Was gibt's da zu feiern?

Wie jedes Jahr steht auch diesmal der 1. Mai voll und ganz in der Tradition, die Errungenschaften der ArbeiterInnenbewegung zu feiern. Nach der gewonnenen Bundespräsidentschaftswahl und der bevorstehenden Wienwahl ist es der Partei besonders wichtig, Einigkeit, Stärke und vor allem Erfolg zu stilisieren.

Einem Vergleich mit der Lebenssituation der Menschen, die die Sozialdemokratie vertritt, hält die Jubelstimmung in der Partei aber nicht stand. Der 1. Mai steht in der Tradition harter Klassenkämpfe, die die Sozialdemokratie für höhere Entlohnung, kürzere Arbeitszeiten und demokratische Rechte geführt hat. Die Errungenschaften dieser Kämpfe, auf die wir zu Recht stolz sein können, werden aber seit Jahren in einem gigantischen Projekt bedingungslos prokapitalistischer Politik zurückgefahren. Und nur zu oft mit tatkräftiger Unterstützung der SPÖ.

Steigende Arbeitslosenzahlen vor allem bei Jugendlichen und älteren Menschen, sinkende Reallöhne und immer mehr "flexible", KV-freie Beschäftigungsformen, das laufende Kaputtsparen des Sozial- und Gesundheitswesens und vieles mehr zeugen von einer Situation, die mit jener zu Beginn des 20. Jahrhunderts erschreckende Ähnlichkeiten aufweist.

Damals verstand sich die Sozialdemokratie als eine Bewegung gegen soziale und politische Missstände und die Herrschaft des Kapitals und wurde so zur Massenkraft. Kein Wunder, dass in dieser Zeit auch der 1. Mai als Kampftag der ArbeiterInnenklasse durchgesetzt wurde. So war der prominente Sozialdemokrat Victor Adler im Zuge dieser Aktivitäten sogar eine Zeit lang im Gefängnis eingesessen.

Heute sieht sich die SPÖ im Gegensatz dazu viel lieber als Verwalterin des krisengeschüttelten kapitalistischen Systems und steckt daher selbst in der Krise. Wenn wir die Tradition des 1. Mai ernst nehmen, müssen wir ihn wieder als Kampftag verstehen, an dem für Umverteilung und gegen Kapitalismus gekämpft wird.

Der Versuch, Erfolge der Sozialdemokratie zu feiern (oder zu beschwören), an denen die mit immer mehr Armut konfrontierten arbeitenden Menschen in diesem Land aufgrund einer ihren Anliegen gegenüber bestenfalls halbherzigen SPÖ-Linie nicht teilhaben, ist heuer erst recht völlig fehl am Platze.

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