Jugendarbeitslosigkeit beKÄMPFEN!

Die SJ Vorarlberg stellte folgenden Antrag zum Thema Jugendarbeitslosigkeit und Lehrlingsausbeutung an den Verbandstag der SJÖ. Wir halten diesen für einen hervorragenden Beitrag zur Frage der Arbeitslosigkeit im Allgemeinen und insbes. zu den Problemen, vor denen Jugendliche heute am Arbeitsmarkt stehen. Daher wollen wir unseren LeserInnen diesen Text zur Verfügung stellen, um die Lehren für ihre eigenen Kämpfe daraus zu ziehen.

Unsere Organisation entstand einst als Kampforganisation von Lehrlingen und jungen ArbeiterInnen. Auch im 21. Jahrhundert verstehen wir uns als Sprachrohr und Kampfinstrument jugendlicher Lohnabhängiger. Die Verankerung unter Lehrlingen, jungen ArbeiterInnen und jungen Arbeitslosen gehört zu unseren wichtigsten Aufgaben.

1. Die Situation am Arbeits- und Ausbildungsmarkt:

Eine wachsende Zahl an Jugendlichen hat größte Schwierigkeiten überhaupt einen Ausbildungsplatz (geschweige denn einen Wunschausbildungsplatz!) zu bekommen. Die Jugendarbeitslosigkeit ist eines der brennendsten Probleme, von dem jeden Herbst zehntausende Jugendliche neu betroffen sind.

Gerade in der Krise trifft es die Jugend zuerst und am härtesten. Die Jugendarbeitslosigkeit betägt in Griechenland und Spanien bereits über 50%. In Österreich ist die Jugendarbeitslosigkeit mit 9,9% (31.10.2012) doppelt so hoch wie die durchschnittliche Arbeitslosigkeit.

Die sogenannte „Ausbildungsgarantie“ der Bundesregierung hat nicht etwa dazu geführt, dass jedeR Jugendliche eine vernünftig (oder gar seine Wunsch-)Ausbildung bekommt.

Vielmehr hat sie dazu geführt, dass tausende Jugendliche in die Warteschlange geschickt werden: Absoliveren der Polytechnische Schule zwei oder sogar drei Jahre lang und quasi im betreuten Wartezimmer auf einen Ausbildungsplatz hoffen. Eine unbekannte Anzahl an Jugendlichen verbringt monatelang vor Antritt eines Ausbildungsplatzes die Zeit zu Hause.

In einer repräsentativen Umfrage der GPA-djp-Jugend unter den 17.630 Handelslehrlingen wird klar, dass es die freie Berufswahl für Lehrlinge quasi nicht gibt: 44,8 Prozent der Befragten geben an, dass ihr aktueller Lehrberuf nicht ihr Wunschlehrberuf ist.

Noch immer ist es so, dass junge Frauen einem enormen Druck ausgesetzt sind „irgendeinen“ Lehrplatz in den „typisch weiblichen Lehrberufen“ anzunehmen.

Eine sozialistische Lehrlingskampagne muss hier ansetzen und jenen tausenden KollegInnen, die nicht einmal einen Zeh in den Arbeitsmarkt bekommen, eine politische Perspektive anbieten. Der „Ausbildungsgarantie“ der Bundesregierung stellen wir das Recht auf einen Wunschausbildungsplatz gegenüber.

Der Verbandstag der Sozialistischen Jugend Österrreich beschließt daher:

  • Das Recht auf eine Wunschausbildung
  • Den Ausbau von überbetrieblichen, von der Wirtschaft finanzierten, Lehrwerkstätten, die allen Jugendlichen eine Lehrausbildung nach ihren Wunschvorstellungen ermöglicht
  • Polytechnische Gesamtschule für alle bis 18, Lehre mit Matura und Matura mit Lehrabschluss: Die Trennung von Handarbeit und Kopfarbeit kann und muss durchbrochen werden

2. Finanzierung der Lehrausbildung

Jährlich werden Unternehmen vom AMS (Arbeitsmarkt Service) mit etwa € 180 Millionen dafür subventioniert, dass sie Lehrlinge ausbilden. Förderungen des Bundes und der Länder für überbetriebliche und betriebliche Lehrausbildung betragen weitere € 300 bis 400 Millionen jährlich. Damit werden der österreichischen Wirtschaft ein Drittel der Ausbildungskosten aus der Arbeitslosenversicherung und den Budgets der öffentlichen Hand ersetzt. Man kann davon ausgehen, dass der Restbetrag von den Lehrlingen selbst erarbeitet wird. Die österreichische Wirtschaft hat sich finanziell, also aus der Lehrausbildung verabschiedet.

Der Verbandstag der Sozialistischen Jugend Österrreich beschließt daher:

  • Die Finanzierung überbetrieblicher Lehrwerkstätten durch eine Zwangsabgabe aller Betriebe.
  • Keine Mittel aus der Arbeitslosenversicherung für das Erlernen der ersten Ausbildung
  • Veröffentlichung aller Förderungen (EU, Bund, Länder, Gemeinden) an Lehrbetriebe
  • Förderungen und Leistungsprämien müssen an die Lehrlinge selbst und nicht an die Lehrbetriebe ausbezahlt werden
  • Eine volle Übernahme aller Ausbildungskosten (Internat, Fahrkosten, Lehrmaterial, Arbeitskleidung, Lernunterlagen, etc) durch die Unternehmen.
  • Keine Lehrlingsentschädigung sondern einen Lohn, der ein eigenständiges Leben ermöglicht (€ 1000,- Netto-Lohn ab dem ersten Lehrjahr)
  • Für einen Mindestlohn von € 1500,- netto monatlich und das Recht auf Vollzeit.

3. Demokratie und Freiraum erkämpfen!

Politisch bewusste Lehrlinge leiden unter Meinungskontrolle und Willkür im Betrieb, Werkstätte und Berufsschule. In der bereits zitierten Umfrage der GPA-djp erklären 21 Prozent, dass sie Angst haben, ihre Lehrstelle zu verlieren. Über ein Drittel berichtet davon, dass im Fall der Inanspruchnahme von Krankenständen der/ die ChefIn Probleme macht. Ein weiteres Drittel muss angeordnete Überstunden leisten.

Wir wissen aus eigener Erfahrung, dass die ChefInnen nicht selten Ansprüche an „ihre Lehrlinge“ stellen, die weit über das Lehrverhältnis hinausgehen. Lehrlinge werden wegen ihrer Freizeitaktivitäten oder ihrer politischen Meinungen unter Druck gesetzt. Mädchen und junge Frauen sind nicht selten sexistischen Übergriffen ausgesetzt.

Die Anlehnung der Arbeitszeiten an den Branchen-Kolletivvertrag der erwachsenen KollegInnen anstatt an die Ferienzeiten der gleichaltrigen SchülerInnen stiehlt wertvolle Freizeit und trägt zur Spaltung von Lehrlingen und SchülerInnen bei. Noch vielmehr gilt dies für Wochenendarbeit, die für Lehrlinge im Dienstleitungsbereich (Handel, persönliche Dienstleistungen, Gastgewerbe) aber auch im Produktionsgewerbe (z.B. Bäckereien) ihre Freizeit stark einschränkt.

Auch wenn Lehrlinge, die Lehrlingsschutzbestimmungen kennen, so kann man sie meist nicht durchsetzen. Der Lehrstellenmarkt ist so eng, dass es nicht viel Spielraum auf individuelle Durchsetzung kollektivvertraglicher und gesetzlicher Rechte gibt.

Daher müssen sich junge SozialistInnen auch über die Demokratie an den von uns geforderten Lehrwerkstätten Gedanken machen.

Der Verbandstag der Sozialistischen Jugend Österrreich beschließt daher:

  • Die Lehrausbildung in den Werkstätten steht unter Kontrolle einer Kommission, die je zu einem Drittel aus Lehrlingen, GewerkschaftsvertreterInnen und Lehrpersonal zusammengesetzt ist.
  • Die spezifischen, wirtschaftlichen, sozialen, politischen und kulturellen Bedürfnisse der Lehrlinge werden vom demokratisch gewählten Jugendvertrauensrat artikuliert und organisiert. In den Lehrwerkstätten herrscht absolute Meinungsfreiheit und das Recht sich gewerkschaftlich und politisch zu organisieren.
  • Urlaubsanspruch entsprechend den Ferienregelungen bei den SchülerInnen.
  • Keine Wochenendarbeit für Lehrlinge.

Wen wollen wir mit unserer Lehrlingsarbeit erreichen? Wie wollen wir unsere Rechte durchsetzen?

Die Sozialistische Jugend wendet sich in ihrer politischen Arbeit an linke Jugendliche. Was an den Schulen selbstverständlich ist, muss auch für Berufsschulen, Betriebe, Lehrwerkstätten und Polytechnische Schulen gelten.

Für sie ist es klar, dass sie gut sind, und noch bessere FacharbeiterInnen werden wollen. Sie sind aber auch Menschen! Sie wollen Zeit, Rechte, Planbarkeit, anständige Entlohnung und Respekt. Sie wollen eine Perspektive, die über das Elend des kapitalistischen Marktes hinausgeht. Lehrlinge in der SJ sind in erster Linie KämpferInnen für den Sozialismus.

Der Verbandstag der Sozialistischen Jugend Österrreich beschließt daher:

  • Egal ob wir in einem Betrieb schon aktiv sind oder vor dem Betrieb stehen, um neue Lehrlinge anzusprechen: Unser Ziel ist es eine starke Organisation aufzubauen. Wir versuchen andere KollegInnen von unserer politischen Perspektive zu überzeugen und so in der SJ zu organisieren.
  • Wir wenden uns auch an jene KollegInnen, die einerseits in der Warteschleife sind und Lösungen für ihr Schicksal als Lehrstellensuchende suchen. D.h. wir gehen vor die Polytechnischen Schulen und AMS-finanzierten Werkstätten, mobilisieren hier für unsere Rechte, insbesondere für das Recht auf einen Wunschausbildungsplatz und für menschliche Behandlung an der Schule. Wenn wir hier organisiert sind, strömt jedes Jahr eine neue Generation SJlerInnen in die Betriebe und Werkstätten.
  • Wir lehnen jeden sektiererischen Umgang mit der Gewerkschaftsjugend ab, sondern im Gegenteil, wir versuchen eng mit dieser zusammenzuarbeiten, und wenn das aus nicht nachvollziehbaren aber historisch gewachsenem Konkurrenzdenken zwischen unseren Organisationen von der anderen Seite nicht gewollt ist, dann drängen wir uns auf. Denn die Gewerkschaft ist die breiteste Organisation unserer Klasse, und die muss organisatorisch und politisch gestärkt werden.
  • Wenn wir in einem Betrieb einen politisch gefestigten Kern haben, wird es Zeit, dass wir die anderen KollegInnen für die Gewerkschaft organisieren. Wir gehen zu unserer Fachgewerkschaft und bitten um die Unterstützung von JugendvertrauensrätInnen oder gar BetriebsrätInnen (im Betrieb zu installieren): So schaffen wir bessere Arbeitsbedingungen, schauen, dass die Arbeitsgesetzte eingehalten werden, erleichtern die Arbeit etc.
  • Zu diesem Zweck, aber vor allem, weil die UnternehmerInnen hier die offensivsten Angriffe führen, um die Krise auf die ArbeiterInnen abzuwälzen, müssen wir in die KV-Verhandlungen mit klaren Positionen gehen, das heißt den Kampf, wie ihn die MetallerInnen letztes oder dieses Jahr geführt haben, aktiv mit einer Kampagne unterstützen!

So zeigen wir nicht nur aktiv, dass wir auf ihrer Seite stehen, sondern können auch neue Verbindungen zu Lehrlingen schaffen, die schon beginnen, sich in einzelnen Fragen zu wehren.

  • Der Verbandstag der Sozialistischen Jugend Österreich beschließt die Einrichtung einer Kommission für alle interessierten GenossInnen, die an der Organisierung von Lehrlingen, jungen Arbeitslosen, PolyschülerInnen und jungen ArbeiterInnen und der Weiterentwicklung der bestehenden Lehrlingskampagne auf Basis klassenkämpferischer und sozialistischer Programmatik und Methoden mitwirken wollen.
  • Außerdem soll eine bundesweite Lehrlingszeitung geschaffen werden, in der jeder Lehrling die Chance hat, seine/ ihre Erfahrungen aus Betrieb und Schule allen KollegInnen zugänglich zu machen (Als Vorbild dafür können die guten Erfahrungen der Vorarlberger SJ mit der Lehrlingszeitung "Rotor" herangezogen werden). Diese Kommission soll das erste Mal im Februar 2013 zusammentreten.

 

Wir sind ÖGB is powered by Joomla!®