Regierung präsentiert Sparpaket – Was tun?

Unter dem Druck der Finanzmärkte und der sich ausbreitenden Euro-Krise sah sich die Regierung gezwungen, ebenfalls ein hartes Sparprogramm umzusetzen. Die SPÖ wollte den radikalen Sparplänen der ÖVP durch die Einführung von "vermögensbezogenen Steuern" ein wenig den Zahn nehmen. Doch selbst die bescheidene Zielvorgabe, das Budget zu 30 Prozent einnahmenseitig, also über zusätzliche Steuereinnahmen, zu sanieren, verfehlte die SPÖ deutlich. Genüsslich betonte ÖVP-Vizekanzler Spindelegger, dass 76,4 Prozent durch Ausgabenkürzungen eingenommen werden.

Kürzungen

Kernstück der Sparpolitik ist eine weitere Verschlechterung bei den Pensionsregelungen. Für die PensionistInnen wird es in den nächsten beiden Jahren reale Einkommensverluste geben, weil die Inflationsrate nicht abgegolten wird. Für die klassische Frühpension werden höhere Abschläge fällig, auch der Zugang wird erschwert. Das Antrittsalter bleibt zwar bei 62 Jahren, ArbeitnehmerInnen müssen künftig aber mindestens 40 statt wie bisher 37 Beitragsjahre vorweisen. Das heißt 3 Jahre länger arbeiten. Und das Ende der Fahnenstange ist noch lange nicht erreicht.

Unter dem Stichwort "Pensionskonto" verbirgt sich eine Neuberechnung der individuellen Pensionsansprüche, die eine Kürzung des Pensionsbezuges zwischen 1,5 und 3,5 % mit sich bringt – bei einem Antritt der Pension zum gesetzlichen Pensionsalter von 65 (Männer) bzw. 60 Jahren (Frauen). Jedes Jahr früherer Antritt wird mit einem weiteren Abschlag von je 5,2 % geahndet. Zudem kommen die akkumulierten Effekte (Erhöhungen unter der Inflationsrate für 2012 und 2013 sowie die im letzten Jahr vereinbarte Aussetzung der Pensionsanpassung im ersten Jahr des Pensionsbezuges). Wer also in Zukunft nach 40 Jahren Lohnarbeit in den Ruhestand geht, muss mit Pensionsverlusten von 25 % rechnen.

Damit hat der ehemalige ÖGB-Präsident Hundstorfer den größten Raubzug gegen die ArbeiterInnenklasse in der Zweiten Republik zu verantworten. Bei einer durchschnittlichen ASVG-Pension (Männer und Frauen gemeinsam) von € 938, heißt die neue sozialdemokratische Formel schlichtweg: Altersarmut.

Ein weiterer Effekt ist die Zerstörung des Arbeitsmarktes. Jahrgänge um Jahrgänge, die nicht aus dem Arbeitsmarkt rauskommen (aber auch keine Lohnarbeit mehr bekommen), und Junge, die reinströmen und nicht unterkommen werden. Jugendarbeitslosigkeit und Altersarmut im Schwebezustand von unmöglichem Pensionsantritt und Arbeitslosigkeit.

Bei den ÖBB wird die bisherige Frühpensionsregelung abgeschafft. Schon jetzt treten die wohlbekannten "Experten" auf und fordern eine weitere Anhebung des Pensionsantrittsalters. Diese Regelung wird auch nicht besser, wenn die ÖGB-Spitze betont, dass diese Maßnahmen zur Anhebung des faktischen Pensionsantrittsalters bereits im "Sozialpartnerpapier" von Bad Ischl von ÖGB und Wirtschaftskammer enthalten sind.

Die Gruppe der Lohnabhängigen, die am stärksten von der Kürzungspolitik betroffen ist, sind die Beschäftigten im öffentlichen Dienst. Für sie gibt es in den nächsten zwei Jahren eine Nulllohnrunde und somit einen realen Einkommensverlust. Außerdem wird es in den meisten Bereichen einen Aufnahmestopp geben, womit der Arbeitsdruck weiter steigen und die Qualität der öffentlichen Dienstleistungen sinken wird.

Unter dem Deckmantel "Streichung des Förderdschungels" wird der staatliche Zuschuss zum Bausparen, einer beliebten Sparform unter Lohnabhängigen, halbiert.

Weitere € 5,2 Mrd. sollen von den Ländern gekürzt werden. Was dieses Paket in Wirklichkeit bedeutet, wird man in vielen Fällen erst im Laufe der Umsetzung erkennen können. Das 25-Prozent-Sparpaket in der Steiermark sollte uns aber als Warnung dienen.

Geplant ist weiters eine Gesundheitsreform. Bis 2016 sollen € 1,4 Mrd. Bundesgelder bei den Spitälern gekürzt werden. 2,1 Mrd. sollen die Länder hier einsparen. Die konkrete Umsetzung muss aber erst zwischen Bund, Ländern und Gemeinden ausverhandelt werden. Eine "Kostendämpfung" von insgesamt € 3,5 Mrd. bis 2016 ist ein Euphemismus sondergleichen. Harte Einschnitte, Kürzungen und Schließungen von Abteilungen oder ganzen Spitälern werden die Folge sein.

Steuern

Die SPÖ-Spitze brüstet sich mit einigen Erfolgen wie der Einführung der Immobiliensteuer, die Vermögenszuwächse bei Immobilienverkäufen besteuert, einer Abgabe bei Umwidmungen von Grün- in Bauland und der "Solidarabgabe" für Spitzeneinkommen. Im Schnitt belastet diese bis 2016 befristete Erhöhung der Einkommenssteuer eine Person mit einem Bruttomonatseinkommen von € 13.000 gerade mal mit € 327 im Jahr. Öffentlich Bedienstete in den niedrigeren Lohnstufen müssen im Gegenzug mit Einkommensverlusten von bis zu € 900 jährlich rechnen!

Die geplanten Einnahmen aus der Finanztransaktionssteuer und der Besteuerung von Schwarzgeldern in der Schweiz sind aber abhängig von Verhandlungserfolgen der Regierung auf internationaler Ebene und alles andere als eine ausgemachte Sache. Einen genaueren Blick warf Wilfried Hanser auf die Frage der Besteuerung des unversteuerten Vermögens in der Schweiz: "12 bis 20 Milliarden an unversteuerten Geldern aus Österreich, so die Schätzung der Bundesregierung, liegen auf Schweizer Konten. Nun die erstaunliche Rechnung: Diese Milliarden sollen einmalig mit 25% (analog der KESt) pauschal versteuert und somit für immer "reingewaschen" werden. Davon verspricht sich die Regierung einen Einmaleffekt von ca. einer Milliarde. Aha. Also haben wir im Unterricht in der Volksschule nicht recht aufgepasst: Ein Viertel von 12 ist 1. Oder vielleicht ein Viertel von 20? Auch 1! Na egal, ein Volksschüler würde sagen, das sind vielleicht 5%, oder wenn er mit den 12 Milliarden rechnet, wären das 8,33 %."

Faymanns angeblicher Verhandlungserfolg besteht also zu einem Gutteil aus Taschenspielertricks, geschönt durch ein paar längst fällige kosmetische Maßnahmen (z. B. bei den Spitzeneinkommen und den Bauern). Von der Einführung einer Vermögenssubstanzsteuer oder einer neuen Erbschaftssteuer, zwei Kernforderungen der Gewerkschaften, sind wir aber weiterhin weit entfernt. Die Einschätzung der Industriellenvereinigung macht dem letzten Zweifler deutlich, wer sich hier durchgesetzt hat: "Wir begrüßen, dass es vor allem angesichts einer Reihe von gefährlichen realitätsfernen und weltfremden Forderungen von AK und ÖGB grosso modo zu keinen stark standortschädigenden und beschäftigungsvernichtenden neuen Steuern kommt. In diesem Sinn wurde durch die Bundesregierung weitgehend standort- und beschäftigungspolitisch verantwortungsvoll gehandelt. Dass die Budgetkonsolidierung im überverwalteten Hochsteuerland Österreich leicht ohne neue Steuern und Belastungen zu bewerkstelligen gewesen wäre, ist allerdings auch klar", so IV-Präsident Veit Sorger.

Fatale Rolle des ÖGB

Vor allem die Verschlechterungen bei den Pensionen und im öffentlichen Dienst sind echte Kampfansagen an die ArbeiterInnenklasse. Ein Sparvolumen von € 1,3 Mrd. im Gesundheitssektor öffnet auch hier die Türe zu Einschnitten bei medizinischen Leistungen und Arbeitsbedingungen. Die ersten Stellungnahmen des ÖGB und der FSG sind in dieser Hinsicht fatal. Die Gewerkschaftsspitzen zielen eindeutig darauf ab, dass sich kein Widerstand gegen diese "notwendige Budgetkonsolidierung" (ÖGB) zu regen beginnt.

Nichtsdestotrotz ist dieses Paket auch Ausdruck dafür, dass in Österreich derzeit keine Klasse einen entscheidenden Schlag gegen die andere landen kann. Angesichts der Politik von SPÖ und ÖGB steht die Arbeiterklasse ziemlich ungeschützt da; sie ist auch weit davon entfernt, die Kosten der Krise den Bürgerlichen in Form von Vermögenssteuern aufbürden zu können. Das Programm von SPÖ und ÖGB bleibt somit geduldiges Papier, und es gibt auch keine Ansätze, wie diese Forderung durchgesetzt werden könnte.

Umgekehrt sind die Bürgerlichen derzeit zu einem Klassenkompromiss gezwungen. Die ÖVP hat zwar das Sagen in der Koalition, aber sie kann sich derzeit keinen Frontalangriff leisten. Sie muss ihre Kürzungspläne wohl dosieren und auf eine Salamitaktik setzen. Früher oder später wird diese Kompromissformel nicht mehr ausreichen. Je nach Verlauf der Krise wird das Kapital gezwungen sein, den Druck zu erhöhen und die Koalition aufzubrechen. Dieses Szenario kann früher eintreten, als es Faymann und Foglar recht sein mag.

Mit diesem Sparpaket tritt Österreich aber in eine neue Phase ein. Die kommenden Jahre werden geprägt sein von unzähligen Konflikten, bei denen einzelne Sektoren der Arbeiterklasse versuchen werden Angriffe auf ihre Löhne und Arbeitsbedingungen abzuwehren. Die Beschäftigten im öffentlichen Dienst bzw. in Bereichen, die direkt von der öffentlichen Hand finanziert werden, werden dabei an vorderster Front stehen. Die Voraussetzung für erfolgreiche Abwehrkämpfe ist aber, dass in diesen Gewerkschaften die alte Führung ausgetauscht wird. Gewerkschaftsspitzen, die kampflos Nulllohnrunden und Aufnahmestopps akzeptieren, müssen ersetzt werden durch kämpferischere KollegInnen.

Rund um dieses Sparpaket zeichnet sich eine Niederlage für die ArbeiterInnenklasse ab. Die Gewerkschaftsbürokratie hält bisweilen eisern den Deckel drauf. Ihre Stellungnahmen reden dieses Paket schön, um die eigene Basis ja ruhig zu halten. Wenn es in den kommenden Wochen nicht zu einem Aufschrei der Betriebsräte in den Gewerkschaftsgremien kommt, dann wird die Regierung dieses Sparpaket ohne nennenswerten Widerstand über die Bühne bringen. Kämpferische KollegInnen müssen jetzt beginnen, in den Betrieben den wirklichen Inhalt dieses Pakets zu erklären, sie müssen aufzeigen, vor welchen Perspektiven die ArbeiterInnenklasse in den kommenden Jahren stehen wird, und sie müssen in den Gewerkschaften von unten Druck aufbauen. Solange sich die Gewerkschaftsspitzen darauf beschränken, "das Schlimmste zu verhindern" und die Regierungspläne etwas abzufedern anstatt die dahinter stehende Logik schonungslos abzulehnen, wird die Sparlawine weitergehen.

Kapitalismus akzeptiert, Krise geduldet

Einmal mehr zeigt sich auch in Österreich, was in ganz Europa vorgetanzt wird: Die Ideenlosigkeit der Spitzen der ArbeiterInnenorganisationen angesichts der Krise. Reformistische Konzepte des gerechten Verteilens wirtschaftlichen Reichtums griffen bereits in der vorangegangenen Boomperiode nicht mehr: Die Schere zwischen Löhnen und Profiten geht seit 30 Jahren auseinander, und auch die vergangenen Boomperioden waren von steigender Arbeitslosigkeit, Reallohnverlusten und starkem Arbeitsdruck gekennzeichnet. Wo der Arbeitsmarkt nicht schon liberalisiert wurde (Stichwort: Hartz IV in Deutschland), wird jetzt voll durchgegriffen.

Das Interessante an der heutigen Krise ist, dass die Profite der Unternehmen wieder auf Vor-Krisen-Rekordniveau sind, während alle anderen wirtschaftlichen Indikatoren weiter auf hohem (Arbeitslosigkeit, Inflation, Verschuldung) oder niedrigem Krisenniveau (Beschäftigung, Lohnabschlüsse) bleiben. Dies lässt nur eine Deutung zu: Die Krisenkosten werden voll auf die Schultern die Lohnabhängigen abgeladen.

Die Anerkennung dieser Politik erfolgte symbolisch dadurch, dass die ÖGB-Spitze den Slogan "Eure Krise zahlen wir nicht" durch den Leitgedanken "Fair teilen" ersetzte. Insofern ist es nur konsequent, dass die ÖGB- und GÖD-Spitze diesem Sparpaket zustimmt. Im Vorfeld wurden jene Kanten rausgenommen, bei denen man sicher war, dass sie zu aktivem Widerstand führen würden. Foglar & Co. sehen sich also in der Position des gesellschaftlichen Moderators gestärkt. Die Notwendigkeiten der kapitalistischen Kapitalverwertung werden so dosiert, dass sie ohne gesellschaftlichen Widerstand über die Bühne gebracht werden können. Dies ist das Strickmuster des vorliegenden Sparpakets. Allen Seiten ist klar, dass sie damit Zeit schinden. Während die Hoffnung der Spitzen der Arbeiterbewegung darauf beruht, dass eine positive Entwicklung der Ökonomie ihnen wieder mehr Spielräume schafft, bereiten sich die Bürgerlichen auf eine politische Wende vor, die Strukturmaßnahmen auf dem Arbeitsmarkt ohne Rücksicht auf die organisierte ArbeiterInnenbewegung durchsetzen kann.

Lernt zu handeln!

Die Idee, dass (z.B. anders als in Griechenland) der Knüppel noch nicht aus dem Sack ist, ist sowohl in der Gesellschaft, also auch unter FunktionärInnen und BetriebsrätInnen weit verbreitet. Klar ist, dass man sich von der SPÖ mehr erwartete und der Druck bereits so groß war, dass Foglar eine ÖGB-AK- Konferenz akzeptieren musste. Dies war bereits eine Kompromissformel, denn entscheidende Kräfte der Gewerkschaftsbewegung wie die Pro-Ge drängten auf eine Betriebsrätekonferenz, wo verbindliche inhaltliche Eckpfeiler und damit verbundene Kampfmaßnahmen beschlossen werden sollten.

Es ist klar, dass eine solche Vorgehensweise Milliardenopfer von der österreichischen ArbeiterInnenklasse abwenden hätte können. Der Widerspruch zwischen Analyse und Praxis ist eklatant. Tumpel rechnete den über 300 anwesenden Spitzenfunktionären und Betriebsräten vor, dass eine 1%-Besteuerung des Immobilien- und Finanzvermögens der reichsten 10 Prozent der ÖsterreicherInnen jährlich € 9 Mrd. in die Staatsfinanzen spülen würde. Dabei platzte einem anwesenden Betriebsratsvorsitzenden der Kragen – es war keinerlei Diskussion und Beschlusslage vorgesehen, wie man dieses 1 % auch eintreiben könnte. Stattdessen legte das ÖGB-Präsidium ein Papier vor (über das wiederum nicht abgestimmt wurde), das nach dieser Veranstaltung als ÖGB-Position galt und das selbst massive Einschnitte im Pensions- und Gesundheitssystem vorschlug.

Hier zeigt sich einmal mehr, wie leicht es der Gewerkschaftsspitze noch gelingt, das eine zu sagen und das andere durchzusetzen. Funktionäre, Betriebsräte und Mitglieder müssen es schaffen, der Demokratie in den Organisationen der Arbeiterklasse zum Durchbruch zu verhelfen. Anstatt sich zu beklagen, anstatt die abschließende Rede des Vorsitzenden als Programm zu akzeptieren, müssen die kämpferischen KollegInnen dieses altbekannte Spiel durchbrechen, indem sie Abstimmungen verlangen und erzwingen. Wenn dies nicht passiert, verkommt das Innenleben der Arbeiterorganisationen zu einer Kasperliade der Durchsetzung von Kapitalinteressen.

Das negative Stimmverhalten von ÖGJ-Vorsitzenden Michelmayr im FSG-Präsidium ist sehr positiv. Genauso die erste Stellungnahme von Wolfgang Moitzi (SJÖ) und Beschlüsse in diversen SJ-Gremien. Bleibt zu hoffen, dass die Öffentlichkeitsarbeit in diesem Fall noch besser wird: Die von der APA kolportierte "Skepsis" des Verbandsvorsitzenden ist mit der internen Sprachregelung nicht deckungsgleich.

Die roten Jugendorganisationen im allgemeinen (SJ, FSG-Jugend, VSStÖ, AKS) haben in dieser Situation eine besondere Verantwortung. Sie sollten zu einer Aktionskonferenz gegen das Sparpaket aufrufen, wo Protestmaßnahmen organisiert werden. Eine solche Konferenz könnte eine Plattform für all jene KollegInnen werden, die eine Alternative zum sozialpartnerschaftlichen Kurs der ÖGB-Spitze für notwendig erachten.

Nachdem der Durchsetzung dieses Sparpaketes kein ernstzunehmender Widerstand entgegengesetzt wird, müssen wir in Zukunft mit einer Reihe von dezentralen Abwehrkämpfen rechnen. Diese Kämpfe zu verbreitern, Solidarität mit diesen Kämpfen zu organisieren, sie methodisch und programmatisch zu befruchten, wird eine zentrale Aufgabe der roten Jugendorganisationen werden.

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