivatenspekulationen suchen wir zunächst bei uns selbst. Nach 1945 konnten sich die KapitalvertreterInnen bis in die frühen 1970er hinein die Arbeitskraft auf Grund der weltweiten Hochkonjunktur nur durch Zugeständnisse sowie gerechtfertigte Sozialleistungen sichern, da eine so genannte Reservearmee der ArbeiterInnenklasse kaum vorhanden war, es also nur geringe Arbeitslosigkeit gab.

Hier trat die SozialpartnerInnenschaft auf den Plan. Die zunächst sanftmütigen VertreterInnen der Wirtschaftstreibenden konnten der sozialdemokratischen Regierung unter Kreisky nur selten oder gar keine Kompromisse abringen. Die ArbeiterInnenschaft wiegte sich sicher, vertraute auf die regierende SPÖ sowie die Gewerkschaft.

Diese begannen bewusst, ihre Klientel auszugrenzen. Die überhebliche StellvertreterInnenpolitik der Gewerkschaften schuf auf bürokratischem Weg eine Entpolitisierung der ArbeiterInnenklasse. Anstatt die Mitglieder in Entscheidungen einzubinden, wurde diesen versichert, die Arbeits- und Sozialpolitik fest in Händen zu haben.

Der politische Trend nach Rechts an der Gewerkschaftsspitze hin zu prokapitalistischen Logiken wie z.B. dem Standortdenken, war die direkte Folge der Entpolitisierung der Gesellschaft im Allgemeinen und der ArbeiterInnenklasse im Besonderen. Damit war der Weg für KapitalvertreterInnen und ihre neoliberalistischen PredigerInnen frei. Ihre über uns niederprasselnden Polemiken konnten in der Folge das Denken einer nicht mehr an politische Debatten gewohnten ArbeiterInnenklasse lenken.

Nun, im Jahr 2009, sehen wir in Anbetracht der hier beschriebenen Situationen GewerkschaftsfunktionärInnen und sozialdemokratische PolitikerInnen, die dem Zeitalter des Übergangs von seichter SozialpartnerInnenschaft zum Liberalismus entsprungen sind. Sie sind einer Ohnmacht entwachsen und fahren unsere Interessen an die Wand. Und gerade jetzt, zu diesem Zeitpunkt, müssen wir uns besinnen. Wir, die Lohnabhängigen, müssen unsere Interessen selbst in die Hand nehmen. Beispiele wie bei der Post oder bei den DruckerInnen zeigen uns, dass die unabwählbaren SpitzenfunktionärInnen sich keinen Deut um unsere Interessen scheren und die Forderungen der Basis ignorieren. Sie unterstützen weiterhin die Interessen der Kapitalgesellschaften, die ihre Forderungen nach noch flexibleren Kurzarbeitsmodellen, der Ausarbeitung von noch günstigeren Sozialplänen sowie schlechteren Kollektivverträgen erfüllt wissen wollen.

Was tun?

Der von vielen GenossInnen vorgeschlagene Weg, die dringend notwendige Reform innerhalb der Gewerkschaften mit Resolutionen und Anträgen zu befördern, macht Sinn. Jedoch ist dies ein langwieriger und mühsamer Prozess, der aufgrund diffuser und undemokratischer Strukturen in den Gewerkschaften einen Vergleich mit Don Quichotte und seinen Kampf gegen die Windmühlen angebracht erscheinen lässt.

Die Alternative wäre die absolute Solidarisierung aller Lohnabhängigen untereinander. Das (Zurück)Erkämpfen von Entscheidungsautonomie der jeweiligen Belegschaften, die ihre Forderungen selbst aufstellen und ihre Kampfmaßnahmen selbst koordinieren, ist das Gebot der Stunde. Von unten nach oben soll in Zukunft delegiert werden und nicht umgekehrt. Mit zunehmender Erfahrung der Belegschaften wird sich eine neue Art von Klassenbewusstsein in den Köpfen verankern und die Ideen und Methoden des Klassenkampfes werden in die Gesellschaft hinaus getragen.

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