Holen wir uns unsere Gewerkschaft und unsere Partei zurück!

SPÖ-Vorsitzender Alfred Gusenbauer hat sich mit seiner Forderung durchgesetzt, SpitzengewerkschafterInnen in Zukunft aus den Reihen des SPÖ-Parlaments-Clubs zu verbannen. Was wie eine Antwort auf die ständigen Hiobsbotschaften im BAWAG-Skandal aussieht, stellt gleichzeitig eine konsequente Fortsetzung jenes Kurses dar, der die Sozialdemokratie zu einer „Allerweltspartei“ jenseits von ArbeiterInnenklasse und Gewerkschaften machen soll.

Es war eine harte Kraftprobe, aber er hat sie gewonnen. Alfred Gusenbauer hat einen einstimmigen Beschluss des SPÖ-Präsidiums erwirkt, demzufolge die Gewerkschaftsspitzen nun nicht mehr auf SPÖ-Listen für den Nationalrat kandidieren dürfen. Damit beging das Präsidium einen tiefen Kniefall vor der bürgerlichen Propagandakeule, die schon immer forderte, dass die SPÖ von der Fraktion Sozialdemokratischer GewerkschafterInnen (FSG) unabhängiger werden müsse. Indem der ÖGB und die Teilgewerkschaften (in Wirklichkeit aber die FSG) nicht mehr im Parlament vertreten sind, soll die SPÖ-Spitze nicht mehr so stark unter dem Druck ihrer sozialen Basis, den Lohnabhängigen, stehen. Auch wenn dieser Druck nur sehr indirekt über die Spitzen der Gewerkschaftsbürokratie vermittelt wird, so hat sich in der Vergangenheit doch immer wieder gezeigt, dass dies ein wichtiger Hemmschuh für die Umsetzung einer Politik im Interesse des Kapitals durch die SPÖ ist.

Die Bürgerlichen wären sehr dumm, würden sie diese Niederlage, die das SPÖ-Präsidium der ArbeiterInnenbewegung mit diesem Beschluss zugefügt hat, nicht sofort dazu nutzen, politisches Kleingeld zu machen. So hat z.B. Fritz Neugebauer, „christlich-sozialer“ Gewerkschafter, Chef der Beamtengewerkschaft GÖD (Gewerkschaft Öffentlicher Dienst), Vorsitzender des ÖAAB und ÖVP-Nationalrat, nun gewaltigen Aufwind für seine Forderung einer Stärkung der Einzelgewerkschaften auf Kosten der historischen Errungenschaft einer Einheitsgewerkschaft namens ÖGB. Während er vorgibt, dass er damit keinesfalls die Zerschlagung des ÖGB forciere, droht er gleichzeitig damit, sich mit der GÖD aus dem ÖGB zurückzuziehen – ihn also zu spalten – sollten seine Forderungen nicht erfüllt werden.

Partei des „Mittelstands“?

Die Richtung, die beim SPÖ-Präsidium eingeschlagen wurde, hat sich somit bereits jetzt als Pyrrhussieg herausgestellt. Sie hat ihre eigene Basis massiv geschwächt und abgeschreckt. Der Partei, der der Sieg an der Wahlurne im Herbst trotz fehlender Konzepte schon zum Greifen nahe schien, fällt diese Konzeptlosigkeit nun mit aller Wucht auf den Kopf. Unwillig dazu, echte Alternativen zu den Angriffen der Bürgerblockregierung auf die ArbeiterInnen und sozial Schwachen zu entwickeln und der ÖVP den Kampf anzusagen, begnügt sich die Führung der SPÖ damit, ihr inhaltliches Vakuum mit den Ideen des Bürgertums zu füllen.

Es darf somit nicht verwundern, dass der Partei in Zeiten der ÖGB-Krise nichts anderes übrig bleibt, als ein klägliches Herumstottern mit dem Resultat, auf der Strecke zu bleiben. Wer jahrelang seine Zeit nur damit verbringt, Meinungsumfragen auszuwerten und darauf kurzsichtige Antworten zu geben, kann keine Antwort auf die grundlegenden Fragen, die sich derzeit mit aller Dringlichkeit stellen, haben.

Umso abschreckender wirkt das alles auf den/die „WählerIn“, denen sie es mit aller Gewalt recht machen wollen. Doch wer ist dieser/diese „WählerIn“ überhaupt? Es sind nach wie vor die ArbeitnehmerInnen, v.a. die Menschen aus den Industriebezirken und ArbeiterInnenvierteln, die SPÖ wählen. Trotzdem aber versucht die Parteispitze sich immer mehr auf den „Mittelstand“ zu orientieren. Bei der SPÖ-Neujahrskonferenz dieses Jahres wurde trotz aller Attacken auf die ArbeiterInnenklasse ein umfangreiches Paket zugunsten des „Mittelstandes“ präsentiert. SPÖ-Wirtschaftssprecher Matznetter wies bei dieser Gelegenheit auch darauf hin, dass die ÖVP „kein Herz für den Mittelstand“ mehr habe. So hat Gusenbauer auch kein Problem damit, dass mit Christoph Matznetter, dem Wirtschaftssprecher der Partei, der stellvertretende Präsident der Wirtschaftskammer im SPÖ-Parlamentsklub vertreten ist.

Dies führt zu dem großen Widerspruch, dass eine Partei, die (über ihre Verbindung zu den Gewerkschaften) organisch mit der ArbeiterInnenklasse verwoben ist, sich auf das Kleinbürgertum orientiert.

Bei einer solchen Ausrichtung ist eine Gewerkschaft natürlich wie ein Klotz am Bein. Die Politik der SPÖ läuft deshalb auf ein ähnliches Szenario wie in Großbritannien und Deutschland hinaus: Die Loslösung der Partei von der Gewerkschaft. Diejenigen, die ein solches Szenario bevorzugen, sollten allerdings ganz genau wissen, wozu dies und die daraus folgende Politik in den beiden betreffenden Ländern geführt haben.

In Großbritannien steckt die Labour-Partei in einer historischen Krise. Der von Tony Blair eingeschlagene „Dritte Weg“ hat dazu geführt, parteiinterne Rebellionen auszulösen, wertvollen AktivistInnen (bis in die höchsten Ränge der Partei) wurden durch Sozialabbau Marke Thatcher und die Beteiligung an den Angriffskriegen der USA in die Passivität gedrängt. In Deutschland hat sich „der Wähler, die Wählerin“ in vielen Fällen von der Partei abgewendet. Es wurde die Basis für eine neue Partei links von der SPD gelegt – die Linkspartei. Bei den Wahlen konnte sich die SPD gegenüber den Konservativen nicht durchsetzen und ist nun die Steigbügelhalterin von Merkel&Co. Hier wie dort interessiert sich der „Mittelstand“ nach wie vor recht wenig für die Sozialdemokratie. Viel eher ist er abgeschreckt durch die Instabilität, die sich in ihren Reihen so offen zeigt, und die Perspektivlosigkeit, durch die sich die sozialdemokratischen Parteispitzen auszeichnen.

Will die SPÖ wieder zur stärksten Kraft im Land werden, so muss sie sich von den bürgerlichen Konzepten trennen und endlich wieder die Ideen studieren, die sie groß gemacht haben: Die Ideen und Konzepte der ArbeiterInnenbewegung. Solange kein Unterschied zwischen den Konzepten von ÖVP und SPÖ zu sehen ist, werden sich breite WählerInnenschichten an jene Partei wenden, die diese bürgerliche Politik aufgrund ihrer sozialen Zusammensetzung und sozialen Verbindung mit dem Kapital konsequenter vertreten kann – die ÖVP.

Holen wir zurück, was eigentlich uns gehört!

Es muss klar gemacht werden, dass die aktuelle Krise von SPÖ und ÖGB im Grunde genommen auf die Rolle ihrer Führung zurückzuführen ist. Einerseits wurzelt sie darin, dass die österreichische ArbeiterInnenbewegung in Folge jahrelanger erfolgreicher Angriffe der Bourgeoisie ohne nennenswerten Widerstand so geschwächt ist wie lange nicht. Die Krise besteht aber vor allem darin, dass sie nicht die Folge der Angriffe der Bürgerlichen sondern das Ergebnis einer langjährigen Sabotage aus den eigenen Reihen ist!

Die Durchdringung unserer Bewegung mit bürgerlichen Ideen aufgrund der Konzeptlosigkeit der Führung hat dazu geführt, dass ManagerInnen und KarrieristInnen die Bewegung an den Rand des Abgrundes getrieben haben. Personen wie Fritz Verzetnitsch haben es sich nicht mehr zur Aufgabe gemacht, für die Arbeiterbewegung sondern von ihr zu leben. Zur aktuellen Krise kam es nicht deshalb, weil es eine enge Verbindung zwischen Partei und Gewerkschaft gibt. In Wahrheit kann nur diese Verbindung garantieren, dass es in Zukunft nicht wieder zu ähnlichem kommt. Die Krise existiert deshalb, weil die Führungen beider Organisationen in ihrer gesamten politischen Ausrichtung zutiefst bürgerlich sind und keiner demokratischen Kontrolle unterliegen, sich somit komplett von ihrer Basis entfremden und eigene (soziale und politische) Interessen verfolgen.

Die Gewerkschaften und die SPÖ dürfen aber nicht die Spielzeuge von einzelnen KarrieristInnen sein. Sie sind die wichtigsten Werkzeuge der ArbeiterInnenbewegung zur Verteidigung ihrer alltäglichen Lebensinteressen, nur sie hat ein Recht darauf, sie nach ihren Wünschen zu gestalten. Holen wir uns unsere Partei zurück, holen wir uns unsere Gewerkschaft zurück!

Wenn wir uns nicht zu einem Spielball bürgerlicher Politik machen lassen wollen, müssen wir innerhalb der Partei und der Gewerkschaft den Kampf gegen das Karrieristentum und die Bürokratie aufnehmen. Diese Kampagne innerhalb von SPÖ und ÖGB sollte auf die Mobilisierung der gesamten Mitgliedschaft abzielen und könnte folgende Eckpunkte umfassen:

  • Rückbesinnung auf die Wurzeln der ArbeiterInnenbewegung
  • Kampf gegen die Politik von Schwarz-Blau-Orange (gegen Privatisierungen, Einsparungen, Sozialabbau, Demontage des Gesundheits- und Bildungssystems, für eine stark progressive Besteuerung von Vermögen und Unternehmensgewinnen)
  • Offenlegung der gesamten ÖGB-Finanzen
  • breite Diskussion über das Programm der SPÖ
  • Demokratisierung sämtlicher Partei- und Gewerkschaftsstrukturen
  • jederzeitige Abwählbarkeit aller FunktionärInnen
  • ArbeiterInnengehalt für FunktionärInnen

Gerade die schamlose Bereicherung vieler SpitzenfunktionärInnen aus Partei und Gewerkschaft und deren Verteidigung durch sie selbst zeigt, um was es diesen wirklich geht: Um sich selbst und nicht um die Arbeitsbedingungen und Lebensinteressen der Lohnabhängigen. Mit den daraus resultierenden Einkommen und Lebensbedingungen ist es kein Wunder, wenn sie unsere Bedürfnisse nicht mehr verstehen können. Solche 'GenossInnen' haben in unseren Reihen nichts verloren. Auch wenn manche zeigen, dass sie die Mitgliedschaft wie eine schmutzige Unterhose ablegen, wie es ein Herr Elsner getan hat, werden wir auf Dauer nicht darum herum kommen zu sagen, dass es in dieser Partei keinen Platz für die bürgerlichen KarrieristInnen gibt, die durch die Partei und Gewerkschaft zu materiellem Wohlstand und Karriere kommen. Klima, Androsch, Ruttensdorfer, Ederer, Goldmann, Hacker und Co. – wir brauchen Euch nicht in unseren Reihen. Ihr seid die 5. Kolonne der Bourgeoisie in den Reihen der ArbeiterInnenbewegung! Und schon gar nicht können wir diese Herrschaften in führenden Positionen brauchen.

Sie sind die Vergangenheit, bauen wir gemeinsam die Zukunft!

Derartigen Krisen können wir auf Dauer nur vorbeugen, wenn die Mitgliedschaft der Bewegung direkt in den Entscheidungsprozess eingebunden ist. Die Führung muss der Basis rechenschaftspflichtig sein, sie muss jederzeit abwählbar sein und sie darf auch materiell nicht über den Verhältnissen jener Menschen leben, die sie zu vertreten hat.

Nur wenn sie ständig den Druck von unten spürt, wird sie im Sinne jener handeln, die sie gewählt haben. Für die SPÖ bedeutet das, dass sie entschieden gegen Privatisierung und den Abbau der Errungenschaften der letzten Jahrzehnte kämpfen muss sowie dem Programm des sozialen Kahlschlags des Bürgerblocks ein sozialistisches Programm des Sozialausbaus entgegensetzt.

Als Konsequenz muss der ÖGB, endgültig mit der Sozialpartnerschaft, die ohnehin nur noch ein Wunschtraum einiger weniger FunktionärInnen ist, brechen und zu einem echten, konsequenten Kampf für die Rechte und Bedürfnisse der ArbeiterInnenbewegung übergehen.

Holen wir uns unsere Gewerkschaft und unsere Partei zurück! Sie wurden in den Kämpfen zur Durchsetzung unserer Klasseninteressen gegründet. Und angesichts der ständigen Angriffe auf unsere Rechte und Interessen durch die Bürgerlichen brauchen wir demokratische und kämpferische Gewerkschaften und eine Arbeiterpartei mit einem sozialistischen Programm, mit denen wir den Kampf für eine Gesellschaft frei von Ausbeutung und Unterdrückung führen können, in der die materiellen Ressourcen nicht für den Profit sondern zur Befriedigung unserer Bedürfnisse eingesetzt werden.

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