Und ich verkörpere für die SPÖ das soziale Gewissen ...
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- Erstellt am Mittwoch, 19. September 2007 10:38
- von Vivian Fletzer, stellvertretende Betriebsratsvorsitzende PSD & Mitinitiatorin der Vernetzung im Wiener Sozialbereich
Diese Aussage von Sozialminister Buchinger im profil-Interview vom 6.8.2007 hat uns erneut dazu angeregt seine Aufforderung in der Podiumsdiskussion vom 14.6.2007 in die Tat umzusetzen. Wir machen es selbst! Ein erster Schritt dazu ist es, die auf der genannten Veranstaltung diskutierten Themen einer Bewertung zu unterziehen.
Armut
Die Lebenskosten sind massiv angestiegen im Juli 2007 z.B. hat die Inflation 2,1% (Nahrungsmittel, Wohnen, Energie) betragen, die Wohlstandszuwächse hingegen werden immer ungleicher verteilt.
Die Verschuldung greift zunehmend auch in den Mittelstand ein. In Österreich werden 762.000 Löhne gepfändet. Die Rezeptgebühren werden ab 1.1.08 mit maximal 2% des Netto-Monatseinkommens gedeckelt (z.B.: 900,-- maximal 18,-- Rezeptgebühr).
Bei der Situation der hunderttausenden Armen im siebtreichsten Land der Welt hat es in den letzten Monaten also eher Rückschritte gegeben, da bei diesen die Steigerung der Lebenshaltungskosten immer voll und direkt Auswirkungen zeigt.
Steuern
Die Reichen sollen zum sozialen Ausgleich mehr beitragen als bisher, weil die Balance der Gesellschaft nicht mehr stimmt.(Buchinger, Standard 20.8.07) Der BM ist für die (teilweise) Einführung der Vermögenssteuer, um u.a. die Pflege finanzieren zu können.
Dieser Forderung des Sozialministers können wir uns vollkommen anschließen, ihre Umsetzung steht derzeit allerdings mehr als in den Sternen.
Sozialhilfe/Bedarfsorientierte Mindestsicherung
Hier ist die Einbindung der BezieherInnen in die gesetzliche Krankenversicherung geplant, sowie Einführung der One Stop Shops, also die Betreuung der SozialhilfebezieherInnen in den regionalen AMS-Geschäftsstellen mit Zugang zu allen Maßnahmen und Förderungsmöglichkeiten. Offen ist, welche Auswirkung dies auf die MitarbeiterInnen in den Sozialzentren haben wird und wie es zur Erzielung eines eigene Erwerbseinkommen als Beitrag zur Armutsbekämpfung kommen kann. Geplant ist derzeit die Pauschalierung der Sozialhilfe (z.B. 690,-- mal 14 für Alleinunterstützte bei einem 25%-igen Selbstbehalt für Wohnungskosten, wobei die Länder Zusatzleistungen gewähren können). (s. Info-Aussendung Minister Buchinger vom 2.8.07)
Pensionen
In Bezug auf die Invaliditätspension will Minister Buchinger einheitliche Schutzbestimmungen, wodurch der Berufsschutz auch für Angestellte und FacharbeiterInnen in Frage gestellt würde, was zur Umschulung in vergleichbare Jobs statt der Pensionszuerkennung führen würde.
Buchinger möchte nur eine Erhöhung der Pensionen um die Inflationsrate (1,7%) wie gesetzlich festgeschrieben, während die SeniorenvertreterInnen eine Erhöhung um den sog. PensionistInnenpreisindex (2,1%) fordern. In Anbetracht der massiven Preissteigerungen bei Lebensmitteln, Wohnen und anderen Gütern des täglichen Bedarfs in letzter Zeit wird selbst diese Forderung nicht ausreichen, um PensionistInnen vor einer weiteren Verarmung zu schützen. Die Zahl der MindestpensionsbezieherInnen ist in den letzten Jahren deutlich gestiegen (2002: 228.000 Juli 2007: 239.657 Personen).
24-Stunden Pflege/Pflegegeld
Viel Geld kostete die Bewerbung der Kampagne 24-Stunden Pflegemodell. Bislang gab es nur ganz wenige Anmeldungen von bisher illegalen PflegerInnen. Das aufwändige Anmeldeverfahren lässt Buchinger als Ursache dafür nicht gelten, sondern verweist auf Wirtschaftsminister Bartenstein, der für arbeitsrechtliche Belange zuständig sei. Weiters sei die Amnestie nicht sein Wunsch gewesen. Buchinger hält die Zahlen zur Legalisierung geheim, da diese derzeit nicht aussagekräftig seien (s. Kurier, 16.7.07).
Die Armutskonferenz weist darauf hin, dass Pflege noch immer als privates Risiko gesehen wird (höchste Selbstbehalte im Sozialbereich, Mitarbeit der Angehörigen vorausgesetzt, Vermögensanrechnung). Gefordert wird ein solidarischer Ausgleich, z.B. in Form eines Fonds ähnlich dem Familienlastenausgleichsfonds.
Das Pflegegeld soll 2009 valorisiert werden, wobei Krankheitsbilder wie etwa Demenz besser berücksichtigt werden sollen. Die Amnestie endet jedoch mit Beginn 2008, womit Pflege zu Hause für viele Menschen noch unleistbarer wird! Auf Grund dieser Tatsache ist bereits jetzt absehbar, dass es weiterhin viel an illegaler Pflege geben wird.
Eine Verbesserung der Situation von Betroffenen und hier Beschäftigten wird es also nur dann geben können, wenn die Gesellschaft die vollen Kosten für die Pflege übernimmt, die Pflege öffentlich und durch angestelltes Personal erbracht wird.
Arbeit
Mit Jahresanfang 2009 ist die Einführung von 1000,-- Mindestlohn in vielen Branchen geplant (entspricht 818,-- bzw. 820,-- netto). Buchinger fordert 4% Lohnerhöhung für Lohnabhängige, während die heurige Produktivitätssteigerung laut WIFO 6,7% beträgt! Mit einer Steigerung wie von Buchinger vorgeschlagen würden wir Beschäftigten also wieder einmal weniger als die Wirtschaft profitieren und das in einer Situation, in der es seit Jahren für zahlreiche Branchen immer wieder Reallohnverluste gegeben hat. Tatsächlich müssen die Löhne also zumindest um 7% angehoben werden, um die Reallohnverluste der letzten Jahre zumindest minimal auszugleichen. Gleichzeitig treten wir für einen flächendeckenden gesetzlich verankerten Mindestlohn von zwei Drittel des Medianeinkommens ein.
Die Überlastung am Arbeitsplatz nimmt zu und begründet den Hauptteil der rasant anwachsenden psychischen Belastungen. Mehr als die Hälfte der Invaliditätspensionen hat psychische Ursachen (s. Kurier, 15.9.07).
Ab 2009 ist für Selbstständige und freie DienstnehmerInnen eine Arbeitslosenversicherung geplant. Gleichzeitig wurden die Krankenversicherungsbeiträge für Selbständige und Bauern gesenkt, für Angestellte hingegen angehoben. Auch hier können wir eine Umverteilung erkennen, während sich gleichzeitig alle Parteien darin überbieten immer radikalere Vorschläge für das aktuelle Lieblingsmodell dafür, die sog. MitarbeiterInnenbeteiligung, zu machen. Aus realen Lohnerhöhungen würden damit Geschenke der Bosse, welche noch dazu bei der Berechnung künftiger Lohnsteigerungen nicht einberechnet würden.
Insgesamt können wir also bilanzieren, dass bei den uns wichtigen Anliegen in den letzten Monaten nichts weitergegangen ist. Ganz im Gegenteil drohen weitere massive Verschlechterungen. Wir können es also tatsächlich nur selbst tun. Eine erste Möglichkeit dazu ist das für 4.10. geplante Vernetzungstreffen im Wiener Sozialbereich. Details dazu finden sich hier.