Bundesbranchenausschüsse als Reformhebel: Dem ÖGB Beine machen

Der Riese schläft noch

Während der BAWAG-Prozess mit zunehmender Dauer zur Farce gerät, glaubt die Gewerkschaftsspitze, wieder fest im Sattel zu sitzen. Dabei hat sich an der Krise der Organisation nichts geändert, wenn man davon absieht, dass Streikfonds und Bankbesitz flöten gegangen sind. Von einer Verwirklichung der Forderungen nach Durchflutung des ÖGB mit demokratischer Mit- und Selbstbestimmung ist nicht einmal im Flüsterton die Rede. Aber der Teufel schläft nicht! - An der Basis der Gewerkschaft gibt es Bewegung.

Die Metapher, wonach ein Schneekügelchen eine Lawine auslösen kann, ist uralt. Klaus Kotschnig hat tatsächlich das Zeug, um eine entsprechende Bewegung im ÖGB auszulösen. Als Betriebsratsvorsitzender in einem Kärntner Unternehmen zur Arbeitskräfteüberlassung ist er keine kleine Portion; er stellt jedoch den Anspruch, nach den Erfahrungen, die er im Bundesbranchenausschuss seiner Profession gemacht hat, die gesamte Gewerkschaftsbewegung auf eine demokratische Basis zu stellen.

Ein Schlüsselerlebnis war für Kotschnig, dass es ihm gelungen ist, den Bundesbranchenausschuss, in den er gewählt wurde, zu aktivieren und zu einem wirkungsvollen Instrument für die Mitbestimmung der Betriebsräte bei der Formulierung der Lohnpolitik und anderer Anliegen zu machen. In einer Beratung mit fortschrittlichen GewerksschafterInnen in Wien betonte er, dass seine Erfahrungen leicht zu verallgemeinern seien und wesentlich zur Demokratisierung der österreichischen Gewerkschaftsbewegung von unten beitragen könnten.

Ein Fundament der österreichischen Gewerkschaftsbewegung

In einer Aussendung skizzierte Klaus Kotschnig sein Konzept folgendermaßen: Den Kern der Gewerkschaftsbewegung bildet der ÖGB. Um ihn sind neun Fachgewerkschaften angeordnet. Ihr Fundament stellen die einzelnen Branchen dar. Um in Erfahrung zu bringen, was die Werktätigen dieser Branchen brauchen und wünschen, haben die Fachgewerkschaften Branchenausschüsse eingerichtet. Genau diese Gremien verkörpern die Grundmauern des ÖGB.

Als Beispiel zog er die Gewerkschaft Metall Textil Nahrung (GMTN) heran. Sie verfügt über 13 Branchenausschüsse. Die gewählten Vorsitzenden dieser Gremien, die jederzeit abwählbar, überfraktionell und betriebsorientiert sind, repräsentieren die Basis der gesamten Fachgewerkschaft. Was in diesen Ausschüssen beschlossen wird, muss von der Fachgewerkschaft umgesetzt werden. Nach diesem Muster könnte die immer wieder beschworene, bisher jedoch nicht verwirklichte Basisorientierung des ÖGB abgesichert werden.

Eine Vision des Kärntner Betriebsratsvorsitzenden besteht darin, Branchen-Homepages einzurichten, über die sämtliche BelegschaftsvertreterInnen einer Branche vernetzt werden könnten. Auf diese Weise würde ein Netzwerk zur gegenseitigen Unterstützung entstehen, das gleichzeitig dem Gedankenaustausch und der Behandlung branchenspezifischer Themen diente.

Beim Skizzieren seiner Vorstellungen knüpft Kotschnig an seinen Erfahrungen im Bundesausschuss für die Branche der Arbeitskräfteüberlassung an. Auf seine Initiative haben es die beteiligten BetriebsrätInnen nicht mit einer Sitzung pro Jahr unter den Argusaugen eines Gewerkschaftssekretärs bewenden lassen.

Vielmehr wurde im Rahmen der Arbeiterkammer ein Ruf-Seminar für einen intensiven Meinungsaustausch untereinander veranstaltet. Laut Kotschnig habe sich dabei besonders belebend der gegenseitige Erfahrungsaustausch erwiesen. Vermeintlich traurige Einzel- bzw. Firmen-,,Schicksale" haben sich dabei als branchenspezifische Gesetzmäßigkeiten herausgestellt.

Lehrreich sei gewesen, dass ein Gewerkschaftssekretär unaufgefordert an dem Seminar teilgenommen habe. Von den Teilnehmern wurde dieser Schritt als Zeichen der Bevormundung und des Misstrauens verstanden. Dass der ÖGB auch anders kann und dienstleistungsorientiert zu arbeiten weiß, spricht daraus, dass mit seiner Unterstützung eine eigene Homepage als Kommunikationsplattform für die Branchenvertreter eingerichtet werden konnte, die die Weitergabe und Sammlung von Information über Kollektivvertrags- und Rechtsfragen wesentlich erleichtert.

Die Lohnfrage ist ein brandheißes Thema für Werktätige

Klaus Kotschnig hat übrigens in seiner eigenen Tätigkeit ebenfalls von der intensiven Einarbeitung in die Materie und dem Erfahrungsaustausch mit den KollegInnen profitiert. Beispielsweise ist es ihm mit diesem Know-how gelungen, in seinem Betrieb auf KV- Basis und durch innerbetriebliche Forderungen eine Lohnerhöhung von insgesamt 10 Prozent durchzusetzen.

Angesichts der rapiden inflationären Entwicklung in Österreich und der rasanten Umwandlung von Normalarbeit in prekäre Beschäftigungsverhältnisse, wird die Lohnfrage immer mehr zu einem brennenden Thema für sämtliche Werktätige. Schon jetzt zeigt sich, dass die KV-Abschlüsse der Herbstlohnrunde angesichts der galoppierenden Inflation weit hinter den Erfordernissen zurückgeblieben sind. Statt eine Zwischenlohnrunde einzulegen, befassen sich die Gewerkschaftsspitzen als Ablenkungsmanöver mit Ausmaß und Gestaltung der Steuerreform, die erst 2010 in Kraft tritt.

Da den Werktätigen schon jetzt, was die Kaufkraft der Einkommen betrifft, die Luft ausgelassen wird, wäre die Gewerkschaftsbewegung gut beraten, andere Saiten aufzuziehen. Die Bundesbranchenausschüsse der einzelnen Fachgewerkschaften erscheinen geradezu prädestiniert, eine energische Bewegung für eine Zwischenlohnrunde anzustoßen und die ÖGB-Spitze entsprechend unter Druck zu setzen. Vorläufig gibt es diese Gremien meist nur der Papierform nach. Sie zu aktivieren und mit Leben zu erfüllen, ist die wichtigste Aufgabe in der ersten Etappe einer praktischen ÖGB-Reform von unten.

In einer Beratung mit Kollegen Kotschnig in Wien wurde in dem Kontext angeregt, dass die Vertreter der diversen fortschrittlichen linken, alternativen und grünen Kerne der organisierten Gewerkschaftsbewegung in dieser Frage nicht getrennt, sondern gemeinsam vorgehen. Wo sie über eine branchenmäßige Verankerung verfügen, sollten sie BelegsschaftverterterInnen motivieren, gemeinsam die Bundesbranchenausschüsse zu aktivieren.

Ziel dieser Bemühungen müsste es sein, den Willen der Basis zum Maßstand des gewerkschaftlichen Handelns zu machen.

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