"Wir sind keine unbrauchbaren Analphabeten" - Bericht von der Protestaktion gegen Plachutta

Am dritten Adventsonntag protestierte die Gewerkschaftsjugend gegen den Stargastronomiebetreiber Plachutta, der Lehrlinge als "unbrauchbare Analphabeten" bezeichnete.

Lehrlinge im Gastgewerbe sind untragbaren Arbeitsbedingungen ausgesetzt. Vor kurzem berichtete erst „Der Standard“ in einer Reportage: „Mehr als 14 Stunden Arbeit am Tag, ohne Pause und ohne Mittagessen. Saisonen, in denen sich die Überstunden auf drei Wochen summierten und keine davon bezahlt werden. Im besten Fall spiele es ein paar Tage Zeitausgleich, der Rest werde verschenkt. Der Umgangston sei rüde, ,Lehrlinge werden nicht selten behandelt wie der letzte Dreck'“.

Kein Wunder, dass es sich viele Jugendliche gut überlegen, ob sie im Gastgewerbe eine Lehre beginnen. Für den „Starkoch“ Mario Plachutta ist dies aber kein Problem der Arbeitsbedingungen in der Branche, sondern der österreichischen Lehrlinge. Sie seien „unbrauchbare Analphabeten“ und „das Spiegelbild der verrotteten Gesellschaft“. Kritik an den Arbeitsbedingungen bezeichnet er als „Schwachsinn“.

Um jemanden zu finden, der unter diesen Bedingungen arbeitet, wollen einige Unternehmen jetzt gezielt auf Köche aus Südeuropa zurückgreifen, die aufgrund der Krise in ihren Heimatländern gar keinen Job mehr finden können.

Die Aussagen des Herrn Plachutta lösten zurecht einen Proteststurm aus. Die Jugend der Gewerkschaft Vida, die auch Lehrlinge im Gastgewerbe organisiert, rief am Sonntag zu einer Kundgebung vor seinem Restaurant an der Wollzeile in Wien auf. Ungefähr 70 Personen folgten dieser wichtigen Initiative. Unsere Präsenz, Trillerpfeiffen und Flugblätter versalzte Mario Plachutta gehörig die Mittagssuppe. Mindestens ein Gast stornierte wegen der Kundgebung seine Reservierung im Restaurant. Die verschiedenen RednerInnen auf der Kundgebung drückten in verschiedener Intensität nicht nur ihre Wut über Plachuttas Aussagen aus, sondern auch die Entschlossenheit, so etwas zu bekämpfen. Mario Plachutta wird sich deswegen wohl in Zukunft zweimal überlegen, was er über „seine“ Lehrlinge in der Öffentlichkeit sagt.

Uns muss jedoch bewusst sein, dass solche Aussagen nicht (nur) Ausdruck von Dumm- und Boshaftigkeit von einzelnen Plachuttas sind, sondern letzten Endes nur ein Spiegelbild für die wirtschaftliche Stellung von Lehrlingen in einer kapitalistischen Gesellschaft, in der sich der Wettbewerb immer mehr verstärkt. Die Krise drängt nicht nur einen Plachutta, sondern auch alle anderen Lehrherren immer mehr dazu, aus den Lehrlingen jedes mögliche Gramm Arbeitskraft herauszupressen, um „Wettbewerbsfähig“ und „profitabel“ zu bleiben. Menschliche Bedürfnisse, Würde und Gesundheit spielen in diesem Prozess keine Rolle. Der Ton wird in Zukunft noch rauer werden.

Deswegen müssen wir in Zukunft auch rauere Antworten finden müssen. Die Kundgebung war ein wichtiger Erfolg, doch ihre Wirkung hätte noch verstärkt werden können: Z.b. hätten wir uns direkt vor der Eingangstür postieren können, um den Betriebsablauf noch wirkungsvoller zu unterbinden. Das nächste mal müssen wir auch im vorhinein Parolen und Slogans einüben. Trillerpfeiffen schaffen Aufmerksamkeit, Parolen aber vermitteln Inhalte an Unbeteiligte. Wichtig wäre auch ein offensives Verteilen von Flugblättern vor dem und im Restaurant selber schon vor der Kundgebung gewesen. Viele Gäste wussten wohl einfach nicht, wofür oder wogegen wir demonstrierten. Mehr als ein Hausverbot beim Leutschinder Plachutta hätten wir nicht riskiert.

Mario Drapela, stellvertretender Jugendvorsitzender der Vida, sagte zum Abschluss der Kundgebung: „Wenn jemand so eine Aussage macht, egal ob in Vorarlberg oder sonst irgendwo in Österreich, wir werden da sein und dagegen protestieren!“. Dies ist absolut zu unterstützen. Wir sagen: Egal ob in Vorarlberg oder sonst irgendwo in Österreich, wir werden dabei sein und solche Kundgebungen unterstützen!

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