"Weiß mit Möpsen drauf"

Gern tut die herrschende Klasse in Österreich so, als ob sie kein Wässerchen trüben könnte, tatsächlich sieht es aber ganz anders aus - die Korruption grassiert.

So unschuldig wie im Titel beschreibt Fiona ihren Adventskranz, und es sei ihr unbenommen. Alle, die da rundherum sitzen, sind dies sicher nicht. Zehn Jahre nach der schwarz-blauen Wende werden nackte Zahlen der Umverteilung gesellschaftlichen Eigentums hin zu Österreichs Reichen und Schönen auch in der breiten Öffentlichkeit zu Fleisch mit Namen und Adresse. Keine politische Maßnahme, bei der nicht einE FreundIn kräftig bedacht wurde.

Hypo-Alpe-Adria ist der Prototyp des schwarz-blau-orangen Selbstbereicherungskarussells. Hier eine öffentliche Bank, da eine Privatisierung, dazwischen eine Partie von AbkassiererInnen ("Zwischenfinanzierung") aus Wirtschaft, Gesellschaft und Politik. Dann ein Geschäftsmodell, das keine Grenzen der Legalität kennt, sich auf riskanteste Finanzierungen stützt, politische Freundschaften bedient – und die Geldwäsche der Kriegsmafia betreibt, die sich an den zahlreichen Bürgerkriegen im ehemaligen Jugoslawien ein goldenes Näschen verdient hat.

An der Bande stehen impotente parlamentarische Untersuchungsausschüsse, Staatsanwälte, die entweder Gefälligkeitsgutachten ausstellen oder unmotiviert sind bzw. von der Justizministerin demotiviert wurden, auch der Schlampigkeitsteufel hat dann und wann zugeschlagen und Akten wurden verlegt bis der Sachverhalt sich verjährte. Was dann übrig blieb – Schulden, Bankrott und Staatshaftungen über 18 Mrd. Euro – darf dann wieder die "Gemeinschaft" übernehmen.

Politischer Aufstieg

Rassismus und soziale Demagogie, die sich durch Angriffe auf die "roten Bonzen" und die "Altparteien" artikulierte, fielen in den neunziger Jahren auf fruchtbaren Boden in der WählerInnenschaft, auch in der ArbeiterInnenklasse. Im März 2006 konnten sie den Roten auch noch den schwarzen BAWAG-Korruptions-Peter anhängen. Dies machte das bis dahin schmuddelige "Dritte Lager" auch unter Österreichs KapitalistInnen attraktiv.

Haider demolierte die Sozialdemokratie, deren Führung ihm keine überzeugenden linken Antworten auf soziale Probleme entgegensetzen konnte, und eröffnete die Perspektive einer rein bürgerlichen Regierung, die mit dem institutionellen Nachkriegskompromiss zwischen BürgerInnentum und ArbeiterInnenklasse endlich aufräumen würde. Und er bespielte alle Orgeln perfekt.

Die permanenten politischen Kampagnen der FPÖ, sowie der glamouröse Lebens- und Politstil, zu dem ein ganzer Stab an aufstiegswilligen, geldgierigen, geschichtslosen und moralfreien Juppies (die "Buberlpartie") gehörte, wurden ab den 1990ern von Urgesteinen der österreichischen Bourgeoisie finanziert. Ein wichtiger Türöffner in die Welt der österreichischen Großfinanz kommt der Industriellendynastie Turnauer zu. Der 2001 verstorbene Familienpatriarch hat der FPÖ in den neunziger Jahren mindestens 12 Millionen Schilling in bar (im Plastiksackerl) zukommen lassen.

Eine weitere Querverbindung zu den Reichen und Schönen ergab sich aus dem Umstand, dass mehrere Angehörige der deutschen Hochfinanz aufgrund der nicht vorhandenen Vermögensbesteuerung in Österreich und dem angenehmen Klima am Wörthersee ihre Gelder und ihre alten Knochen hierzulande ablagerten. Die Familien Flick – die reichste Familie Deutschlands (ja genau: die mit der Sargentführung) – und Horten zählten zu Gönnerinnen und Bewunderinnen Haiders und arbeiteten an seiner Hoffähigkeit.

Mit der Eroberung des Kärntner Landtages konnten dann unter dem Schlagwort der "Entpolitisierung" und der "unabhängigen Experten" in erweiterter Stufenleiter Posten vergeben und Karrieren eingeleitet werden. Prominentester Exponent dieser Seilschaft ist Veit Sorger, Generalsekretär der Industriellenvereinigung, und Hypo-Investor, der sich im Kärntner Energieversorger Kelag die ersten Sporen in der privat-public Geschäftemacherei verdienen konnte und einen eleganten Verbindungsmann ins ÖVP-Lager abgibt.

Tilo Berlin, Anführer der Hypo-Invstorengruppe, wiederum ist Vermögensberater in Hamburg, gilt aber politisch als waschechter Kärntner: Er ist stellvertretender Obmann der Ullrichsberggesellschaft. Im Hypo-Alpe-Adria-Sumpf finden sich alle wie bei einer Familienfeier wieder, der Vergoldung ihrer LebensabschnittspartnerInnenschaft.

Fiona & KHG überall dabei

Erst sechste Wahl soll er im Jahr 2000 für den Posten des Finanzministers gewesen sein, und sofort zugesagt haben. Er wurde zu dem Mann der Industriellenvereinigung in ihrer Regierung, der Mister Privatisierung mit der privat gesponserten Homepage. Schon während der Privatisierungswelle war klar, dass Staatseigentum zum Discountpreis verschleudert wird.

Die Zerschlagung der ÖBB schuf hunderte Vorstands- und Aufischtsratsposten, die alle im Namen der Entpolitisierung mit schwarz-blau-orangen Schützlingen und AbzockerInnen besetzt wurden. Besonders im Immobilienbereich wurde so manches Schnäppchen gerissen. KHG selbst hat keine Möglichkeit der privaten Bereicherung ausgelassen, am Hypo-Deal war er mit einer halben Million beteiligt.

Und sonst war da noch: Insidergeschäfte bei der Buwog-Privatisierung, mit (steuerfreien) 9,61 Millionen Euro Bestechungsgeldern, Anlagebetrug bei der Meinl-Bank (European Land und Meinl International Power), Bestechungszahlungen beim Linzer Terminal Tower mit Querverbindungen zur Raiffeisen Landesbank und Porr AG, Geschäftemachereien beim Umzug des Finanzministeriums. Wir müssen es hier kurz halten: eine im April 2009 bei der Staatsanwaltschaft eingegangene Anzeige gegen KHG lautet auf: schweren Betrug, Amtsmissbrauch, Anstiftung zum Amtsmissbrauch, verbotene Intervention und Steuerhinterziehung.

Bisher wurde Grasser in keinem einzigen Fall von der Staatsanwaltschaft einvernommen, dafür bekam sein Anwalt einen Privattermin mit seiner langjährigen Freundin Justziministerin Bandion-Ortner: ein gemeinsames Mittagsessen in einem Wiener Nobellokal, in dem auch die Staatsanwälte ihre Mittagspause verbringen.

Ali und die 40 RäuberInnen

Parteiübergreifende Querverbindungen ins ÖVP-Lager sind in den meisten Fällen nachvollziehbar. Allein nicht alle gustieren die Wild-East-Show der Freiheitlichen. Trips zu Saddam Hussein, Geschäftsanbahnungen mit Gadaffi und russischen Oligarchen gefährden andere Geschäftsinteressen. Die klassische Partei des Bürgertums ist die ÖVP und die mag es dezenter. In ihrem Umfeld residiert etwa der Hendlbauer Graf Mendsdorf Poully, Ehemann der ehemaligen Bundeseschäftsführerin und Minsterin a.D. Rauch Kallat.

Graf Ali, wie er sich von seinen FreundInnen nennen lässt, verfügt über adelige familiäre Beziehungen, welche bei mehreren Rüstungsgeschäften entscheidend gewirkt haben sollen, u.a. beim Eurofigther, für dessen Lobbying er 13 Millionen Euro zu verteilen hatte. Er deckte damit ein Operationsfeld des Rüstungskonzerns ab, andere Klientel im Staats- und Parteienapparat wurden über freiheitliche Politgeschäftsparnter (etwa die Rumpolds) bedient. Auch andere (teilstaatliche) Betriebe wie OMV und Telekom nahmen die Dienste des Grafen gern in Anspruch, etwa für lustige Treibjagden im Burgenland und Marktstudien. Nach einer kurzen Verhaftung in Britannien und einem Deal seines Auftragsgebers, dem Rüstungskonzern British Aerospace, mit der britischen Staatsanwaltschaft glaubt der Graf nun, einer Strafverfolgung in Österreich entgehen zu können. Gegenteiligen Annahmen, geäußert etwa von Werner Faymann, tritt die Justizministerin entsetzt entgegen: die Unabhängigkeit der Justiz würde durch solche Aussagen gefährdet. Eine Massenbasis der österreichischen Bourgeoisie sind jedoch die VerwaltungsbeamtInnen. Dies ist auch der Grund dafür, dass es eine einschneidende Verwaltungsreform in Österreich nie geben wird. Schützend hält hier die ÖVP die Hand über ihre Klientel. Unter Innenminister Strasser wurde kräftig nach Parteibuch umbesetzt. Die Belege für diese Freundschaftsdienste liegen bei der Staatsanwaltschaft – und wurden dort "verlegt". Kann passieren.

Alles was hier geschrieben steht, sind Behauptungen und Vermutungen, für alle gilt die Unschuldsvermutung. Wir dürfen annehmen dass es dabei bleiben wird und eine Justizverfolgung und Verurteilung in allen Fällen ausbleiben wird. Die politische Feststellung jedoch steht im Raum: Die Bürgerlichen bedienen sich an öffentlichem Eigentum, schüren rassistische Vorurteile und entfachen "Sozialschmarotzer"-Debatten. Die ArbeiterInnenbewegung muss sich klar und deutlich von diesen RäuberInnen distanzieren und mit den Bürgerlichen brechen.

Die Erzeugung von Interessengleichheiten zweier Menschengruppen, die aufgrund ihrer konträren Stellung zum Eigentum gegnerische Interessen haben – die einen sind InhaberInnen der Produktionsmittel, die anderen Lohnabhängige – dient immer den Besitzenden. Klassenbewusste ArbeiterInnen und Jugendliche bekämpfen daher Versuche, solche "Gemeinschaften" herzustellen. Die beliebten Themen, die uns spalten und schwächen, sind Außenfeinddebatten ("amerikanische Banken", AsylantInnen, "Sozialschmarotzer" usw.), die den Schleier über die tatsächlichen Bedrohungsszenarien unseres Lebensstandards werfen. Die bürgerlichen Polit- und Wirtschaftsskandale haben heute eine solche Dichte erreicht, dass wir sie eher als gängige Regel verstehen müssen, denn als Ausnahme. Der Staat, seine Institutionen, Gesetzgebung und Exekutive, seine wirtschaftlichen Aktivitäten sind der Lebensnerv und Nährboden einer Klasse, die nichts als ihr eigenes Wohlergehen im Sinn hat.

Die ArbeiterInnenbewegung muss diese Tatsachen erkennen, um sie bekämpfen zu können. Sie darf sich weder in den Parlamenten noch in den Ämtern diesem Druck beugen, sondern muss ihn offensiv anklagen und in die Öffentlichkeit zerren. Die Morschheit der bürgerlichen Gesellschaft würde sonst zur Fäulnis der Organisationen unserer Klasse werden.

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