Es reicht nicht das "kleinere Übel" zu sein - Stellungnahme zur Nationalratswahl am 1. Oktober
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- Erstellt am Dienstag, 26. September 2006 10:38
- von Redaktion Der Funke
Am 1. Oktober geht es darum 6 Jahren ÖVP-geführter Bürgerblockregierung ein Ende zu setzen. Das Wahlergebnis muss einen Denkzettel für alle jene bringen, die für Sozial- und Bildungsabbau, Privatisierung, Umverteilung von unten nach oben und für Rassismus stehen. Aber wie? Und was kommt nach den Wahlen?
Die Wahl wird in erster Linie eine Schlacht zwischen ÖVP und SPÖ sein. Die Frage ist, ob Schüssel & Co. ein weiteres Mal bestätigt werden, oder ob die Unzufriedenheit mit dem politischen Kurs der Schwarzen schwer genug wiegt, dass dies auch an der Wahlurne einen Ausdruck findet. Der Wahlausgang wird nicht unwesentlich das weitere Kräfteverhältnis in Österreich bestimmen. Er ist mitentscheidend darüber, mit wie viel Rückenwind und Selbstbewusstsein die Bürgerlichen ihre nächsten Angriffe angehen werden. Die Warnungen vor einem neuen Belastungspaket nach den Wahlen sind mehr als berechtigt.
Bilanz
6 Jahre Bürgerblockregierung bedeuteten 6 Jahre des Umbaus aller gesellschaftlichen Bereiche im Interesse des Kapitals und im Sinne der rechtskonservativen Ideologen dieser politischen Wende. Die nahezu vollständige Privatisierung der staatlichen Betriebe, Pensionsraub, eine Steuerpolitik im Dienste der "Wirtschaft", sinkender Lebensstandard für die breite Masse, massive Einsparungen und Errichtung von Zutrittsbarrieren im Bildungsbereich, die höchsten Arbeitslosenzahlen der Zweiten Republik, eine Explosion der Jugendarbeitslosigkeit, eine weitere Verschärfung der Asylgesetzgebung, die Beteiligung des österreichischen Bundesheeres an internationalen Einsätzen - das ist die Bilanz des Bürgerblocks.
Diese Politik hat in den letzten vier Jahren einen Großteil ihrer Basis in der österreichischen Gesellschaft verloren. Selbst breite Schichten der traditionellen Wählerschaft der ÖVP ist mit diesem Kurs unzufrieden. Das "Dritte Lager" ist an seinen internen Widersprüchen, die durch die direkten Attacken auf die Lebensinteressen der Bevölkerung aufgebrochen sind, zerbröselt. Dazu kam ein Aufschwung des Klassenkampfs mit den großen Streikbewegungen im Jahr 2003, welche die Kraft gehabt hätten, die Regierung in die Knie zu zwingen. Es war vor allem die politische Perspektivlosigkeit der ÖGB-Führung und der SPÖ-Spitze die der schwarz-orangen Koalition das Überleben sicherte.
Große Koalition?
Umfragen zeigen den Wunsch der Mehrheit nach einer Politik im Interesse der Lohnabhängigen. Die Regierungsparteien genießen eigentlich nur sehr wenig Vertrauen. Doch wo ist die Alternative? Die SPÖ konnte mit ihrer zahmen Oppositionspolitik nie wirklich zum Sprachrohr dieses Veränderungswillens in der Bevölkerung werden. Spätestens mit dem BAWAG-Skandal und der damit verbundenen ÖGB-Krise glaubt wohl kaum noch jemand, dass die SPÖ-Führung für einen großartigen Kurswechsel steht. Indem Gusenbauer den Gewerkschaftsflügel "entmachtete" (so Ex-FSG-Vorsitzender Beck), hat er nicht nur versucht den Ballast des BAWAG-Skandals loszuwerden sondern hat außerdem eine wesentliche Vorleistung für eine Koalition mit der ÖVP zu erbringen versucht. Die SPÖ-Führung strebt eine Großen Koalition an, weil dies der bequemste Weg für eine Rückkehr an die Macht ist. Gabi Burgstaller kann sich sogar vorstellen, als zweitstärkste Partei in die Regierung zu gehen. Damit würde sich die SPÖ damit zufrieden geben, der Erfüllungsgehilfe der ÖVP zu sein ohne selber auch nur irgendetwas verändern zu können. Wie in der Vergangenheit würde sie sich immer auf die "Sachzwänge" der Koalition ausreden und vor einer Neuauflage der Bürgerblockregierung und der "totalen Macht der ÖVP" warnen.
Das Programm der SPÖ
In ihrer Wahlkampagne versucht die SPÖ möglichst wenig Hoffnung auf Veränderung aufkommen zu lassen. Nehmen wir das brennende Thema Jugendarbeitslosigkeit, die sich seit dem Jahr 2000 unter Schüssel verdoppelt hat. Der Slogan der SPÖ lautet nun: "Jugendarbeitslosigkeit halbieren". Mit anderen Worten: es soll wieder so werden wie vor 2000, als die SPÖ noch den Kanzler gestellt hat. Oder die Pensionen: Die "Pensionsreform" 2003 brachte massive Verschlechterungen für die Lohnabhängigen (Anhebung des Pensionsantrittsalters, finanzielle Einbußen). Wenn die SPÖ nun plakatiert "Pensionsansprüche garantieren", dann akzeptiert sie diese Einschnitte ins Pensionssystem. Völlig richtig wird die Ausdünnung der ländlichen Infrastruktur kritisiert, dass unter der SPÖ die geschlossenen Postämter aber wieder aufgesperrt werden sollten, hört man von Gusenbauer nicht.
Mit der Perspektive, dass man die Verschlechterungen und Belastungen, die es unter Schwarz-Blau bzw. Schwarz-Orange gegeben hat, einfach hinnimmt oder bestenfalls auf das Niveau vor dem Wendejahr 2000 zurück will, wird wenig Begeisterung schaffen. Man sollte sich ins Gedächtnis rufen, dass ja erst die große Unzufriedenheit über die arbeitnehmerfeindliche Politik unter Kanzler Klima den Boden für eine bürgerliche Mehrheit geschaffen hat.
Keine Koalition mit den Bürgerlichen!
Eine derartige Koalition muss verhindert werden. Richtungsweisend ist in dieser Hinsicht der Beschluss der Sozialistischen Jugend im Fall von Koalitionsverhandlungen mit der ÖVP eine öffentliche Protestkampagne zu organisieren.
Die Mehrheit der ArbeiterInnen (vor allem aus den Kernschichten) wird trotzdem die SPÖ wählen, weil sie darin ein "kleineres Übel" sieht und auf diese Weise am effektivsten der Regierung einen Denkzettel verpassen kann. Aber wofür sie sicher nicht wählen, ist eine Fortsetzung der bisherigen Politik durch die bzw. unter Mithilfe der SPÖ.
Die Führungen von SPÖ und ÖGB haben sich bisher unfähig erwiesen, die Interessen der Lohnabhängigen zu verteidigen und Gegenwehr zu organisieren.
Dass es zu einem politischen Kurswechsel im Interesse der Lohnabhängigen kommt, setzt voraus, dass die Arbeiterklasse wieder mit einer eigenen Stimme spricht und ihren Forderungen Nachdruck verleihen kann. Am Aufbau eines linken Flügels in der ArbeiterInnenbewegung, der von kämpferischen BetriebsrätInnen, GewerkschafterInnen und AktivistInnen der SJ getragen wird, führt kein Weg vorbei.
Entscheidend dabei ist aber auch die Frage des Programms, dass die Linke in der Sozialdemokratie und den Gewerkschaften vertritt. Ein Programm, das konsequent die täglichen Interessen der Lohnabhängigen und der Jugend vertritt, ist in den Grenzen des Kapitalismus nicht umsetzbar. Wir brauchen ein sozialistisches Programm, dass mit der Profitwirtschaft bricht.
Ein sozialistisches Programm und Druck von unten aus den Betrieben und auf der Straße sind die Elemente, die einen politischen Kurswechsel bringen können. Alles nur eine Frage der Organisation - deshalb für eine starke marxistische Strömung!
Wen wählen am 1. Oktober? - Fragen der Wahltaktik
Aus marxistischer Sicht liefern Wahlen in der bürgerlichen Demokratie in erster Linie eine Momentaufnahme des gegenwärtigen Kräfteverhältnisses zwischen den Klassen. Unsere Wahltaktik geht daher von der Frage aus, wie die bürgerliche Klasse zurückgedrängt werden kann und wie die Arbeiterklasse durch die Wahlen gestärkt werden kann.
In Österreich ist die SPÖ die einzige Parlamentspartei, die durch ihre Geschichte, Traditionen und - was entscheidend ist - durch ihre organische Verbindung mit den Gewerkschaften den Anspruch erheben kann, politischer Ausdruck der Arbeiterbewegung zu sein. Der politische Rechtsruck der Sozialdemokratie in den letzten Jahrzehnten und die Tatsache, dass die Partei fixer Bestandteil des bürgerlichen System ist, ändert daran nichts Grundsätzliches.
Aus diesem Grund rufen wir zur Wahl der Sozialdemokratie auf. Das österreichische Wahlrecht ermöglicht die Vergabe von Vorzugsstimmen. Gerade angesichts der jüngsten Angriffe auf den Gewerkschaftsflügel soll durch Vorzugsstimmen für GewerkschafterInnen auf der SPÖ-Liste ein Zeichen dafür gesetzt werden, dass die SPÖ eine Partei der Lohnabhängigen zu sein hat. Uns ist natürlich bewusst, dass ein Wolfgang Katzian oder andere GewerkschafterInnen im Parlament genauso reformistische Politik machen würden. GewerkschafterInnen sind jedoch einem viel direkteren und stärkeren Druck der Basis in den Betrieben ausgesetzt als irgendwelche Quereinsteiger. Wer GewerkschafterInnen aus dem Parlament verbannen will, der spielt in Wirklichkeit den Bürgerlichen in die Hände. Das kann nicht in unserem Interesse sein. Klar muss natürlich sein, dass sich diese KollegInnen nicht an den Klubzwang halten sondern einzig und allein ihrer Basis verpflichtet sind.
Erstmals seit Jahrzehnten hat die KPÖ, die zweite Partei mit Wurzeln in der ArbeiterInnenbewegung, es geschafft zumindest regional in der Steiermark ein Faktor mit einer gewissen Verankerung in Betrieben und Gemeinden zu sein. Die Bundespartei setzt jedoch auf die fortgesetzt fruchtlose Zivilgesellschaftsorientierung – und stellt daher auch bei dieser Wahl keine Alternative dar. Entschieden lehnen wir Wahlaufrufe für linke Gruppen, die über keinerlei Verankerung in der Arbeiterklasse verfügen, ab.
Für viele Linke sind die Grünen eine wählbare Alternative, weil diese in der Regel in Menschenrechtsfragen eine fortschrittlichere Position als die anderen Parteien vertreten. Die Grünen sind jedoch nichts anderes als eine liberale bürgerliche Partei, die sich noch dazu Schritt für Schritt ihrer Wurzeln in den sozialen Bewegungen der 70er und 80er Jahre entledigt. Wer mit einer Stimme für die Grünen seine Kritik an diesem System zum Ausdruck bringen will, unterstützt in Wirklichkeit einen möglichen Steigbügelhalter für die ÖVP und einen wirtschaftsliberalen Kurs.
Wie auch immer diese Wahl ausgehen wird, uns muss bewusst sein, dass wir unsere Interessen nur durchsetzen können, wenn wir uns organisieren und auf unsere eigene Stärke im Klassenkampf vertrauen!