Aufbegehren statt Volksbegehren

Durch die Besetzung der SPÖ-Parteizentrale und die Entschlossenheit auf den Demonstrationen gegen die große Koalition haben wir, die Sozialistische Jugend Österreichs (SJÖ), in der Parteibasis eine enorme Autorität gewonnen. Diese Proteste wurden von einer Welle an Solidarität einer großen Mehrheit der Parteimitglieder getragen. Doch allzu schnell erschrak die SJÖ von den von ihr entfesselten Kräften und versucht nun, den Geist in die Flasche zurückzustopfen: Statt dem Aufbau eines linken Parteiflügels visieren wir als SJÖ nun ein „Jugendvolksbegehren“ an.

Dabei wären für den Aufbau dieser Parteilinken alle notwendigen Faktoren vorhanden: Die Stimmung, dass es einen ideologischen Kurswechsel braucht, die Bereitschaft, sich dafür zu engagieren, und schlussendlich unsere Autorität als SJÖ, die ansatzweise über ein marxistisches Know-how verfügt, welches auch methodisch eingesetzt wurde, bevor die Angst vor dem eigenen Mut zur Kehrtwende in den Linksreformismus geführt hat, und mit diesem zum Erfolg der Parteilinken beitragen könnte. Trotzdem hat die Mehrheit der SJÖ unbeachtet der großen Bedenken mehrerer Landesorganisationen (Wien, Vorarlberg, …) beschlossen, ein Jahr lang nichts anderes zu tun, als 8.000 Unterschriften zu sammeln, um im nächsten Jahr ein „Jugendvolksbegehren“ zu initiieren. Statt unseren Mitgliedern ein Kampfinstrument zu geben, eine entschlossene SJ, die gemeinsam mit allen ehrlichen und enttäuschten Parteimitgliedern den ideologischen Kampf innerhalb der Partei gegen die Gusenbauer-Clique aufnimmt, gibt man ihnen den Kugelschreiber in die Hand, damit sie ihren Namen unter ein Volksbegehren setzen können.

Charakter des Volksbegehrens

Dieses Volksbegehren enthält u.a. die Forderung nach mehr Lehrlingsrechten und der  Abschaffung der Studiengebühren. Einige FunktionärInnen der SJ rechtfertigen es damit, dass es ein Angriff auf die Gusenbauer-Clique sei. Doch tatsächlich beteuern bereits jetzt sämtliche SpitzenfunktionärInnen, die brav für das Koalitionspapier gestimmt haben, dass man eigentlich eh gegen Studiengebühren ist, aber halt derzeit gegen den Willen der ÖVP nichts machen könne. Ein Volksbegehren wird diesen scheinheiligen FunktionärInnen Deckung geben: Sie können argumentieren, dass sie genau dasselbe denken und „danke für die tolle Unterstützung der SJ, die die rote Regierungsmannschaft stärken wird.“

Die Mehrheit im SJ-Verbandsvorstand hat noch nicht verstanden, dass es jetzt vor allem darauf ankommt, die Clique rund um Gusenbauer ideologisch herauszufordern und der Parteibasis eine Alternative zur „Neuen Fairness“ zu präsentieren. Ein Volksbegehren für sich alleine ist abzulehnen, erst recht, wenn die politischen oder sonstigen Gründe dafür nicht offen gelegt werden und es über den Bundesjugendring gemeinsam mit den Jugendorganisationen der bürgerlichen Parteien durchgeführt werden soll, welche die Speerspitze der bürgerlichen Gegenreformpolitik in der Jugend sind.

Alternativen

Ein Volksbegehren hätte nur dann Sinn, wenn es als flankierende Maßnahme eines kämpferischen Projekts dienen würde. Würden wir als SJÖ die Forderung nach dem Aufbau eines linken Flügels unterstützen (ein derartiger Antrag von der SJ Vorarlberg wurde am letzten SJ-Verbandsvorstand von allen anderen Landesorganisationen abgelehnt), der gegen die Große Koalition und für das Einbringen fortschrittlicher Gesetzesinitiativen im Parlament eintritt, hätte das Volksbegehren als Mobilisierungsinstrument durchaus seine Berechtigung, wenn es dazu dient von unten den Druck zu erzeugen, der erforderlich ist, um solche Vorschläge in den Parlamentsklub zu tragen.

Doch so bleiben nur ein Rückzug aus der Partei, ein Zurückweichen vor der Führung und eine verpasste Chance: Seit Jahrzehnten gab es keine Möglichkeit, größere Teile der Parteibasis mit linken Ideen anzusprechen. Ohne diese Alternative werden manche kritische Parteimitglieder in die politische Passivität abdriften. Und auch innerhalb der SJ kann ein Projekt wie das Volksbegehren, das viel Aufwand erfordert und keinen Erfolg verspricht, zu großer Frustration führen.

Noch ist es nicht zu spät das Ruder herumzureißen. Gelingt es allerdings nicht, der SJ- und Parteimitgliedschaft das zu bieten, wonach sie derzeit sucht, nämlich eine Antwort auf die derzeitige Situation und eine Strategie, die eine echte Alternative darstellt, droht die SJ-Führung mit ihrer zögerlichen und unentschlossenen Haltung kaum mehr abzugeben, als das linke Feigenblatt von Gusenbauer & Co.

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