Frauen und ArbeiterInnenbewegung: Gestern wie heute eine ungleiche Beziehung

War der 8. März einmal der Kampftag für Frauenrechte, so wird er heute oft als Alibiaktion verwendet. Alle Publikationen der ArbeiterInnenbewegung berichten am 8. März über die Benachteiligung der Frauen in der Gesellschaft, am Arbeitsplatz, in der Familie ...; oft gleichen die Artikel fast aufs Wort denen vom Vorjahr. Das eigenen Bemühen wird hervorgehoben, Lippenbekenntnisse für das nächste Jahr wiederholt und die besten Frauen (jene also, die trotz Mehrfachbelastung/-ausbeutung ohne Probleme ihr „Leben schupfen“) in die Auslage gestellt. Die eigenen Leichen im Keller werden wohlweislich unterschlagen.

„Die bessere Hälfte“

Frauen (und Kinder) waren die ersten, die in den Fabriken bis zu 18 Stunden Bekanntschaft mit einer neuen und extremen Form der Ausbeutung im Frühkapitalismus machten, was einer der Gründe für die ersten Formen einer ArbeiterInnenbewegung war. Trotzdem wurden sie zunächst von ihren männlichen Kollegen und Gewerkschaftsaktivisten als „Schmutzkonkurrenz“ angesehen, die aus den Fabriken vertrieben werden müsse. Die Organisierung von Frauen wurde oft gegen den erbitterten Widerstand von Männern durchgeführt.

Ebenso wurde die aktive Beteiligung von Frauen in der Partei nicht gerne gesehen. So setzte sich Viktor Adler – als Kompromissvorschlag für die Bürgerlichen – nur für das Wahlrecht für Männer ein, auch wenn die Partei dieses auch für Frauen forderte. Die Anwesenheit der Delegierten zum Einigungsparteitag in Hainfeld Anna Altmann wurde verhindert, und dort, wo Frauen zugelassen wurden, wurden ihnen männliche Aufpasser vorgesetzt. Der herrschende Sexismus in der eigenen Organisation hinderte (damals wie heute) viele Frauen daran, sich der Bewegung anzuschließen.

Durch den großen Zustrom von Frauen in die ArbeiterInnenbildungsvereine sahen sich aber sowohl die Gewerkschaften als auch die Sozialdemokratie schließlich gezwungen zu handeln, wollten sie eine Verselbstständigung der Frauenbewegung verhindern. Ab 1900 in der Gewerkschaft bzw. ab 1908 in der Partei wurden eigene Frauenabteilungen bzw. -referate geschaffen, um die Arbeiterinnen „an die Bewegung zu binden“, wiewohl dies ursprünglich ein Vorschlag aus den Reihen der weiblichen Mitglieder zur Selbstorganisation der Frauen war. Dennoch hinkte das Bewusstsein vieler Genossen hinterher. Der Versuch, verheiratete Frauen zu organisieren, stieß beim Parteisekretär Schuhmeier auf blankes Entsetzen. Er meinte dazu, „dass sie meine bessere Hälfte nicht mehr organisieren brauchen, die hab ich mir selbst organisiert!“

Der Zuwachs von weiblichen Mitgliedern änderte sich ab 1914 schlagartig. Da die Männer an der Front waren, wurden Frauen massenhaft in den Produktionsprozess gezogen. Inspiriert von der Russischen Revolution gab es noch während des Weltkrieges auch in Österreich eine Streikwelle, die vor allem von Frauen getragen wurde. Ebenso waren die ersten Demonstrationen für den Frieden hauptsächlichen von Arbeiterinnen getragen. Bei den neu gegründeten ArbeiterInnenräten lag die Frauenbeteiligung bei ca. 30%, in der Gewerkschaft stieg der Anteil der Frauen von 1913-1919 um 34%. Ausschlaggebend dafür war, dass es in der damaligen Rätebewegung zu einem Bruch mit der StellvertreterInnenlogik kam und die Menschen ihr Leben selbst in die Hand nahmen. Wichtig dafür war auch, dass versucht wurde, die zentralen Probleme von Frauen (Lebensmittelbeschaffung, Wohnungsnot, Kinderbetreuung) kollektiv zu lösen.

„A bisl schwanger gibt’s net, a bisl Emanzipation auch nicht!“

Doch genau diese (ökonomische) Selbstbestimmtheit griff die eigentliche Wurzel des Übels an – das kapitalistische System, das von der Frauenunterdrückung profitiert, wenn es diese nicht gar zum Überleben braucht. Ein paar schöne Regeln für die Gleichstellung kann es ja noch akzeptieren, aber die von den Frauen gratis geleistete Reproduktionsarbeit (Kinderbetreuung, Altenpflege, ...) und ihre Funktion als industrielle Reservearmee dürfen keinesfalls in Frage gestellt werden. So meinte Helga Lechner-Kolisko (ÖVP-Frauen) noch 1955: „Die im Erwerbsleben stehende Mutter muss als soziale Fehlentwicklung bezeichnet werden“ – eine Position, die bis heute (z.B. von Eva Herman) verteidigt wird.

Mit dem zusätzlichen Bedarf der Wirtschaft an Arbeitskräften nach 1945 wurden mit Hilfe der Gewerkschaften ganze Billiglohnbereiche geschaffen, wo Frauen schlechter gestellt und um weniger Geld arbeiten. Die Rolle in der Familie aber blieb – und auch die damit verbundene Belastung. Und hier liegt der Hund auch begraben. Selbst wenn sich die Situation der Frauen (auch dank der Frauenbewegung) verbessert hat, werden die ökonomischen Ursachen der Frauenunterdrückung von der Gewerkschaft heute nicht mehr bekämpft.

Auf die geringere Beteiligung von Frauen in den Gremien gibt es rein organisatorische Antworten. Das meist strapazierteste Wort im ÖGB-Reformprozess war mit Sicherheit „Frauen“ und danach „Erhöhung des Frauenanteils“ sowie „Frauenquote“. Die zahlreichen Maßnahmen wie Quoten, Frauenabteilungen, Frauensekretariate usw. ändern aber nur wenig an geringeren aktiven Beteiligung von Frauen in der ArbeiterInnenbewegung. Vielmehr wurde damit ein Thema, das alle betrifft, per Dekret – an die Frauen selbst – abgeschoben.

Anstatt Rollenbilder und den Sexismus in den eigenen Reihen politisch zu bekämpfen, wird das Problem negiert und auf einige Frauen in den höchsten Gremien verwiesen. Übersehen wird dabei, dass es für eine aktive politische Beteiligung von Frauen auch die erforderlichen Rahmenbedingungen braucht! Solange die Mehrfachausbeutung der Frauen nicht beseitigt wird, kann keine Gleichstellung stattfinden!

Gerade dann, wenn der Kapitalismus in eine Krise schlittert, wird zuerst zu Maßnahmen gegriffen, welche sich auf Frauen drastischer auswirken: niedrigere Gehaltsabschlüsse in Frauenbranchen, z.B. im Sozial- und Gesundheitsbereich, und Arbeitszeitverlängerungen. Besonders längere Arbeitszeiten wirken sich wegen der Mehrfachbelastung dahingehend aus, dass die politischen Aktivität von Frauen sinkt. Eine Voraussetzung für die breitere Beteiligung von Frauen ist folglich die konkrete Verbesserung unserer Lebensumstände und insbesondere der Arbeitsbedingungen – mehr Kinderbetreuungsplätze und die Rücknahme der verlängerten Ladenöffnungszeiten zum Beispiel.

Die undemokratischen Strukturen des ÖGB motivieren Frauen auch nicht gerade dazu, sich aktiv einzubringen. Ein echter Kampf für die Gleichstellung von Frauen muss daher demokratisch und antikapitalistisch sein, alles andere kann bestenfalls als schöne Sonntagsrede eines sentimentalen Pfaffen gelten!

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