Gleicher Lohn für gleiche Arbeit statt Spaltung der ArbeiterInnenklasse!
- Details
- Erstellt am Freitag, 09. Oktober 2009 10:38
- von Matthias Schnetzer, SJ Wien/Alsergrund
Noch immer gibt es enorme Lohnungleichheiten zwischen In- und AusländerInnen. Warum? Laut aktuellen Studien verdienen MigrantInnen aus dem ehemaligen Jugoslawien, der Türkei und den zehn neuen EU-Staaten im Durchschnitt rund 20 Prozent weniger als österreichische Arbeitskräfte. Die Beschäftigungssituation vieler EinwandererInnen in prekären Arbeitsverhältnissen sowie ihre Konzentration in Niedriglohnbranchen spielen dabei eine wichtige Rolle. Aktuellen Zahlen zufolge sind zwei Drittel aller Arbeitskräfte mit Migrationshintergrund auf sechs Branchen konzentriert: Bauwirtschaft, Tourismus, Handel einschließlich Reparaturwesen, unternehmensorientierte Dienstleistungen, Erzeugung und Verarbeitung von Metallen sowie Verkehr und Nachrichtenübermittlung.
Die Ökonomin Gudrun Biffl sieht in Zeiten der konjunkturellen Abkühlung primär MigrantInnen in Niedriglohnbranchen von Arbeitsplatzabbau betroffen. Das kann hauptsächlich auf prekäre, leicht kündbare Arbeitsverträge, eine schwache Interessenvertretung für MigrantInnen, einen niedrigen gewerkschaftlichen Organisationsgrad in Dumpinglohnbranchen oder auch auf kräftige Produktionsschwankungen in diesen Sektoren zurückgeführt werden. Gerade in der Krise sehen sich daher vor allem MigrantInnen mit Arbeitslosigkeit konfrontiert. Karl Marx charakterisierte mit seinem Begriff der industriellen Reservearmee eben jenes Arbeitskräftepotenzial, das bei Hochkonjunktur beschäftigt wird, beim Abschwung jedoch sofort wieder in die Arbeitslosigkeit gedrängt wird.
"Der charakteristische Lebenslauf der modernen Industrie, die Form eines durch kleinere Schwankungen unterbrochenen zehnjährigen Zyklus von Perioden mittlerer Lebendigkeit, Produktion unter Hochdruck, Krise und Stagnation, beruht auf der beständigen Bildung, größeren oder geringern Absorption und Wiederbildung der industriellen Reservearmee", ist schon im ersten Band des Marx'schen Kapital zu lesen.
Wenn einE KapitalbesitzerIn in einer prosperierenden Wirtschaftslage erwartet, dass sein/ihr in die Produktion gestecktes Kapital eine entsprechende Verwertung erfährt, wird er/sie zusätzliche Arbeitskräfte anheuern, die beim ersten Anzeichen des Abschwungs möglichst unkompliziert und rasch wieder abgebaut werden können. In der modernen Industrie besteht dieser flexible Pool an Arbeitskräften meist aus MigrantInnen, Jugendlichen und Frauen.
"Man führte tausend diskriminierende Maßnahmen ein (vor allem, was die Gewährung gleicher bürgerlicher, politischer und gewerkschaftlicher Rechte anbelangte), um ihre intellektuelle und moralische Entwicklung zu unterbinden und sie in dauernder Einschüchterung und verstärkter Ausbeutung zu halten", beschreibt Ernest Mandel in seiner Einführung in den Marxismus das Schicksal von ArbeitsmigrantInnen in der kapitalistischen Produktionsweise. Für die KapitalistInnen sind Diskriminierung, Rassismus und Ungleichheit somit unabdingbare Pfeiler der Profitmacherei, denn sie schaffen billige, flexible Arbeitskraft und drücken zudem auf das Lohnniveau der gesamten ArbeiterInnenschaft.
"Sind sie [Diskriminierung und Rassismus, Anm.] nicht notwendiges Übel oder gar bewusst geschaffene Umstände wirtschaftlicher Interessen und Politiken, ohne die, die Arbeitswelt gar nicht zu denken wäre? Es stellt sich die Frage, ob es überhaupt einen politischen und wirtschaftlichen Willen gibt, strukturelle Diskriminierungen abzubauen. Denn dort, wo es eine diskriminierte Gruppe gibt, findet sich auch immer eine Gruppe, die durchaus von dieser Diskriminierung profitiert", schreibt die Ökonomin Theodora Manolakos in einem Artikel. Mit diesen Worten ist auch die Problematik juristischer und parlamentarischer Bemühungen zur Gleichstellung von MigrantInnen umrissen. Denn das Interesse jener, die an den Schalthebeln der Politik sitzen, ist die Erhaltung der herrschenden Verhältnisse.
Auch wenn das Streben nach Gleichstellung historische Programmatik der ArbeiterInnenbewegung ist, bleiben Antidiskriminierungsgesetze meist schöne Worte auf Papier, fern jeglicher praktischen Umsetzung. Die Erkenntnis, dass Diskriminierung und Ausbeutung ihre feste Verwurzelung in der kapitalistischen Produktionsweise haben, schützt zumindest vor der frustrierenden Überraschung, dass Gleichstellungsgesetze mit EU-Stempel keine Befreiung für die arbeitenden Menschen unabhängig ihrer Herkunft bedeuten. Diskriminierung wird erst dann beseitigt werden können, wenn auch ihr Ursprung abgeschafft wird: die Klassengesellschaft.