Für einen demokratischen ÖGB - Die Diskussion über die Reform der Gewerkschaft

Im Zuge der verschiedenen Skandale um die BAWAG und der aktuellen Rücktritte führender Gewerkschaftsfunktionäre ist auch die Debatte um längst überfällige Reformen des ÖGB in Gang gekommen. Der derzeitige Stand der Diskussion ist unklar und verwirrend – öffentlich ist davon kaum etwas bekannt. Trotzdem gibt diese Diskussion der kämpferischen Basis des ÖGB die Möglichkeit, ihre Positionen nachvollziehbar zu artikulieren, haben doch schließlich führende Köpfe im ÖGB in den Massenmedien verkündet, dass jeder Diskussionsbeitrag willkommen ist. Nehmen wir sie beim Wort!

Stand der Dinge

In den letzten Tagen und Wochen wurden von der neuen Führung des ÖGB über die bürgerlichen Massenmedien die verschiedensten Vorschläge zum „ÖGB neu“ kolportiert. Bedenklich muss uns dabei stimmen, dass es bis jetzt keine Information der Gewerkschaftsmitglieder zu diesen Fragen gegeben hat. Ja noch nicht einmal die FunktionärInnen an der Basis, etwa die BetriebsrätInnen, wurden bis dato über das informiert, was offensichtlich hinter verschlossenen Türen bereits von der Führung des ÖGB diskutiert wird.

Tatsächlich sind die wenigen bekannten Informationen nicht dazu angetan, der Mitgliedschaft auch nur den Funken einer Möglichkeit zu geben, sich an der Diskussion, geschweige denn der Entscheidung, über die künftigen Strukturen zu beteiligen.

Arbeitsgruppe

So hat der neue ÖGB-Vorsitzende Hundstorfer eine Arbeitsgruppe angekündigt, die seit Ende Mai an den Eckpfeilern der Reform arbeitet. Nach ersten Aussagen, sollen an dieser Arbeitsgruppe auch externe ExpertInnen beteiligt sein. Wohin die Vorschläge solcher bedeutenden Persönlichkeiten in der Regel gehen, hat z.B. der prominente Zukunftsforscher Horx in einer vom ÖGB mitveranstalteten Podiumsdiskussion am 8. Mai klar gemacht, als er sinngemäß alle Grundpfeiler der Gewerkschaftsbewegung in Frage gestellt hat, indem er z.B. die Unterschiede zwischen den Interessen der Unternehmen und jenen der Lohnabhängigen mehr oder weniger negierte. Auf solche ExpertInnen können wir gerne verzichten!

Tatsächlich ist bisher nicht einmal bekannt, welche VertreterInnen aus den verschiedenen Gewerkschaften an dieser Arbeitsgruppe beteiligt sind. Und selbstverständlich hatte die Gewerkschaftsbasis bei der personellen Besetzung dieser Gruppe, die bedeutende Vorentscheidungen für die Zukunft der Gewerkschaftsbewegung treffen wird, nichts mitzureden. Soll so der groß angekündigte Neuanfang aussehen, wo doch genau die Unmöglichkeit der Bestimmung der Basis über ihre eigene Organisation überhaupt erst die einsamen Entscheidungen eines Verzetnitsch oder Weninger ermöglichte, welche uns heute als Schreckgespenst im Nacken sitzen?

Abschaffung der Fachgewerkschaften

Von Seiten der GPA als größter Fachgewerkschaft wurde in letzter Zeit der Vorschlag der Auflösung der Fachgewerkschaften und eines einheitlichen ÖGB lanciert. Prinzipiell ist dieser Vorschlag durchaus überlegenswert. Sowohl finanziell (Abschaffung verschiedener Bildungseinrichtungen, Ablösung der Vielzahl von Kartenreferaten, Seminar- bzw. Urlaubshäusern usw. usf.) als auch politisch (endlich keine bürokratischen Eigeninteressen der unterschiedlichen Gewerkschaftsspitzen mehr und Ziehen an einem Strang) kann dieser Vorschlag zu positiven Entwicklungen führen.

Wie uns allerdings das Beispiel der deutschen ver.di sehr deutlich vor Augen führt, ist größer nicht unbedingt besser. Einsparungspotenziale allein als Argument für Gewerkschaftsfusionen sind unzureichend, geht es dabei doch im Wesentlichen um eine politische Frage. Wenn allerdings die Mehrheit der Basis für die Abschaffung der Fachgewerkschaften eintreten sollte und aktiv in diesen Prozess eingebunden wird, dann könnte dies tatsächlich ein Neubeginn für den ÖGB sein, welcher es ermöglicht, dass sich die Mitglieder in Zukunft aktiv an der Gestaltung der Gewerkschaftspolitik beteiligen und diese auch bestimmen.

ÖGB-Kongress

Auch wenn wir es begrüßen, dass der ursprünglich für Juni geplante Sondergewerkschaftstag nun nicht zu diesem Zeitpunkt statt findet, da unter den gegebenen Umständen die kurze Zeit bis dahin, der Basis keine Möglichkeit zur Beteiligung an der Diskussion gegeben hätte, zeigt die Art und Weise dieser Entscheidung, dass sich in wesentlichen Fragen im ÖGB bisher nichts geändert hat. Die Entscheidung über dessen Absage und die gleichzeitige Vorverlegung des regulären ÖGB-Kongresses auf Jänner 2007 wurde wiederum einsam von der Spitze gefällt ohne der Basis auch nur den Funken einer Mitbestimmungsmöglichkeit zu geben.

Die in diesem Zusammenhang von Hundstorfer immer wieder ins Spiel gebrachte Neugründung des ÖGB geht vollkommen an den wirklichen Problemen vorbei. In klassisch bürokratischer Logik macht er mit diesem Vorschlag ein politisches Problem zu einer organisatorischen Frage. Nur wenn sich die politische Ausrichtung des ÖGB grundlegend ändert, können auch organisatorische Reformen zu Verbesserungen führen. Die umgekehrte Vorgehensweise kann nur zur weiteren Fortschreibung des Bisherigen führen.

Demokratischer Prozess jetzt!

Wenn wir uns den politischen Fragen zuwenden, so ist klar, dass nur eine vollständige Demokratisierung des ÖGB dazu tauglich ist, die Voraussetzungen für eine Gewerkschaft zu schaffen, die wirklich unsere Interessen verteidigen und vertreten kann, denn nur bei einer möglichst breiten Beteiligung der Mitgliedschaft können sich deren Anliegen auch in den politischen Entscheidungen und Aktivitäten des ÖGB widerspiegeln. Aus unserer Perspektive wäre daher die folgende Vorgehensweise die beste Möglichkeit, um zu einem solchen ÖGB zu kommen:

  • Betriebsversammlungen in allen Betrieben zur Diskussion und Entscheidung über die Zukunft des ÖGB und Wahl von Delegierten bis Ende Juni!
  • Landesweite Konferenzen dieser Delegierten zu denselben Themen bis Ende Juli!
  • Einberufung eines Sondergewerkschaftstages im September, so dass dieser noch Forderungen an eine künftige Bundesregierung erarbeiten kann und diese von der Gewerkschaftsbewegung in den Wahlkampf getragen werden können. Auf diesem Kongress muss durch die auf den Landeskonferenzen gewählten Delegierten die künftige Politik und Struktur des ÖGB beschlossen werden.

Bei der Diskussion über die künftige Struktur des ÖGB treten wir für die folgenden Forderungen ein:

  • Ein Betrieb, eine Branche – eine Gewerkschaft!
  • Alle FunktionärInnen müssen gewählt werden und auch jederzeit abwählbar sein!
  • FunktionärInnen dürfen nicht mehr verdienen als einE FacharbeiterIn!
  • Wahl des/der neuen ÖGB-PräsidentIn in einer Urabstimmung durch die gesamte Mitgliedschaft auf Basis der Entscheidungen dieses Sondergewerkschaftstages!
  • Keine Auflösung der Fachgewerkschaften in den ÖGB ohne Urabstimmung der Mitgliedschaft über diese Frage!

Für kämpferische Gewerkschaften!

Um zu den Gewerkschaften zu kommen, die wir wirklich zur Verteidigung unserer Arbeits- und Lebensbedingungen brauchen, ist es unbedingt erforderlich, mit der Standort- und Profitlogik zu brechen. Dieser Bruch muss zuallererst in unseren eigenen Reihen beginnen. Als erster Schritt dafür ist es erforderlich, dass alle Geschäftsbücher des ÖGB, seiner sämtlichen wirtschaftlichen Beteiligungen inklusive des Imperiums an Privatstiftungen und insbesondere aller Details rund um den Streikfonds für die gesamte Mitgliedschaft nachvollziehbar offengelegt werden!

Weiters müssen wir endlich mit der Logik der Sozialpartnerschaft, welche uns in der Vergangenheit geknebelt hat wie das Gefängnis den Gefangenen, brechen; von den Bürgerlichen wurde sie ohnedies schon vor Jahren aufgekündigt. Wir müssen zu den Wurzeln unserer Bewegung zurück kehren und uns auf unsere Stärken besinnen. Und diese liegen nicht in der Verwaltung des Kapitalismus in BAWAG und anderen Betrieben oder Hinterzimmerverhandlungen mit den Herrschenden, sondern in der kollektiven Aktion der Lohnabhängigen im Klassenkampf zur Verteidigung ihrer Arbeitsbedingungen und Lebensinteressen. Das war in der Vergangenheit so, es ist heute noch so und wird sich auch morgen nicht ändern, solange das kapitalistische System den Reichtum für Wenige auf unserem Rücken über alle Maßen vermehrt!

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