Das freiwillige (a)soziale Jahr

In der Bundesheerdebatte wurde das „freiwillige Sozialjahr“ als Ersatz für den Zivildienst ins Spiel gebracht. Aktuell wird es schon wieder diskutiert, da ab 2015 laut Regierung nicht mehr genügend Zivildiener zur Verfügung stehen. Doch was bedeutet dieses von der SPÖ favorisierte Modell für Beschäftigte und KlientInnen?

2011 wurden ca. 13.500 Zivildiener den verschiedenen Organisationen für einen neunmonatigen Einsatz zugewiesen. 80% von ihnen sind bei Rettungsdiensten, in der Altenpflege, der Behindertenhilfe oder im Sozialdienst tätig. Die großen Organisationen (z.B. Caritas, Volkshilfe oder der Arbeitersamariterbund) würden ohne die Leistungen der Zivildiener das laufende Geschäft nicht mehr aufrechterhalten können. Für den „Ersatzdienst“ bekommt der Zivildiener rund 300€ Grundgehalt. Zu Recht wurde gerade von den Beschäftigten selbst der Zivildienst als Sklavendienst bezeichnet, der einerseits Lohndumping forciert und dem Klientel schlecht bezahlte und ausgebildete und meistens nicht sehr motivierte Betreuer zur Verfügung stellt. Wäre also das freiwillige soziale Jahr ein Fortschritt?

Mit dem Profiheer sollte laut SPÖ nun auch der Zivildienst professionalisiert und zeitgemäßer werden. Gegen den Zwang und für eine gerechte Bezahlung klingen sehr nach Forderungen einer vielleicht schon tot geglaubten sozialdemokratischen Politik. Das Modell sieht für Männer und Frauen ab 18 Jahren eine 14malige Bezahlung von rund 1380€ brutto vor. 8.000 Freiwillige sollen damit angelockt werden. Als besonderes Schmankerl wird eine anrechenbare Ausbildung von ganzen 180 Stunden (ca. 4,5 Wochen!) in Aussicht gestellt. Das Einsatzfeld bleibt gleich. Die LeiterInnen der großen Organisationen haben sich schon vorsichtig positiv zu diesem Modell geäußert.

Zukunftsbranche

Es gibt zurzeit keinen größeren, boomenden Sektor als den Gesundheit- und Sozialbereich. 2016 sollen bereits über 280.000 Menschen dort arbeiten. Dies wirft natürlich die Frage der Finanzierung auf. Gerade in den letzten Jahren ist diese Branche enorm unter Druck geraten. Dieser findet auf mehreren Ebenen statt: Erstens wird die Arbeitsleistung intensiviert (mehr PatientInnen pro Dienst), zweitens werden immer mehr Beschäftigte in falschen Gehaltsschemata eingestuft (Sozialarbeiterin als Sozialberaterin) und drittens gibt es neuerdings eine unglaubliche Fülle an „neuen Teilausbildungen“ gerade im Kinder-, Behinderten- und Altenbereich. Diese Crashkurse sind in der Regel schlecht und unzureichend, um den Dienst am Menschen qualifiziert durchzuführen. Überforderung, Unzufriedenheit und auch unprofessionelles Handeln sind die Folge.

Sozialdumping

Mit dem neuen Modell würde vor allem eines passieren: Der oben erwähnte Trend wird fortgesetzt und rechtlich bestärkt: Ein staatlich verordnetes Lohndumping. Von der Generation Praktikum in die Generation unfreiwillig freiwilliges soziales Jahr. Denn eines ist auch klar: JedEr DienstegberIn wird einer/m BewerberIn wärmstens das freiwillige soziale Jahr ans Herz legen, bevor sie/er eine Stelle als z.B. BehindertenbetreuerIn bekommt. Die Entlohnung des sozialen Jahrs, liegt weit unter den Mindestlöhnen der jeweiligen Kollektivverträge für die tatsächlich ausgeübten Tätigkeiten. Somit käme es weiterhin zur einer Verdrängung von ausgebildeten KollegInnen.

Ausbildung und Erfahrung werden unter den (Anstellungs-)Teppich gekehrt. Zurück bleiben überforderte und unzufriedene Beschäftigte. Einen 180 Stunden-Kurs als Ausbildung zu verkaufen, mit der dann gut gearbeitet werden kann, ist einfach nur eine Unverschämtheit und zeigt die nicht vorhandene Wertschätzung gegenüber der jetzt geleisteten Arbeit der ProfessionistInnen. Und es ist einfach eine Schande, dass dieses Modell gerade von einem Sozialminister und ehemaligen Gewerkschaftsvorsitzenden vorgeschlagen wird. Den direkt Betroffenen – den KlientInnen und PatientInnen – wäre mit diesem Modell keinesfalls geholfen.

Viele KollegInnen verfolgen kritisch die Entwicklungen der letzten Jahre. Es gibt Zusammenschlüsse der Beschäftigten in den unterschiedlichen Bereichen. Betriebsversammlungen und Protestaktionen kommen wieder in Mode. Das sind gute Entwicklungen und diese gilt es auch in der Gewerkschaftsbewegung umzusetzen. Schluss mit den Ausbeutungsdiensten und Freiwilligen-Mythen. Wir fordern Löhne, von denen wir leben können und gute Rahmenbedingungen, um die Arbeit leisten zu können, die sich unser Klientel verdient hat. Doch das braucht eine ausreichende Finanzierung der Sozialbetriebe. Die große Herausforderung besteht daher heute darin, trotz Krise und Spardiktat den Kampf für ausreichend hohe Sozialbudgets zu führen.

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