Die Rolle von BetriebsrätInnen: Unter Druck von zwei Seiten

In den letzten Monaten haben wir eine zunehmende Politisierung bei einer Schicht von BetriebsrätInnen miterlebt.Viele KollegInnen suchen nach einer politischen Alternative. Mit diesem Beitrag von Gernot Trausmuth wollen wir die Diskussion über die Rolle von BetriebsrätInnen vertiefen.

Die Gewerkschaften wurden einst als Kampforganisationen zur Verteidigung der unmittelbaren ökonomischen Interessen der Lohnabhängigen geschaffen. Durch den Kampf wurden sich die ArbeiterInnen ihrer eigenen Interessen und der im Kapitalismus vorherrschenden Klassengegensätze bewusst. In diesem Sinne waren sie auch "Schulen des Sozialismus" (Friedrich Engels). Trotz Bürokratisierung der Gewerkschaften, Sozialpartnerschaft und deren Einbindung in den Staat ist dieses Element selbst heute noch im Keim vorhanden. Eine zentrale Rolle spielen dabei die BetriebsrätInnen, die die unmittelbare Vertretung der ArbeitnehmerInnen im Betrieb darstellen - und somit die eigentliche Basis der Gewerkschaftsbewegung bilden.

Mit dem "Betriebsrätegesetz" von 1919 bekamen sie erstmals eine gesetzliche Grundlage, auf der sie ihre Aktivität entfalten konnten. Dieses Gesetz fiel aber nicht vom Himmel, sondern war ein Versuch die revolutionäre RätInnenbewegung am Ende des Ersten Weltkriegs in geordnete Bahnen zu lenken. Auch in der unmittelbaren Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg spielten gewerkschaftliche Vertrauensleute eine zentrale Rolle bei der Wiederinbetriebnahme der von den braunen Betriebs"führerInnen" verlassenen Fabriken. 1947 wurde das "Betriebsrätegesetz" neu beschlossen und damit die wirtschaftlichen Mitwirkungsrechte der Belegschaftsvertretung gestärkt.

Das ArbVG

1974 wurde dann auf Druck des ÖGB das Arbeitsverfassungsgesetz (ArbVG) beschlossen. Diese Gesetze sind aber durchaus ein zweischneidiges Schwert. Während einerseits für die Betriebsratskörperschaften bestimmte Rechte festgeschrieben sind, die sie gegen unternehmerische Willkür schützen, wird ihr Aktionsradius auch deutlich eingeschränkt. So heißt es im ArbVG: "Aufgabe der Organe der Arbeitnehmerschaft des Betriebes ist es, die wirtschaftlichen, sozialen, gesundheitlichen und kulturellen Interessen der Arbeitnehmer im Betrieb wahrzunehmen und zu fördern." Aber das Ziel der Bestimmungen ist die Herbeiführung eines Interessenausgleichs zum Wohle der ArbeitnehmerInnen und des Betriebes (!). Im Grunde wurden die Betriebsratskörperschaften per Gesetz auf die Rolle des betrieblichen Sozialpartners festgeschrieben, da sie "ihre Tätigkeit tunlichst ohne Störung des Betriebes auszuüben" haben. Dazu kommt noch die gesetzlich vorgeschriebene Schweigepflicht.

Manche der Mitbestimmungsmöglichkeiten, wie die Teilhabe am Aufsichtsrat, sind weniger ein Instrument, die Interessen der Belegschaft zu vertreten, als vielmehr ein Einfallstor für die Korrumpierung von BetriebsrätInnen. Der Interessengegensatz zwischen Kapital und Arbeit wird dadurch verschleiert. Gleichzeitig kam es mit der Verlängerung der Wahlperiode von zwei auf vier Jahre im ArbVG auch zu einer Entdemokratisierung der Belegschaftsvertretung.

EinzelkämpferInnen reißen gar nichts

Einst, im "goldenen Zeitalter" der Sozialpartnerschaft, konnten BetriebsrätInnen auf der Grundlage einer boomenden Wirtschaft einiges für die Belegschaft rausholen. Doch schon in den letzten Jahren war trotz Rekordgewinnen mit der alten sozialpartnerschaftlichen Praxis nicht mehr viel zu holen. In den Betrieben wurden Schritt für Schritt soziale Errungenschaften abgeschafft.

Das menschliche Bewusstsein hinkt dem tatsächlichen Lauf der Dinge aber in der Regel hinterher. Dies gilt ebenso für die Mehrheit der BetriebsrätInnen - und auch der Beschäftigten. Es ist offensichtlich, dass den Lohnabhängigen ein kalter Wind ins Gesicht bläst. Trotzdem klammern sich die meisten an den Strohhalm, dass eine Rückkehr zur Sozialpartnerschaft möglich sei und es doch mit den alten Methoden wieder besser gehen könnte.

In den meisten Fällen sind BetriebsrätInnen heute auf sich alleine gestellt. Sie werden von der Belegschaft als StellvertreterInnen gesehen, die bei Problemen Feuerwehr spielen sollen. Dies ist das Ergebnis einer jahrzehntelangen Praxis, in der die Masse der Gewerkschaftsmitglieder in Passivität gehalten wurde. Mit diesen Gewohnheiten ist nicht leicht zu brechen. Selbst die besten und kämpferischsten BetriebsrätInnen sind heute meist EinzelkämpferInnen und machen StellvertreterInnenpolitik. Diese muss aber bewusst überwunden werden, um wieder kampffähig zu werden.

Zweifelsohne gilt es unter den jetzigen Kräfteverhältnissen alle Möglichkeiten der gesetzlichen Mitbestimmung auszuschöpfen. Jedoch ohne Illusionen, dass EinzelkämpferInnen am Verhandlungstisch etwas bewegen können. Dem zahnlosen Konzept der Mitbestimmung muss das Ziel entgegengesetzt werden, dass im Betrieb eine Gegenmacht aufgebaut wird. Eine solche Gegenmacht zu den Interessen des Kapitals kann die Betriebsratskörperschaft aber nur werden, wenn sie relevante Teile der Belegschaft dafür gewinnt.

Wir brauchen ein Kampfinstrument

Wenn wir wollen, dass die Gewerkschaften ihrer Rolle als Kampfinstrument wieder gerecht werden, müssen wir von den Betrieben her für ihre Veränderung kämpfen. In Österreich sind die klassenkämpferischen Traditionen der Vergangenheit unter dem Schutt der Sozialpartnerschaft tief vergraben. Formen der Selbstorganisation der Klasse gibt es derzeit kaum. Der einzige greifbare Ansatzpunkt sind jene BetriebsrätInnen, die in den vergangenen Jahren und Monaten aufgrund konkreter Erfahrungen im Betrieb, mit der Politik und auch mit der Bürokratie in der eigenen Gewerkschaft zur Einsicht gelangt sind, dass es einen politischen Kurswechsel braucht. Österreichweit sind das mit Sicherheit hunderte KollegInnen, die jedoch meist isoliert voneinander und ohne eine gemeinsame politische Perspektive in ihren Bereichen das Bestmögliche rauszuholen versuchen. Sie bilden den harten Kern an GewerkschaftsaktivistInnen in den Betrieben. Gemeinsam mit jungen, kämpferischen KollegInnen, die aus ehrlichem Antrieb einen Betriebsrat gründen bzw. beleben wollen, stellen sie den wichtigsten Ausgangspunkt dafür dar, dass die ArbeiterInnenbewegung neue Kampfbereitschaft erlangt.

Demokratisch und kämpferisch

Wir müssen die besten Traditionen gewerkschaftlicher Demokratie wieder entdecken und mit neuem Leben erfüllen. Die Gründung von Betriebsgruppen, von Vernetzungen kämpferischer GewerkschafterInnen in den einzelnen Branchen, regelmäßige Betriebsversammlungen, Diskussionen unter Einbindung der Belegschaft und wenn nötig Urabstimmungen, deren Entscheidungen bindend sind, sind notwendige Voraussetzungen, um kollektiven Widerstand organisieren zu können. BetriebsrätInnen müssen versuchen, das Bewusstsein zu schaffen, dass es nur durch gemeinsamen Widerstand möglich ist, die Interessen aller KollegInnen durchzusetzen. Eine klare politische Perspektive, ein Programm, das auf die konkreten Bedürfnisse zugeschnitten ist und Demokratie sind Grundvoraussetzungen, um diesen Prozess zu fördern. Wir stehen vor der Aufgabe, die weit verbreitete Unzufriedenheit in Klassenbewusstsein umzuwandeln, damit die Belegschaften und die ArbeiterInnenklasse insgesamt kampfbereit werden.

Befreiung der ArbeiterInnenklasse

Sobald BetriebsrätInnen, die auf einer Welle der Unzufriedenheit mit der alten Belegschaftsvertretung gewählt wurden, in die alte StellvertreterInnenpolitik zurück fallen, werden sie genauso wieder ein Ordnungsfaktor, der im Interesse des Kapitals fungiert. MarxistInnen sehen als vorrangiges politisches Ziel die Überwindung des Kapitalismus und die Befreiung der ArbeiterInnenklasse. Diese können aber nur das Werk der ArbeiterInnen selbst sein.

BetriebsrätInnen, die konsequent die Interessen der KollegInnen verteidigen wollen, werden letztlich nicht daran vorbeikommen, dieses Ziel auf ihre Fahnen zu schreiben. Unter den Bedingungen der Krise ist dies eine absolute Notwendigkeit. Es geht jetzt um die Verteidigung unserer Löhne, unseres Lebensstandards, unserer Arbeitsplätze. Die Unternehmen gehen dabei geplant und gezielt vor, wohingegen die BetriebsrätInnen leider nur allzu oft isoliert, auf ihren Betrieb beschränkt bleiben. Der Zusammenschluss der BetriebsrätInnen und Belegschaften in den verschiedenen Branchen aber auch branchenübergreifend und überregional stellt daher eine der dringendsten gegenwärtigen Aufgaben dar.

Mit unserer Zeitung wollen wir den KollegInnen, die sich diese Aufgaben zum Ziel stecken, eine Stimme geben und sie aktiv dabei unterstützen. Legen wir die Grundlage für eine klassenkämpferische, linke Strömung in der Gewerkschaftsbewegung! Machen wir die Gewerkschaften wieder zu Kampfinstrumenten!

Wir sind ÖGB is powered by Joomla!®