Schüssel-ÖVP abgewählt – Sozialistischer Kurswechsel jetzt!
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- Erstellt am Donnerstag, 26. Oktober 2006 10:38
- von Redaktion Der Funke
Die Nationalratswahlen 2006 sind geschlagen und brachten für die ÖVP und Kanzler Schüssel eine verheerende Niederlage. Der Bürgerblock wurde endlich abgewählt. Die SPÖ ist wieder die stärkste Partei im Nationalrat, doch die bürgerlichen Parteien haben weiter eine Mehrheit. Ist eine sozialistische Regierungspolitik jetzt trotzdem möglich?
Bei den Wettbüros konnte man in den Tagen vor der Wahl mit einem Tipp auf einen Sieg der SPÖ den Grundstein für einen fetten Gewinn legen. Kaum jemand gab der Gusanbauer-SPÖ nach dem BAWAG-Skandal, der in den bürgerlichen Massenmedien genüsslich ausgeschlachtet worden war, noch eine Chance auf einen Wahlsieg. Gusis politische Karriere schien mit dem 2. Oktober ein Ablaufdatum zu haben. Doch die konservativen StrategInnen hatten sich schwer verrechnet.
ÖVP wurde abgestraft
Die Wahl brachte neuerlich einen politischen Erdrutsch, der eine ganze Generation von rechtskonservativen PolitikerInnen zu Sturz bringen dürfte. Liesl Gehrer wird wohl in Zukunft in ihrer Vorarlberger Heimat ihr Flötenspiel perfektionieren können, Karl-Heinz Grasser bei Magna oder in den Kristallwelten einen beruflichen Neustart wagen und ausreichend Zeit für Jetset-Termine haben. Und Wolfgang Schüssel wird sich wohl zu gut sein, um Gusis Juniorpartner zu mimen und eine Laufbahn auf der Bühne der internationalen Politik anstreben.
Die neoliberale „Wende“, für die sie standen, wurde am 1. Oktober an der Wahlurne abgestraft. Minus 8 Prozent für die ÖVP sprechen Bände. Dass die Volkspartei in ihren Hochburgen auf dem Land so schlecht abgeschnitten hat, zeigt, dass Pensionsreform, Bildungsabbau, Privatisierungen mit all ihren Folgen (Stichwort Post) usw. auch die „schwarzen“ Kernschichten schwer getroffen haben und von breiten Schichten der Bevölkerung abgelehnt werden. Angesichts dieser Einschnitte ließ sich selbst das eigene Klientel nicht mehr mobilisieren. Vor allem viele ArbeitnehmerInnen, die in der Vergangenheit - gegen die eigenen Interessen – Schüssel gewählt hatten, blieben diesmal zu Hause. Die ÖVP hat endlich die Rechnung für ihre Politik bekommen. Die weltfremden Aussagen von SpitzenvertreterInnen der ÖVP zu Fragen wie Pflegenotstand, Arbeitslosigkeit usw. haben vielen die Augen über den Charakter dieser „Volkspartei“ geöffnet, die in den letzten Jahren in Wirklichkeit die konsequenteste Vertreterin des Kapitals war.
SPÖ-Wahlsieg …
In diesem Sinne entsprach das Wahlergebnis der eigentlichen Stimmung im Land. Wohin man schaut, ist die Unzufriedenheit über die herrschenden Verhältnisse größer als je zuvor. Zu Beginn des Jahres wäre alles andere als ein glatter Sieg der SPÖ unvorstellbar gewesen. Doch dann platze die BAWAG-Bombe. Lange Zeit ließen die Meinungsumfragen darauf schließen, dass der BAWAG-Skandal die ÖVP noch einmal von einer massiven Wahlschlappe bewahren könnte. Als dann auch noch Gusenbauer im Juni mit einem Handstreich den Gewerkschaftsflügel entmachtete und einen Großteil jener BasisaktivistInnen, die im Wahlkampf die roten Stimmen mobilisieren, vor den Kopf stieß, schien eine sozialdemokratische Mehrheit nahezu ausgeschlossen.
Das Wahlergebnis im Detail zeigt aber, dass sich die SPÖ in ihren Kernschichten weitgehend halten konnte. Die Lohnabhängigen hielten zu „ihrer Partei“, weil sie sonst keine Alternative sehen, um die Bürgerlichichen an der Wahlurne zu schlagen. Um Schüssel und die Politik, für die er steht, abwählen zu können, blieb aus der Sicht eines Arbeiters aus Leoben oder einer Arbeiterin aus Linz nur eine Stimme für die SPÖ. 80 Prozent der SPÖ-WählerInnen von 2002 wählten wieder die SPÖ. In den roten Hochburgen blieb die SPÖ prozentuell relativ stabil bzw. verbuchte nur ein kleines Minus. Eine wenn auch wichtige Ausnahme bildeten die typischen ArbeiterInnenbezirke im „Roten Wien“. In Favoriten, Simmering usw., musste sie bis zu 4,5 Prozent einbüßen. Insgesamt hatte die SPÖ 200.000 Stimmen weniger als im Jahr 2002.
Wenn in der Löwelstraße jetzt große Feierstimmung herrscht und Josef Cap sich fühlt als wäre „Weihnachten und Ostern zusammen“, dann sollte bei aller Freude über die Abwahl der ÖVP soviel Realitätssinn herrschen, dass die SPÖ am 1. Oktober gerade noch einer Schlappe entgangen ist. Nun steht sie vor der Entscheidung ein Ende der Wende und einen politischen Kurswechsel einzuleiten, oder aber die ArbeiterInnenklasse im Parlament vor den Karren der Bürgerlichen zu spannen.
… aber FPÖ und BZÖ punkten mit Rassismus
Die SPÖ hat schon in den letzten Jahren mit ihrem Kuschelkurs in der Opposition wenig Begeisterung und Hoffnung auf einen tatsächlichen politischen Wandel ausgelöst. Mit der „Causa BAWAG“ schien hinlänglich bewiesen, dass „die Roten auch nicht anders sind als die Anderen“. Und die moderaten Losungen im Wahlkampf („Jugendarbeitslosigkeit halbieren“, „(die von der ÖVP gekürzten, Anm.) Pensionsansprüche garantieren“, …) konnten auch keine Begeisterung für die SPÖ auslösen. Das erklärt die niedrige Wahlbeteiligung, die mit rund 75% einen historischen Tiefstand erreicht hat, gerade in Wien.
Logische Konsequenz: Die ÖVP-Verluste mussten den anderen bürgerlichen Parteien zugute kommen. Von der ÖVP konnten einerseits die Grünen massiv dazu gewinnen, aber auch FPÖ, BZÖ und die Liste Martin (vor allem in Vorarlberg) zogen das im bürgerlichen Lager geparkte ProtestwählerInnenpotential an. Die politische Alternativlosigkeit der Sozialdemokratie rettete somit in erster Linie dem „Dritten Lager“ das politische Überleben. Vor allem die FPÖ von H.C.Strache aber auch das BZÖ konnten mit einem zutiefst rassistischen Wahlkampf ihre Todeskrise überwinden. Dass diese Strategie überhaupt aufgehen konnte und „die Ausländer“ als der Sündenbock für soziale Probleme herhalten mussten, war nur deshalb möglich, weil die ArbeiterInnenbewegung dem Rassismus den sozialen Nährboden nicht entziehen kann. Vor allem in Wien hatte dies, wie gesagt, teilweise erschreckende Ausmaße angenommen. Teilweise konnte sich die FPÖ hier auf bis zu 20 Prozent wieder verdoppeln. Der neuerliche Aufstieg der bereits tot geglaubten FPÖ unter der Führung eines schlagenden Burschenschafters und altbekannten Ikonen der rechtsextremen Szene (Rosenkranz, Mölzer, Stadler) ist ein echtes Alarmsignal und sollte der SPÖ schwer zu denken geben.
Linke Alternativen?
Wie nicht anders zu erwarten war, konnten Organisationen links der Sozialdemokratie von deren Krise nicht profitieren. Die wahltaktischen Überlegungen der „Linken“ erwiesen sich somit als jenseitig. Die KPÖ schaffte gerade 1 Prozent. Selbst in Graz, wo sie über eine gewisse Verankerung verfügt und regional auch bei Wahlen erfolgreich ist, kam sie nicht über 2 Prozent. Dabei konnte die KPÖ wohl kaum behaupten, dass ihr Programm, das sie von ATTAC abgeschrieben haben dürfte, für die österreichische Wählerschaft zu revolutionär gewesen wäre.
Was nun?
Zum jetzigen Zeitpunkt sind noch mehrere Fragen offen. Kommt das BZÖ in den Nationalrat? Gibt es außer einer „Großen Koalition“ zwischen SPÖ und ÖVP noch andere Optionen? Geht sich doch noch Rot-Grün aus?
Bundespräsident Fischer wird wohl Alfred Gusenbauer damit beauftragen, eine Regierung zu bilden. Nach den Spielregeln der bürgerlichen Demokratie rot-weiß-roter Spielart heißt das, er wird sich um eine Koalition bemühen, die im Parlament über eine ausreichende Mehrheit verfügt, um regieren zu können. Sollte das BZÖ den Einzug ins Parlament schaffen, bliebe „realpolitisch“ nur eine Koalition mit der ÖVP. Darauf arbeiten Gusenbauer und der Rest der Parteispitze seit geraumer Zeit schon hin. Die Zustimmung der SPÖ zu wichtigen Maßnahmen der schwarz-orangen Regierung hat das immer wieder bestätigt. Von den roten Landeshauptleuten (Niessl, Voves, Burgstaller) kommt in regelmäßigen Abständen Druck in diese Richtung. Doch was würde eine Koalition mit der ÖVP bedeuten?
Die Politik der ÖVP wurde zwar abgewählt, doch man kann sich sicher sein, dass die ÖVP nicht sechs Jahre Bürgerblock durchgezogen hat, um sich dann von der Sozialdemokratie dieses Werk zunichte zu machen. Die ÖVP wird von Gusenbauer eine Fortsetzung des bisherigen Kurses verlangen. Und in der SPÖ gibt es genügend Kräfte, die diesen Kurs zu gehen bereit sind. Sie akzeptiert die bürgerliche Logik in der Frage der Pensionen, der Budgetpolitik, der Außenpolitik usw. Diese Koalition löst an der Basis der SPÖ, geschweige denn bei den meisten GewerkschafterInnen, verständlicherweise keine Begeisterung aus. Die Buh-Chöre am Wahlabend vor der Löwelstraße auf die Frage des ORF-Moderators, was die Anwesenden von einer Koalition mit der ÖVP halten, konnten deutlicher nicht sein. Wenn sich eine Koalition mit den Grünen rein rechnerisch nicht ausgehen sollte, dann wird Gusenbauer dies als einzig gangbaren Weg „im Interesse des Landes“ verkaufen können. Mangels Alternativen wird man dann auch den Koalitionspakt, der viele schmerzhafte Einschnitte beinhalten wird, als „notwendigen Kompromiss“ darstellen.
Ob es der Parteiführung gelingen wird, dafür eine Mehrheit zu bekommen, wird – trotz des versuchten Putsches von Gusenbauer gegen die GewerkschafterInnen – davon abhängen, wie sich die FSG positionieren wird. Dazu gibt es widersprüchliche Indizien: Während sich in der Medienöffentlichkeit die FSG-Funktionäre in Reih und Glied mit der Partei stellen, tobt hinter den Kulissen eine Schlacht zwischen Gusenbauer und den mehr unter dem Druck der Basis stehenden GewerkschaftsführerInnen. Dabei geht es generell um das Verhältnis von Partei und Gewerkschaft, speziell aber um den politischen Preis, den die SPÖ-Spitze für eine Regierungskoalition mit der ÖVP zu zahlen bereit ist. Haberzettl äußerte sich in einer FSG-Veranstaltung in der Arbeiterkammer am Donnerstag vor der Wahl eindeutig: Er lehnt eine Koalition mit der ÖVP ab, weil diese notwendigerweise einen politischen Ausverkauf der Interessen der Lohnabhängigen bedeutet, der bei der nächsten Wahl mit voller Wucht auf die SPÖ zurückschlagen würde.
Doch auch im bürgerlichen Lager wird sich die Begeisterung über eine Große Koalition in Grenzen halten. Der Bürgerblock und „speed kills“ à la Khol und Schüssel war doch die notwendige Antwort auf den "Reformstau" der 90er Jahre, als sich SPÖ und ÖVP gegenseitig blockierten. Das wäre jetzt auch wiederum der Fall, weil die Klasseninteressen, die hinter den beiden großen Parteien stehen, vor dem Hintergrund der kapitalistischen Krise miteinander unvereinbar sind.
Die Bürgerlichen werden nun zur Durchsetzung ihrer Interessen aber auf die Große Koalition und die nach dem Streikjahr 2003 schon von Verzetnitsch und Leitl aufgewärmte „Sozialpartnerschaft neu“ setzen. Von SPÖ und ÖGB wird man wieder im Sinne der kapitalistischen „Sachzwänge“ eine Zustimmung zu einer Flexibilisierung des Arbeitsmarktes, zu Privatisierungen usw. einmahnen. Diese Koalition ist nur über den Weg des politischen Ausverkaufs zu erreichen, sie würde die ArbeiterInnenbewegung politisch-ideologisch entwaffnen und die Grundlage für einen weiteren Aufstieg der extremen Rechten schaffen. Das Zustandekommen dieser Koalition gilt es zu verhindern. Gusenbauer darf nicht glauben, dass er nach diesem Wahlsieg einen Blankoscheck hat. Das Regierungsprogramm muss einer Urabstimmung in der Partei unterzogen werden. Die SJ, die sozialdemokratischen GewerkschafterInnen und alle Linken in der SPÖ müssen gegen eine Koalition mit der ÖVP mobil machen.
Für ein sozialistisches Regierungsprogramm!
Die SPÖ muss jetzt offensiv ihre Wahlversprechen und die sozialen Interessen, für die sie gewählt wurde, in Gesetzesinitiativen gießen: Abschaffung der Studiengebühren, massive Investitionen in die Schulen und Unis, Kampf der Arbeitslosigkeit durch Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn- und Personalausgleich, Sicherung und Ausweitung des Sozialstaates durch eine Politik der Umverteilung von oben nach unten, Nein zu jeder Form von Militarismus, Prinzip „Gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit“, ein öffentliches Investitionsprogramm sowie Einführung von Mindestlöhnen, von denen man auch leben kann.
Ein solches Programm würden unweigerlich einen Sturm der Entrüstung seitens der Bürgerlichen hervorrufen. Keine der bürgerlichen Parteien wäre bereit, eine Koalition unter diesem Programm einzugehen. Eine Minderheitsregierung der SPÖ wird unter diesen Umständen die einzige Möglichkeit sein, das Programm umzusetzen. Die SPÖ müsste erklären, warum dies trotzdem der einzige Weg sei, um nicht ihre Wahlversprechen brechen zu müssen. Nur mit einem solch konsequenten Kurs kann die Sozialdemokratie jene Menschen ansprechen, die sie ans Dritte Lager, Hans-Peter Martin,. an die Grünen bzw. an "die NichtwählerInnen" verloren hat. Im „freien Spiel der Kräfte“ im Parlament würden die Grünen genauso wie die Freiheitlichen beider Couleurs ihr wahres Gesicht zeigen müssen. Die SPÖ müsste Versammlungen in den großen Betrieben, den Schulen, Unis und in den ArbeiterInnenbezirken organisieren, um mit den Menschen für ein sozialistisches Programm zu begeistern und sie in den Kampf dafür miteinzubeziehen.
Die bürgerlichen Medien würden wohl eine nie dagewesene Kampagne gegen "die rote Gefahr" starten. In den Betrieben würden die Lohnabhängigen den Widerstand der UnternehmerInnen zu spüren bekommen. Im Zuge dieser Auseinandersetzungen könnte die SPÖ anschaulich zeigen, dass ein sozialistisches Programm letztlich nur durchsetzbar ist, wenn die Schalthebel der Wirtschaft - die großen Banken und Konzerne – verstaatlicht werden.
Den herrschenden Kreisen in der SPÖ steht der Sinn jedoch nach etwas ganz anderem. Sie wollen die bessere "Partei für Österreich" sein und werden ohne zu zögern ihre Wahlversprechen auf dem Altar der „politischen Stabilität“ Österreichs opfern. Dafür müssen sich die kritischen und linken Teile der ArbeiterInnenbewegung und der Jugend rüsten. Die Schaffung einer klassenkämpferischen Strömung in der Sozialdemokratie und den Gewerkschaften ist heute wichtiger denn je, damit die ArbeiterInnenbewegung endlich einen Ausweg aus der kapitalistischen Sackgasse finden kann. Ein erster positiver Ansatzpunkt war die auf Initiative der SJ Wien noch am Wahlabend organisierte Demonstration zur ÖVP-Zentrale. Etwa 4-500 DemonstrantInnen zeigten der versammelten ÖVP, dass eine Koalition mit den Konservativen in keinem Fall in Frage kommt.