Umverteilung von oben nach unten jetzt!

In der Gewerkschaftsbewegung, der Basis der Sozialdemokratie und selbst den bürgerlichen Massenmedien tobt seit Monaten eine Diskussion über die Gerechtigkeit der Verteilung des gesellschaftlichen Reichtums. Meist wird diese mit der Notwendigkeit der Kaufkraftstärkung zur Überwindung der Krise argumentiert. Viele Vorschläge liegen auf dem Tisch. Auf Basis der Tatsachen erläutern wir, was wirklich notwendig ist.

Fehlentwicklung

Seit der zweiten Hälfte der 1970er ist der Anteil der Löhne und Gehälter am Volkseinkommen deutlich gesunken. 1978 hatte die Bruttoohnquote, also der Anteil der Löhne am Volkseinkommen, mit ca. 78% ihren Höchststand erreicht. Bis zur Jahrtausendwende ist dieser Anteil um fast sechs Prozentpunkte gesunken. In den Jahren seit dem Antritt der SchwarzBlauen Regierung wurden uns noch einmal fünf Prozentpunkte aus den Geldbörseln geraubt, so dass die Lohnquote 2008 nur mehr bei 67% gelegen ist, was bedeutet, dass sich das Kapital mittlerweile 11 Prozentpunkte vom Volkseinkommen mehr an Profiten einverleibt, also massiv zu sich umverteilt hat.

Was wir tatsächlich für die alltägliche Ausbeutung in den Fabriken und Büros bekommen, ist aber noch weniger geworden. Die Nettolohnquote, also das, was uns nach Steuern, Sozialversicherungsbeiträgen und Abgaben bleibt, wurde auch nach dem Ende der BürgerInnenblockregierung und dem Wiederantritt einer großen Koalition unter sozialdemokratischer Führung kaum verändert.

So sind nicht nur die Abgaben auf Löhne und Gehälter deutlich stärker gestiegen als jene auf Gewinn- und Besitzeinkommen, sondern auch der Anteil der (effektiven) Lohnsteuer hat von 10,9% im Jahr 1990 auf 15,4% im Jahr 2007 zugenommen. Dementsprechend bleibt uns als auch von steigenden Bruttolöhnen netto weniger über. Im gleichen Zeitraum ist die Besteuerung von Besitz- und Gewinneinkommen von 10,9% auf 10,3% gesunken, so dass diese einen immer geringeren Beitrag zur Finanzierung öffentlicher Leistungen leisten

Dies hat auch eine enorme volkswirtschaftliche Bedeutung. Wenn die Entwicklung der Lohnsteigerungen (wie es seit ca. 1995 der Fall ist) sehr schwach ist und gleichzeitig die öffentlichen Ausgaben auf Grund steigender Steuern und Abgaben auf Lohneinkommen immer stärker von diesen abhängen, dann werden die Nettoeinkommen der Beschäftigten sinken müssen. Das war auch tatsächlich der Fall, was sich in der heutigen Überproduktionskrise widerspiegelt. Es wird so viel produziert, dass es die Menschen auf Grund ihrer gesunkenen Realeinkommen einfach nicht mehr kaufen können.

Umverteilung?

Insgesamt wirken Steuern und Abgaben in Österreich – wie selbst bürgerliche wissenschaftliche Studien immer wieder eindeutig belegen – kaum umverteilend. Zwar hat die Einkommensbesteuerung eine leicht progressive Wirkung (besser Verdienende zahlen prozentuell mehr Steuern); dies wird aber dadurch zunichte gemacht, dass die Sozialversicherungsbeiträge, da diese einen einheitlichen Tarif für alle aufweisen und ab der sog. Höchstbeitragsgrundlage in absoluten Zahlen nicht mehr steigen (also prozentuell sogar sinken!) ebenso in die andere Richtung wirken wie indirekte Steuern. Die bedeutendste davon – die Mehrwertsteuer, welche auf jedes gekaufte Gut und jede Dienstleistung anfällt, macht anteilsmäßig bei jenen Einkommen viel mehr aus, bei denen nichts gespart werden kann, die zum (über)leben also nahezu vollständig wieder ausgegeben werden müssen. In den letzten ca. 15 Jahren ist der Anteil dieser indirekten Steuern an den niedrigen Einkommen sogar noch gestiegen, wodurch die Umverteilungswirkung der öffentlichen Einnahmen noch geringer geworden ist.

Indirekte Steuern wie auch Sozialversicherungsbeiträge haben also eine sog. regressive Wirkung; sie verteilen von unten nach oben um. Mittlerweile gibt es von gewerkschaftlicher Seite den Vorschlag, dem entgegen zu wirken, in dem die Sozialversicherungshöchstbeitragsgrundlage deutlich angehoben wird. Diese Vorschlag geht in die richtige Richtung, aber nicht weit genug. Warum bitte sollen die Bestverdienenden wieder bevorzugt werden, indem sie ab einer bestimmten Einkommenshöhe nicht mehr mehr zahlen müssen? Und warum bitte sollen diese zu den sozialen Sicherungssystemen nicht einen größeren Anteil an ihren Einkommen beitragen als die ca. 1,2 Millionen Menschen in Österreich, die an oder unter der Armutsgrenze leben. Die einzig wirkliche Lösung dieser Problematik würde darin bestehen, dass 1. die Höchstbeitragsgrundlage abgeschafft und 2. die Finanzierung der Sozialversicherungen wie das Steuersystem auf eine progressive Basis umgestellt werden. Das würde bedeuten, dass jene, die mehr haben, dann auch prozentuell höhere Sozialversicherungsabgaben zahlen, wodurch es auch in der Sozialversicherung zu einer Umverteilung von oben nach unten kommen könnte.

In diesem Zusammenhang muss aber auch die jüngst von der ÖVP losgetretene Debatte um ein sog. Transferkonto gesehen werden. Dass damit der für die Bewältigung der Krise erforderliche Sozialabbau zur Bewältigung der Budgetkrise ideologisch vorbereitet werden soll, liegt auf der Hand. Gleichzeitig darf aber auch nicht übersehen werden, dass Vizekanzler Pröll damit ganz offen einen Angriff auf jene durchgeführt hat, die aus Logik der Bürgerlichen nicht zu den sog. LeistungsträgerInnen in der kapitalistischen Gesellschaft gehören.

Ein menschenwürdiges Leben ist schließlich kein Recht, so zumindest wurde es historisch von der christlichen Soziallehre argumentiert, sondern eine Gnade, und das gleich im doppelten Sinn des Wortes. Abhängig einerseits von den Talenten, die Gott uns mitgegeben hat, und von den Gnadenakten derjenigen, die genug haben andererseits. Dass aber viele trotz Sozialleistungen und Arbeit heute unter der Armutsgrenze leben, hat Pröll wohlweislich verschwiegen.

Steuern

Trotzdem mit der Steuerreform 2009 die allerniedrigsten Einkommen leicht entlastet wurden, ist die gesamte Belastung niedriger Einkommen durch Steuern und Abgaben weiter angestiegen. Dies liegt v.a. an den bereits erwähnten indirekten Steuern. Ein gerechteres Steuersystem kann es also nur geben, wenn diese abgeschafft werden, was gar nicht so unüblich ist. Die Mehrwertsteuer etwa wurde in den meisten Ländern erst im letzten Jahrhundert eingeführt und war die perfekte Maßnahme zur Umverteilung der Finanzierung der öffentlichen Ausgaben vom Kapital auf uns Lohnabhängige.

Ein Steuersystem, welches einzig auf direkten Steuern (also jenen, die von der Einkommenshöhe abhängen) basiert, ist daher viel gerechter. Natürlich müsste ein solches System stark progressiv sein, der Steuersatz prozentuell mit der Einkommenshöhe also deutlich steigen. Warum bitte sollen arbeitende Menschen durchschnittlich ca. ein Drittel ihrer Löhne und Gehälter an Steuern und Abgaben zahlen (von oft nur ein paar Tausend oder einigen wenigen Zehntausend Euro im Jahr), wenn gleichzeitig Großkonzerne von Milliarden in der Regel mit weit unter 10% besteuert werden. Das müsste doch genau umgekehrt sein – sagt zumindest der Gerechtigkeitssinn.

Gleichzeitig muss an dieser Stelle aber auch erwähnt werden, dass die durchschnittliche Belastung der Lohnabhängigen noch weit höher liegen würde, wenn nicht ca. 40% davon überhaupt keine Einkommenssteuer zahlen würden, weil sie so wenig verdienen. Hier gilt es anzusetzen. Einerseits müsste zur Verringerung der Armutsgefährdung die Grenze für die Einkommenssteuer deutlich erhöht werden. Andererseits müsste endlich – wie in vielen anderen Staaten üblich – ein gesetzlicher Mindestlohn von zumindest € 1.500,-- eingeführt werden. Löhne, von denen mensch auch leben kann, sind nämlich langfristig die einzige Form von Umverteilung, die tatsächlich wirkt.

Die Wirtschaft darf sich nicht mehr darauf verlassen können, dass wir Lohnabhängigen über soziale Transferleistungen, die wir selbst finanzieren, untereinander für jene sorgen, die zu wenig zum Leben verdienen. Es kann nicht sein, dass wir Arbeitenden unser Geld von den Arbeitenden zu den PensionistInnen und Arbeitslosen umverteilen, von den Kinderlosen zu denen mit Kindern, von den Gesunden zu den Kranken; es kann nicht sein, dass das unterste Einkommensdrittel 84% dessen, was es durch Arbeit verdient, aus Sozialleistungen dazu bekommen muss, nur weil die Löhne nicht zum Leben reichen. Die Wirtschaft will die ganzen Gewinne haben – also soll sie auch ganze Löhne und den ganzen Sozialstaat zahlen, v.a. aber Steuern, die diesen Namen auch verdienen und keine Almosen sind.

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