Zur aktuellen politischen Lage und der Verfassung der Koalition

Gesundheitsreform, Privatisierungsdebatte, Steuergeschenke für die Reichen - diese Regierung weiß wem sie zu dienen hat. Die ÖVP bzw. die Wirtschaft gibt weiterhin den Ton an, und Kanzler Gusenbauer und die ÖGB-Spitze machen fleißig mit. Und das auf unsere Kosten!

Das zentrale Konfliktfeld der letzten Wochen war und ist die Gesundheitsreform - oder genauer gesagt, die Sanierung der Krankenkassen, die von der schwarz-blauen Regierung kaputt gespart wurden. Einmal mehr entstammt die Regierungsvorlage aus der Feder der "Sozialpartner". Der Plan war klar: wenn sich Wirtschaftskammer und ÖGB einig zeigen, dann kann von Anfang an Konsens vorgegaukelt werden und der nächste Angriff auf die Interessen der Lohnabhängigen kann ungestört über die Bühne gebracht werden. Die ÖGB-Spitze gibt sich für diese Drecksarbeit gerne her, ist dies doch die einzige Möglichkeit nach der schwarz-blauen Wende und dem BAWAG-Skandal wieder in den erlauchten Kreis der angeblich politisch Mächtigen aufzusteigen. Und die Kapitalseite kann mit einer "Sozialpartnerschaft" sehr gut leben, wenn sich der ÖGB als handzahmes Schoßhündchen gibt.

Anfangs schien der Plan voll aufzugehen, doch in der Zwischenzeit haben sich unübersehbare Sturmwolken zusammengebraut. Die ÄrztInnen (sowohl aus dem niedergelassenen Bereich wie aus den Spitälern) stehen auf den Barrikaden und planen Demos sowie die Schließung der Ordinationen während der Fußball-EM. Dies ist für die Regierung umso ärgerlicher, weil sich gerade zur EURO Gusenbauer und Molterer in erster Linie das Match liefern wollten, welcher Politiker am narrischsten rot-weiß-roten Hurra-Patriotismus verkörpern kann (wobei wir hier Gusi durchaus die besseren Chancen geben würden!). Was aber für die Regierungs- und Kapitalpläne noch ärgerlicher ist: Nun formiert sich ausgehend von Oberösterreich auch in den Gewerkschaften Widerstand gegen die Selbstentmachtung in den Gebietskrankenkassen.

Was bedeutet diese Gesundheitsreform?

Wie wir immer betont haben, wünscht die ÖVP prinzipiell eine weitere Aushöhlung des öffentlichen Gesundheitssystems, um den Gesundheitsmarkt möglichst auszuweiten. Enorme Summen sind hier im Spiel, und die Zugriffsmacht der Gewerkschaften über die Selbstverwaltung der Krankenkassen darauf muss gebrochen werden. Nur wenn die WirtschaftsvertreterInnen in den Kassen das letzte Wort haben, dann kann dieses Ziel ungestört in Angriff genommen werden. Das ist die Logik hinter dieser Strukturreform. Die Folgen für die PatientInnen werden fatal sein. Die Kassen sind schon bisher in der Wahrnehmung der PatientInnen die Institution, welche auf ihre Kosten Einsparungen trifft und Medikamente oder Behandlungen nicht zu zahlen bereit ist. Das wird sich in Zukunft weiter verschärfen. Damit soll eine öffentliche Stimmung geschaffen werden, dass die Sozialversicherung ohnedies keinen Sinn mache. Die Folge wird eine Entsolidarisierung sein, mit dem Ziel den privaten Versicherungsunternehmen noch mehr Menschen in die Hände zu treiben.

Dazu kommen die viel diskutierten Einsparungen bei den Ärzten. Wenn diese Pläne durchgehen bedeutet das einfach, dass die ÄrztInnen weniger Leistungen anbieten werden, weil sie nicht mehr in dem Maße honoriert werden. Die Rechnung werden dann im wahrsten Sinne des Wortes erst wieder die PatientInnen zu zahlen haben. Und wer es sich nicht leisten kann, wird in der medizinischen Versorgung mit einer schlechteren Qualität leben müssen - das unter Umständen dafür kürzer!

Ein gutes Gesundheitssystem kostet eben, und das Geld wäre vorhanden. Es braucht nur die politische Bereitschaft, es für das Gesundheitssystem zur Verfügung zu stellen. Dafür gibt es über das Stiftungsrecht neue Geschenke an die Superreichen, die dafür belohnt werden, dass sie in der Vergangenheit ihr Kapital nicht abgezogen haben. Und das mit Unterstützung der SPÖ!?

Finanzierungsfrage

Die ÖVP hat noch dazu das Gesundheits- und Pflegethema zu einem neuen Angriff genutzt. Neben dem jetzt geplanten Sparpaket wird es zusätzliche Finanzierungsformen brauchen. Die von der SPÖ hoch gefeierte Vermögenszuwachssteuer will die ÖVP verhindern. Im Gegenzug verlangt sie eine neue Privatisierungswelle. Der (gewinnträchtige) ÖBB-Güterverkehr, die Post und der Verbund sollen privatisiert werden. Die Privatisierungserlöse sollen in einen Fonds kommen, die Zinseinkünfte davon zur Finanzierung der Pflege dienen. Abgesehen davon, dass Finanzminister Molterer hier mit Milchmädchenrechnungen operiert geht es ihm in erster Linie um eine Provokation der Sozialdemokratie. Wenn Gusenbauer auch hier ja sagt, dann wäre das der nächste große Umfaller. Aber viel wahrscheinlicher ist, dass sich rund um diese Frage in der SPÖ ernsthafter Widerstand formieren wird. Das könnte im Herbst zum Stolperstein für die Große Koalition werden. Auf diese nächste Regierungskrise werden wir uns vorbereiten.

Widerstand in SPÖ und ÖGB

Dass die Regierung trotz allem bis heute gehalten hat, liegt vor allem an der Haltung der ÖGB-Führung. Sie ist zu allen Schandtaten bereit (siehe die positive Reaktion Haberzettls auf Molterers Vorschlag die ÖBB "börsefit" zu machen!) und sorgt für einen ruhigen Hinterhalt. Die mangelnde Gewerkschaftsdemokratie wird so zum wichtigsten Stabilisator der Großen Koalition. Doch es gärt in den Reihen der Gewerkschaft. Das hat sich bereits bei KV-Verhandlungen gezeigt (z.B. in der Elektroindustrie) und könnte rund um die Frage der Gesundheitsreform offen ausbrechen. Dass Hundstorfer mit der Wirtschaft gegen die eigenen KollegInnen in den Kassen vorzugehen bereit war, hat vielen GewerkschafterInnen böse aufgestoßen. Schon wurde völlig richtig die Forderung nach einem Sonderbundeskongress der ÖGB erhoben. Jene nach Urabstimmung über die Reform sollte folgen!

Einmal mehr hat in Oberösterreich ausgehend von der VOEST der Unmut einen Kanal und Ausdrucksformen gefunden. Die FSG lehnt dort die Gesundheitsreform ab, die SP-NationalrätInnen haben bereits angekündigt gegen die Reform stimmen zu wollen. Diesen Widerstand gilt es nun österreichweit in der ArbeiterInnenbewegung zu organisieren.

Der sozialpartnerschaftlichen Logik der Gewerkschaftsspitze muss das Konzept einer kämpferischen und demokratischen Gewerkschaft entgegengestellt werden. In den kommenden Wochen und Monaten geht es um die Verteidigung grundlegender Interessen der ArbeiterInnenschaft, erst um die Verhinderung der Gesundheitsreform, dann im Herbst um die Konzeption der Steuerreform und um die Höhe der Kollektivvertragsabschlüsse. Die Verteidigung unseres Lebensstandards, der angesichts der Teuerungswelle (Lebensmittel, Energie, Treibstoff) schwer bedroht ist, steht auf der Tagesordnung.

Wer Sozialpartnerschaft und Große Koalition akzeptiert, der wird in den anstehenden Kämpfen den Kürzeren ziehen. Die Vernetzung aller Kräfte, die verstehen, dass es einen politischen Kurswechsel im ÖGB und der SPÖ braucht, muss der nächste Schritt sein, um die ArbeiterInnenbewegung wieder aus der Defensive zu bringen. Die erste "Konferenz der Linken", die Anfang Mai in Wien stattgefunden hat, sehen wir als ersten wichtigen Beitrag in diese Richtung.

  • Nein zur Gesundheitsreform! Lebensstandard sichern! Umverteilung jetzt!
  • Nein zu Sozialpartnerschaft und Großer Koalition!
  • Für eine starke Linke in SJ, SPÖ und ÖGB!

 

Wir sind ÖGB is powered by Joomla!®