20 zu 15: Die bessere Sozialdemokratie

Die gestrige Gemeinderatswahl in Graz hat für viele ein sensationelles Ergebnis gebracht – v.a. für die Massenmedien, die es wieder einmal nicht verstehen können, dass die bürgerlichen Parteien verloren haben. Für andere war dieses Ergebnis durchaus vorhersehbar.

Die Führung der Bundes-SPÖ hatte sich schon lange und gut auf dieses Ergebnis vorbereitet. Seit Wochen wurde argumentiert, dass es sich dabei um eine reine Lokalwahl handelt, die mit der Bundespartei rein gar nichts zu tun hat. Das stimmt aber nur teilweise. Tatsächlich macht die KPÖ in Graz die sozialdemokratischere Politik als die SPÖ. Sie kümmert sich um konkrete soziale Anliegen der Menschen – insbes. im Bereich Wohnen – so wie es sich für gute sozialdemokratische Lokalpolitik eben gehört. Dabei nimmt sie im Gegensatz zu vielen LokalpolitikerInnen der SPÖ weniger Rücksicht auf die Interessen des lokalen Kapitals. Das ist gut und richtig so. Denn mit einer solchen Rücksichtnahme können die Interessen der lohnarbeitenden Menschen nicht erfolgreich umgesetzt werden.

Und die Grazer KPÖ hat sich schon seit langem vom Kurs der alten stalinistischen KPÖ verabschiedet. Sie ist eine reformistische Partei geworden, die ihren Daseinszweck in der Umsetzung konkreter Reformen für die Menschen sieht. Von der Infragestellung des kapitalistischen Systems hat sie sich leider schon lange verabschiedet. Das ist das lokale Phänomen der Grazer KPÖ, welches sie deutlich erfolgreicher macht als die KPÖ im Rest des Landes. Damit ist die KPÖ in Graz heute einfach die sozialdemokratischere Sozialdemokratie als die SPÖ.

Gleichzeitig wäre es mehr als verkürzt, die allgemeinen gesellschaftlichen Phänomene zu übersehen, welche bei dieser Wahl eine Rolle gespielt haben. Die arbeitenden Menschen, die PensionistInnen und die Jugend sind verzweifelt auf der Suche nach einer politischen Kraft, welche dazu im Stande ist, die kontinuierliche Verschlechterung ihrer Lebensbedingungen zu verhindern. In Graz meinen viele, diese Kraft sei die KPÖ. In Griechenland wiederum hat die linke SYRIZA die Sozialdemokratie nach aktuellen Umfragen schon ums Doppelte überholt. In anderen Ländern wiederum kehrt die Sozialdemokratie nach einem konservativen Jahrzehnt an die Macht zurück.

Wir können also den Beginn eines gesellschaftlichen Umschwungs nach Links erkennen. Und dabei werden im Regelfall jene Kräfte gewählt, die 1. die beste Verankerung in der ArbeiterInnenbewegung haben und 2. über jenes Programm verfügen, welches für die Massen nachvollziehbar ihren Interessen am Besten entspricht.

Jedenfalls haben die Gemeinderatswahlen in Graz einmal mehr klar gemacht, dass nur jene politischen Kräfte eine Chance auf Wahlerfolge haben, welche zumindest versuchen, den Interessen der Massen zu entsprechen. In Österreich erfordert das heute eine massive Umverteilung von oben nach unten. Jene politischen Kräfte, welche eine solche auf ihre Fahnen schreiben, haben gute Chancen, bei den nächsten Wahlen zu profitieren. Insofern wäre es für die SPÖ z.B. deutlich klüger gewesen, eine Volksbefragung über die Einführung von Vermögenssteuern zu erzwingen, statt in trauter Eintracht eine solche über die Frage der allgemeinen Wehrpflicht durchzuführen.

Wie alle Meinungsumfragen der letzten Zeit zeigen, sind nämlich 70-80% in Österreich der Meinung, dass die Vermögenden kräftig zu Kasse gebeten werden müssen. Eine Volksabstimmung dazu wäre also locker zu gewinnen gewesen und hätte damit die Ausgangsbasis für die anstehenden Wahlen deutlich verbessert. So wie eben die jahrelange beeindruckende Arbeit der lokalen KPÖ im Bereich der Sozialpolitik die Basis für ihre heutigen Wahlerfolge in Graz gelegt hat. Daraus sollte die SPÖ lernen.

Wer heute meint, die Interessen aller Menschen in diesem Lande vereinbaren zu können, der/die liegt gewaltig falsch. Nur mit einer eindeutigen Positionierung lassen sich Wahlen gewinnen und auch gesellschaftliche Veränderungen herbeiführen. Wer sich heute nicht eindeutig gegen die Interessen des Kapitals stellt und Position für die breite Masse der Bevölkerung bezieht, wird politisch verlieren – das mussten ÖVP und SPÖ bei den Grazer Gemeinderatswahlen schmerzhaft zur Kenntnis nehmen.

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