Das Geschäft mit unserem Essen: Wer an Hunger stirbt, wird ermordet!
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- Erstellt am Montag, 02. Juni 2008 14:47
- von Vera K., SJ Floridsdorf (ausgeschlossen)
Anfang des Jahres stieg der Weltmarktpreis für Weizen alleine an einem einzigen Tag um 25%. Ähnlich explosive Preisentwicklungen lassen sich auch bei vielen anderen Grundnahrungsmitteln beobachten. Die damit verbundene Hungerkrise wird von IWF und Weltbank mittlerweile als größere Gefahr gesehen als die Krise auf den Finanzmärkten.
Die Teuerungswelle bei Lebensmitteln löste in vielen Ländern Asiens, Afrikas und Lateinamerikas bereits soziale Unruhen aus. In Ägypten, Kamerun, Mauretanien, Äthiopien, Burkina Faso, Madagaskar, der Elfenbeinküste, Haiti, Indonesien, Bangladesch sowie den Philippinen kam es in den vergangenen Tagen, Wochen und Monaten zu Aufständen, politischen Demonstrationen und Streiks mit zahlreichen Toten. In Haiti wurde der Präsident zum Rücktritt gezwungen, andere Regierungen sahen sich gezwungen einen Exportstopp für Lebensmittel zu verhängen und den Nahrungsmittelkauf massiv staatlich zu subventionieren. Was in der so genannten "Dritten Welt" zu Revolten der durch die Globalisierung in die Städte getriebenen, proletarisierten Massen führt, zeigt sich bei uns als Inflation, die uns mehr und mehr Kaufkraft stiehlt.
Profitquelle
Für das Kapital ist unser Essen nur eine weitere Profitquelle. So werden zum Beispiel an der Chicagoer Börse mit Grundnahrungsmitteln wie Weizen, Reis, Mais, Soja, Bohnen und dergleichen gehandelt und spekuliert. Das Ziel ist die Profitmaximierung im Interesse einer reichen Minderheit. So darf es auch nicht verwundern, wenn tonnenweise Lebensmittel vernichtet werden, um Weltmarktpreise hoch zu halten bzw. in den "entwickelten" Ländern Bauern für die Einhaltung bestimmter Produktionsquoten oder gar brach liegendes Land bezahlt werden. Bestimmend im Lebensmittelsektor sind wenige Großkonzerne. Fünf von ihnen kontrollieren weltweit 75% des Marktes. Die Folge ist, dass die Profitspannen enorm sind, bis zu 95% der Preise, die wir im Supermarkt bezahlen, sind für die Konzerne Reingewinn.
Ursachen der Teuerung
Für den plötzlichen Anstieg der Weltmarktpreise sind mehrere Gründe verantwortlich. Einer davon ist der hohe Ölpreis. Dieser macht nicht nur Transporte teurer, sondern auch die Treibstoffe für landwirtschaftliche Maschinen und die verwendeten Düngemittel.
Aufgrund des Rekordölpreises wächst der Bedarf nach anderen Treibstoffen und Energieträgern. Die führenden Großmächte USA und EU planen schon länger sich vom Erdöl unabhängig zu machen. Kommt dieses doch aus instabilen Regionen wie dem Nahen Osten, oder politisch unliebsamen Ländern wie Venezuela. So entstand die Idee, Getreide wie Mais zu Treibstoff zu verarbeiten. Seither boomt das Geschäft mit dem Ethanol- oder Bio-Treibstoff. Nun könnte man aber mit der Menge an Getreide, die für die Herstellung eines vollen Tanks des vermeintlich "biologischen" Treibstoffs notwendig ist, einen Menschen fast ein Jahr lang ernähren.
Das allerdings wäre für die KapitalistInnen weniger profitabel. Ebenso wenig rentabel ist bekanntlich der Schutz unserer Umwelt. So ist es nicht verwunderlich, dass bei der Herstellung von Biosprit sogar mehr Treibhausgase freigesetzt werden, als bei der Erzeugung von Benzin aus Erdöl.
Teufelskreis
Wie auch in anderen Wirtschaftssektoren erhöht der hohe Grad der Monopolisierung die Auswirkungen einer Krise. Die zwei Konzerne Cargill und ADM, die 65% des weltweiten Getreidehandels kontrollieren, brauchen keine große Angst vor Konkurrenz zu haben. Sie können Preiserhöhungen leicht an ihre Abnehmerfirmen weitergeben. Dies ist die eine Seite der Medaille. Die andere ist, dass die durch die Monopolisierung verstärkte Krise ihrerseits zu einer noch weiteren Machtkonzentration führt. Die hohen Preise machen Saatgut für kleinere Landwirtschaften unerschwinglich und vernichten vor allem in der so genannten "Dritten Welt" massenweise Existenzen.
Offizielle "Ursachen"
Als offiziellen Grund für die hinauf schnellenden Lebensmittelpreise nennen die bürgerlichen Medien meist das Bevölkerungswachstum in China und Indien sowie den erhöhten Verbrauch in diesen Ländern. Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel verstieg sich sogar zu der Bemerkung, dass ChinesInnen und InderInnen Schuld daran hätten, dass bei uns die Lebensmittelpreise steigen, würden doch diese auf einmal anfangen zwei Schüsseln Reis pro Tag zu essen, anstatt nur eine. Sollte es der Fall sein, dass die Menschen in diesen Ländern sich nun mehr Essen leisten können, freut uns das. Eine Steigerung des Reispreises von 141% innerhalb kürzester Zeit kann das jedoch nicht erklären.
Neue Spekulationsblase
All die schon genannten Gründe bilden den Boden für eine Spekulationsblase im Nahrungsmittelsektor. Diese wird zusätzlich durch die gegenwärtige Kreditkrise verstärkt. Die InvestorInnen suchen sich nach dem Platzen der Immobilienblase neue, sichere Anlagemöglichkeiten. Massenweise brachliegendes Kapital giert nach einer neuen Verwertungsmöglichkeit, es ist wie immer in Frühlingsstimmung und drängt darauf sich zu vermehren. Der Getreidegroßhandel ließ dementsprechend im Jahr 2007 seine Lager um 40% zurückgehen. Das treibt die Preise in die Höhe und bringt Riesengewinne.
Perversion Hunger
Die Anarchie der kapitalistischen Produktion führt zu so manchen Perversitäten. Eine davon ist, dass zeitgleich mit der historischen Rekordernte von 2007 die Preise extrem ansteigen und immer mehr Menschen hungern. Bereits in den 1980er Jahren führte eine Studie der FAO zu dem Ergebnis, dass unser Planet mit der aktuellen Technik 12 Milliarden Menschen ernähren könnte. Die Zahl derer die hungern wächst jedoch. Über 800 Millionen sind laut UNO- Studien permanent unterernährt und über 100.000 Menschen verhungern jeden Tag. Diese Zahlen stammen aus der Zeit vor dem jetzigen Preisanstieg. Die "International Food Policy Research" schätzt, dass jede 1%-Preiserhöhung, weitere 16 Millionen Menschen in den Hunger stürzt. Die gleiche Organisation befürchtet eine Erhöhung der Lebensmittelpreise zwischen 20 und 30% bis 2010. Die Auswirkungen kann sich jede/r selbst ausmalen.
Eat the rich!
Eine Handvoll Leute wird mit unserem Essen reich. In einer Gesellschaft, in der die Produktionsmittel Privateigentum sind und folglich für die Profite der BesitzerInnen produziert wird, kann es auch nicht anders sein.
Die scheinbaren Lösungen, die uns die Bürgerlichen, die UNO und diverse NGOs anbieten, sind allerhöchstens ein Tropfen auf dem heißen Stein. Alle paar Jahre starten sie eine große Kampagne, die den Hunger auf der Welt in den kommenden Jahren ausrotten soll. Auch ein paar Popsternchen dürfen dann für den "guten Zweck" und ihr eigenes Image ein Liedchen trällern. Eine wirkliche Verbesserung bringt das nicht. Die Wahrheit können die genannten Organisationen aber nicht sagen, sind doch ihre hauptsächlichen GeldgeberInnen selbst für die Misere verantwortlich. In Wirklichkeit ist trotz aller (manchmal gut gemeinten) Versuche der "Entwicklungshilfe" der Hunger weiter auf dem Vormarsch. Gelingt es einen Brandherd unter Kontrolle zu bringen, entstehen anderenorts viele neue Lauffeuer, zusätzlich angeheizt durch Kriege und andere (scheinbar friedliche) Arten imperialistischer Außenpolitik. Das Problem des Hungers in der "3. Welt" lässt sich nur durch den revolutionären Sturz aller vom Imperialismus abhängigen Regierungen beseitigen. Die Menschen müssen die Wirtschaft ihren Interessen unterwerfen und ihr Leben selbst in die Hand nehmen.
Kampf der Inflation
Auch wir in den "entwickelten" Ländern bekommen die steigenden Lebensmittelpreise bei jedem Einkauf im Supermarkt zu spüren. Die Inflation ist jedoch nichts anderes als eine schleichende Reduzierung unserer Kaufkraft und unseres Lebensstandards.
Gegen die Teuerung, die einen immer zügelloseren Charakter annimmt, kann man nur kämpfen mit der Losung der Gleitenden Lohnskala. Die Kollektivverträge müssen die automatische Erhöhung der Löhne gleichlaufend mit den Preissteigerungen der Verbrauchsgüter garantieren.
Die offizielle Inflationsrate gibt aber das wahre Ausmaß der Teuerung nicht wieder. Aus diesem Grund müssten die Gewerkschaften selbst einen Warenkorb bestimmen, der die Lebensrealität der Lohnabhängigen widerspiegelt, und gegen die Bürgerlichen durchsetzen.
Durch gewerkschaftliche Komitees müssen die Preise in Supermärkten, bei Tankstellen usw. einer Kontrolle unterzogen werden.
Rund um ein solches Programm gilt es in den Gewerkschaften eine breite Kampagne zur Verteidigung des Lebensstandards zu organisieren.