Bilanz der ÖGB Reform: A Schritt viare, zwa Schritt zruck

Als der ÖGB vom Fluch der Karibik heimgesucht wurde, war für viele GewerkschafterInnen klar: Jetzt muss sich was ändern! Neue Strukturen, neue Gesichter, neue Methoden - und vielleicht auch ein bisschen mehr Klassenkampf? Mit gedämpften Erwartungen und Hoffnungen startete die Bewegung in die Selbstreinigung. Vor kurzem präsentierte Rudi Hundstorfer die Bilanz der Mitgliederbefragung. Ernüchternde TeilnehmerInnenanzahl, wenig Neues und Konkretes und ein Musterbeispiel, wie ein Demokratisierungsprozess nicht ausschauen darf – das sind die Ergebnisse aus unserer Sicht! Hinzu kommt, dass in der "realen Welt da draußen" der MetallerInnenabschluss und das Drängen auf eine große Koalition alle Hoffnungen auf einen politischen Kurswechsel des ÖGB zunichte gemacht haben.

ÖGB auf Modeshow?

Auf www.oegbreform.at finden sich zur Reform folgende interessante Zeilen: "Die ArbeitnehmerInnen in Österreich brauchen einen starken, unabhängigen und überparteilichen ÖGB. Demokratisch, transparent, international schlagkräftig und immer ein Ziel vor Augen: Wir werden die modernste Gewerkschaftsbewegung Europas! Die Gewerkschaft der Zukunft wollten wir nicht mit herkömmlichen Konferenzen bauen. Deshalb gab es keine klassische Konferenzbestuhlung und keine langen Frontalreden, sondern Diskussionen in überschaubaren Gruppen. Dort diskutierten die TeilnehmerInnen bestimmte Fragen in einem Zeitraum von 40 Minuten, dann ging es weiter zur nächsten Themengruppe."

Abgesehen von den Wischiwaschiaussagen (Was bitte bedeutet modern für eine Gewerkschaftsbewegung? Intergalaktische Streikposten?) zeigt dieses Statement schon sehr deutlich, was die ÖGB-Führung nicht will: eine kritische Auseinandersetzung über die Vergangenheit, eine breite Diskussion und die Übergabe der Entscheidungsmacht in die Hände der Mitglieder. Ordinäre Betriebsgruppen, herkömmliche Mitgliederkonferenzen, unnötige Urabstimmungen, Wählbarkeit der FunktionärInnen und Delegierten? Pfui, wie unmodern!

Auf der GPA-BetriebsrätInnenvorsitzenden(!)-konferenz wurde besonders die ÖGB-Reformgruppe kritisiert. Dieselben Leute, die für die Krise mitverantwortlich sind, können sich nun selbst reformieren. Niemand hat diese Gruppe gewählt und niemand kann die Ergebnisse kontrollieren. Weiters gibt es keine Offenlegung der Finanzen. Kein Mitglied weiß, wie es um den ÖGB bestellt ist. Wie sollen da Entscheidungen getroffen werden? Bezeichnenderweise betreffen die Einsparungsziele des ÖGB vor allem die BezirkssekretärInnen, die die stärkste Verbindung zur Basis haben (und somit auch am stärksten die Unzufriedenheit widerspiegeln). Interessanterweise haben sich die Betroffenen schon vernetzt, um gegen die Vorgehensweise des ÖGB zu kämpfen.

Die Regionalkonferenzen

Die ÖGB-Spitze reagierte mit diesen Konferenzen und der Mitgliederbefragung auf den Ruf nach mehr Demokratie. Fakt ist aber, dass diese Formen der Mitgliederpartizipation völlig unzureichend sind und eine Farce darstellten. In Wirklichkeit durfte die Basis nicht viel mehr als zu vorgegebenen Fragen, die durch von oben bestimmte ModeratorInnen vorgetragen wurden, ihre Meinung äußern. Entscheidungsbefugnisse hatten diese Regionalkonferenzen keine.

Die Beteiligung an den Regionalkonferenzen war ziemlich niedrig, wenngleich es regionale Unterschiede gab. Zum einen wurde schlecht mobilisiert, zum anderen organisierten viele Fachgewerkschaften eigene (Konkurrenz)Veranstaltungen, weshalb die meisten Interessierten eher auf deren Konferenzen gingen. Zudem war klar, dass außer ein paar nette Leute kennenlernen und ein bisschen Dampfablassen nichts passieren wird. Die Entscheidungen werden woanders getroffen, nicht aber von den Mitgliedern.

AugenzeugInnen berichten

Folgender Bericht von der Regionalkonferenz Wien West ist exemplarisch für den Charakter dieser Veranstaltungen: "Gerhard Fritz, Vorsitzender der Gewerkschaft der Post- und Fernmeldebediensteten, war bei der Konferenz anwesend und … sah sich aber mit einem Sturm von Kritik konfrontiert. Abermals beschwerten sich die TeilnehmerInnen über den unkonstruktiven und demütigenden Charakter der Regionalkonferenz, …. Der Leiter der Regionalkonferenz versuchte, die aufkommende Diskussion aufzulösen, jedoch wurde Fritz vorgeworfen bei der Postprivatisierung nur zugeschaut zu haben, worauf Fritz meinte, über solche Angelegenheiten spreche er nur intern mit seinen eigenen MitarbeiterInnen. Anschließend war Fritz selbst bemüht, die Diskussion zu beenden. Abschließend kam es zu einer Abstimmung, die zum Inhalt hatte, wer diese Regionalkonferenz für konstruktiv empfand und sich dadurch nicht von der Gewerkschaftsleitung diskreditiert fühlte – das Ergebnis: Fritz und der Leiter der Konferenz stimmten als einzige für die Sinnhaftigkeit der Veranstaltung und nahmen somit eine einsame Position ein..."

Aufgrund der geringen Beteiligung waren aber selbst gutgemeinte Versuche, Abstimmungen zu erzwingen, letztendlich vergebliche Liebesmüh. Mitbestimmung und Kontrolle in einer Gewerkschaftsbewegung mit 1,3 Millionen Mitgliedern müssen grundsätzlich anders ausschauen!

Ergebnisse der Mitgliederbefragung

Rudi Hundstorfer präsentierte am 27. Oktober die Ergebnisse der Mitgliederbefragung. Insgesamt nahmen 58.328 Mitglieder teil. Die Führung hatte eine weit höhere Teilnahme erwartet und war um Schadensbegrenzung bemüht. Fakt ist aber, dass diese NoNa-Fragestunde ebenso wie die Regionalkonferenzen den meisten Mitgliedern nicht das Gefühl vermitteln konnten, ihre Meinung sei wirklich gefragt und sie könnten tatsächlich über den ÖGB bestimmen.

Bei der online-Befragung konnten sich auch Nicht-Mitglieder beteiligen. Selbst UnternehmerInnen konnten hier also ihre Antworten zum Besten geben. Somit sind die Ergebnisse recht zweifelhaft.

Eines kann aber deutlich herausgelesen werden: Trotz Skandale wird die gewerkschaftliche Idee nicht in Frage gestellt. Aufgrund der scharfen Gangart des Kapitals ist auch der Wunsch von 70% nach einer kämpferischeren Politik des ÖGB nicht erstaunlich.

Was genau mit den Ergebnissen passiert, ist unklar. Schlussendlich bestätigen die Fragebögen (bzw. die Interpretation der Ergebnisse der Befragung durch die Bürokratie) den Unwillen der ÖGB-Führung, eine echte Reform mit demokratischen Veränderungen zuzulassen.

Demokratie statt Bürokratie

Aufgrund der niedrigen Beteiligung fühlt sich die Spitze im ÖGB recht sicher. Ihren Kurs werden sie auf einem undemokratischen Kongress von nicht durch die Mitglieder gewählten Delegierten bestätigen lassen. Die Kleinkriege zwischen den einzelnen Gewerkschaften gehen weiter, politische Inhalte bleiben auf der Strecke. Und obwohl die ÖVP von der SPÖ verlangt, einen scharfen Kurs gegen uns Lohnabhängige zu fahren, fordert Hundstorfer eine große Koalition.

Doch die Sicherheit, in der sich die ÖGB-Spitze heute wiegt, ist eine trügerische. Da der Klassenkampf von oben weiter tobt, versuchen viele GewerkschaftsaktivistInnen eigene Wege zu gehen. Vor allem viele BetriebsrätInnen haben sich auf ihren Bereich zurückgezogen und versuchen dort eine andere Politik zu machen. Neue Betriebsratskörperschaften, die einen Bruch mit "dem Alten" darstellen, werden gewählt. Der Wunsch nach einer demokratischen Gewerkschaft ist weit verbreitet.

Aus den Erfahrungen mit den Streiks im Jahr 2003 haben viele gelernt, dass sie Kämpfe nur dann gewinnen können, wenn die Basis über die Ziele und Methoden des Kampfes entscheiden kann. Gewerkschaftsdemokratie ist der Schlüssel zu einem kämpferischen ÖGB und zur Revolutionierung der Gewerkschaftsbewegung. Die wichtigste Kritik eines langjährigen Betriebsrates auf einer anderen Regionalkonferenz in Wien galt diesbezüglich der Abschaffung der Betriebsgruppen bzw. Mitgliedergruppen bei der GPA: "Dies war der größte Fehler von allen und der Beginn vom Ende".

Einen positiven Ansatz zur Schaffung einer neuen Gewerkschaftskultur leistet die vom "Funke" initiierte Kampagne "Wir sind ÖGB". Wir rufen alle LeserInnen auf, diese zu unterstützen und in ihr aktiv zu werden!

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